Performative Präparate. Medizinische Präparate zwischen Forschung, Schaulust und öffentlicher Debatte

Menschliche Präparate nehmen in wissenschaftlichen Sammlungen eine besondere Stellung ein. Sie sind Museums- und Forschungsdinge sowie Dinge der Lehre, die gegenständlich behandelt werden und denen zugleich ein schwer zu bestimmender persönlicher Charakter und Wert zukommt, weil sie einmal (Teile von) Menschen waren. Diese Mehrdimensionalität ist unumgänglich. Sie speist sich aus den Zeigepraktiken der Präparate und liegt in ihrer Materialität selbst. Das lässt den Umgang mit menschlichen Präparaten in Sammlungen wie in Ausstellungen zur interdisziplinären Herausforderung werden. Dabei geht es auch um Fragen der Gestaltung und des jeweiligen Auftretens der Präparate, denn wie die Präparate gezeigt werden, ob öffentlich, im Hörsaal, im Flur, auratisiert oder beiläufig scheint ein Unbehagen (ob des Zeigens) in unterschiedlichem Maße anzuregen.

Das Dissertationsprojekt setzt hier an und fragt nach den Bedingungen, Kontexten und Akteuren im Umgang mit und beim Zeigen von medizinischen Präparaten menschlicher Herkunft in wissenschaftlichen Sammlungen. Die Arbeit geht dieser Frage in zwei Zeitschichten, zu Beginn des 20. und des 21. Jahrhunderts, nach und adressiert die aktuelle Frage: Wie ist mit diesen Präparaten künftig in Sammlung und Ausstellung umzugehen?
Ausgangspunkt der Analyse ist ein exemplarischer Bestand medizinhistorischer Herzpräparate aus den 1920er Jahren. Es handelt sich um die sogenannte Volhard-Sammlung im Deutschen Medizinhistorischen Museum Ingolstadt, eine Sammlung aus 16 Teilen paraffinierter menschlicher Herzen, die verschiedene Pathologien aufweisen.

2019–2020 arbeitete und forschte Johanna Lessing im Deutschen Medizinhistorischen Museum Ingolstadt, stieß hierbei auf die Herzen und entwickelt seitdem eine praxeologische und phänomenologische Forschungsperspektive, die performative ebenso wie ethische Dimensionen und ihre Historisierung berücksichtigt. Anhand der Herzpräparatesammlung werden exemplarisch wissenschaftliche Objekt-Praktiken, museale Umgangsweisen und mögliche Performativitäten erschlossen, um sie in eine wissenshistorische Analyse von Begegnungssituationen mit menschlichen Präparaten einzubinden. So entsteht eine objektzentrierte, ereignishafte und ethisch informierte kuratorische Erzählung, die ausgehend von menschlichen Präparaten die Entwicklung universitären Ausstellens im Schnittfeld von Forschung und Öffentlichkeit verfolgt.



Betreuung: Prof. Dr. Claudia Wiesemann, Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Georg-August-Universität Göttingen; Prof. Dr. Regina Bendix, Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie

Museum: Deutsches Medizinhistorisches Museum, Ingolstadt