Das Huldigungssilber der Welfen des Neuen Hauses Braunschweig-Lüneburg (1520-1706).
Geschenkkultur und symbolische Interaktion zwischen Fürst und Untertanen.
Das Forschungsvorhaben geht erstens von der materiellen Überlieferung von drei kunsthistorisch herausragenden Silberobjekten aus, die sich seit 2009 im Celler Schloss befinden: der Riesenpokal der Stadt Lüneburg, der Tischbrunnen des Amtes Bodenteich und der Vierfachpokal der Stadt Osterode. Sie sind der Nukleus eines 10-teiligen Konvoluts silbervergoldeter Pokale, Trinkspiele und eines Tischbrunnens, die im 17. Jahrhundert durch Städte, Ämter und Flecken als Huldigungsgeschenke bei Regierungsantritt den in Celle residierenden Herzögen von Braunschweig-Lüneburg übergeben wurden. Da europaweit keine anderen geschlossenen Huldigungssilber-Konvolute überliefert sind, kommt dem "welfischen Huldigungssilberschatz" Referenzcharakter bei der Erforschung der Geschenkkultur und der symbolischen Interaktion zwischen Herrschaft und Ständen in der Frühen Neuzeit zu.
Zweitens basiert das Forschungsvorhaben auf einem Desiderat der Geschichts- und Kunstwissenschaft: Die zeremonial- und verfassungsgeschichtlich orientierte Forschung hat die in Europa seit dem frühen Mittelalter tradierten Grundzüge der Huldigung zwar idealtypisch herausgearbeitet und an Beispielen beschrieben, dabei aber die für das reziproke Treueverhältnis von Untertanen und Herrschaft signifikante und Abhängigkeiten abbildende Huldigungssequenz des Geschenkeaustauschs (insbesondere der Übergabe kostbarer Silberpokale) kaum beachtet.
Aus den Desiderata ergibt sich das Ziel des Projekts: Auf Basis einer mit dem Realienbestand korrespondierenden umfangreichen archivalischen Überlieferung wird der Entstehungskontext des welfischen Huldigungssilbers von seiner Finanzierung, Beauftragung, Herstellung und ritualisierten Übergabe bis hin zu seiner zeremoniellen Nutzung bei der symbolischen Interaktion zwischen Landesherrschaft und Untertanen exemplarisch untersucht. Dabei wird das Huldigungssilber als Medium dynastischer wie ständischer Repräsentation verstanden. Aus landeshistorischer Sicht wird ein Schlaglicht auf die frühneuzeitliche Verfassungsrealität in Teilen des heutigen Niedersachsens geworfen. Frühe Formen der Partizipation und Teilhabe von adligen, städtisch-bürgerlichen und ländlich-bäuerlichen Schichten und Korporationen werden aufgedeckt.