Untersuchungen zur genetischen Diversität und zu Mustern raümlich-genetische Variation in der endemischen Baumart C. brevifolia (Hook f.) Henrz auf Zypern:
Implikationen für Erhaltungsmaßnahmen
Innerhalb der Naturwissenschaften zeichnet sich die Genforschung durch eine rasche Weiterentwicklung aus. Seit vierzig Jahren hat sie sich zu einem Forschungsbereich entwickelt, der laufend innovative Ansätze zur Beschreibung und Analyse der zeitlichen und räumlichen Strukturen genetischer Information liefert. Diese basieren auf dem Einfluss, den evolutionäre Faktoren auf unterschiedlichen Ebenen der Biodiversität haben, z.B. auf Ökosysteme, Arten und genetischen Strukturen. Populationsstrukturen und evolutionäre Prozesse sind dabei wesentliche Faktoren, welche die gegenwärtige genetische Diversität und die genetischen Strukturen innerhalb einer Population prägen. Untersuchungen an Inselpopulationen lassen darauf schließen, dass in isolierten Lebensräumen besondere Verbreitungsbedingungen die Populationsstrukturen und deren genetische Strukturen beeinflussen. Im Hinblick auf Reproduktionsvorgänge teilen Inselpopulationen viele Gemeinsamkeiten mit bedrohten Arten, einschließlich einer verringerten Populationsgröße und einem erhöhten Risiko des Aussterbens. Neben Inzuchteffekten und einer reduzierten reproduktiven Fitness weisen Inselpopulationen daher oft eine geringere genetische Diversität auf als entsprechende Populationen auf dem Festland.
Cedrus brevifolia, die Zyprische Zeder, ist eine endemische Baumart der zyprischen Flora, die als einzigartige wildwachsende Population auf der Insel Zypern vorkommt. Ihre erstmalige Entdeckung liegt weit zurück und geht auf historische Aufzeichnungen durch Theophrastus (370-287 vor Christus) zurück. Als kurzblättriges Zederngewächs gehört C. brevifolia zu der Gattung Cedrus (Pinacceae). Von allen vier Unterarten besitzt sie die kürzesten Nadeln. Durch Kahlschlag, Feuer und Überweidung hat sich das Vorkommen von C. brevifolia auf eine Population reduziert, ein Prozess, der mittlerweile charakteristisch ist für ost-mediterrane Baumpopulationen der Antike. Dennoch ist die nicht-uniforme Population von C. brevifolia in fünf benachbarten Beständen in der Waldregion von Tripylos vorzufinden. Dies entspricht dem „Cyprus cedar forest“ (Cedrosetum brevifolia) und dem Habitatstyp 9590 (Europäische Gemeinschaft).
Die vorliegenden Untersuchungen zielten ab auf die Untersuchung der räumlich genetischen Variation von C. brevifolia, sowohl innerhalb als auch zwischen den voneinander abgegrenzten Wuchsflächen wie auch in den Versuchsplantagen mit der Zyprischen Zeder. Zu diesem Zweck erfolgten Probennahmen in jeder der fünf gekennzeichneten Versuchsflächen (Trypilos, Mauroi Kremoi, Sellai tis Ellias, Throni und Exo Milos) wie auch in den drei Plantagen. Gesammelt wurden insgesamt 550 Proben an 550 Individuen der 11 zufällig ausgewählten Versuchsflächen aus den Wuchsgebieten (Trypillos –6 plots, Mauroi Kremoi –2 plots, Sellai tis Ellias –1plot, Throni –1 plot und Exo Milos –1plot) und 150 Probennahmen von 150 Individuen aus den drei Anpflanzungen. In jedem der Beprobungsgebiete wurden Zweige von 50 Bäumen einbezogen, wobei Größe und Form der Versuchsflächen von der Dichte und Verteilung der Bäume innerhalb der Wuchsflächen abhängig war.
Für die Untersuchungen zur genetischen Variation der Zyprischen Zeder kamen zwei Arten molekularer Marker zum Einsatz. Biparental vererbte genetische Information von C. brevifolia, deren Verbreitung durch Samen und teilweise durch Pollenflug erfolgt, wurde untersucht mittels Kern-Mikrosatelliten (nSSRs). Die Untersuchungen des paternalen Chloroplast-Genoms, das durch Pollen übertragen wird, erfolgte über die Verwendung von Mikrosatelliten der Chloroplasten (cpSSRs). Die Analyse beider Marker ergab eine für eine endemische Art mit eingeschränkter Verbreitung unerwartet hohe Ausprägung: HT –nSSRs=0.70 und cpSSRs=0.93-. Zudem sprechen die festgestellte nicht-signifikante Abweichung vom Hardy-Weinberg Gleichgewicht (HWE) und der relativ geringe Inzucht-Koeffizient (FIS=0.006) dafür, dass bei der C. brevifolia ein Zufallspaarungssystem vorliegt. Diese Ergebnisse könnten eine Erklärung für den Anstieg der Populationsgröße während der letzten zwei Jahrhunderte durch natürliche Verjüngung und ohne wesentliche Zeichen genetischer Drift sein. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass für die Herkunft dieser endemischen Art auf der Insel und für ihre dortige Verbreitung andere wichtige Faktoren vorliegen, die ursächlich sind für ihr hohes Ausmaß an genetischer Variation, was in der Zukunft untersucht werden könnte.
Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass die genetische Differenzierung zwischen den abgeteilten (ΦCT) Versuchsflächen bei beiden Markern signifikant (nSSRs=0.027; cpSSRs=0.099) festzustellen war. Obwohl die Differenzierung zwischen den Versuchsflächen gering war, konnten diese als separate Subpopulationen identifiziert werden; die genetische Differenzierung zwischen den Subpopulationen ist möglicherweise das Resultat eingeschränkten Genflusses über mehrere Generationen. Darüber hinaus könnte die signifikante genetische Differenzierung zwischen den Probeflächen (ΦST), die für beide Marker (nSSRs=0.052; cpSSRs=0.114) festgestellt wurde, auf verschiedene Muster genetischer Diversität innerhalb und zwischen den Versuchsflächen hinweisen. Dies ist bei der relativ begrenzten Wuchsfläche von C. brevifolia von durchschnittlich 64 km2 von Bedeutung. Des Weiteren sind beide Marker eingesetzt worden, um die genetischen Unterschiede zwischen den Versuchsflächen herauszufinden, wozu Nei’s genetischer Abstand und die UPGMA Cluster-Analyse eingesetzt wurden. Die Ergebnisse dieser Methoden zeigen eine klare genetische Differenzierung bei den Versuchsflächen unterschiedlicher geografischer Herkunft. Dieses erhärtet die Annahme, dass die identifizierten gegenwärtigen Subpopulationen aus der Teilung einer zuvor gemeinsamen Population resultieren. Für die Subpopulationen Throni (Subpop.4) und Exo Milos (Subpop.5) zeigen beide Marker eine relativ hohe genetische Differenzierung zu den anderen Versuchsflächen, so was nahe legt, das beide Populationen als erste von der ursprünglichen Gesamtpopulationen isoliert wurden.
Wie bereits angedeutet, sind die heutigen C. brevifolia Subpopulationen das Ergebnis einer Fragmentierung einer ursprünglichen Großpopulation. Ein Effekt dieser Fragmentierung zeigt sich in den unterschiedlichen Beiträgen einer der Subpopulationen zur Gesamtendiversität. Diese Tendenzen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die unterschiedlichen genetischen Strukturmuster zwischen und innerhalb der Subpopulationen gesteuert. Bemerkenswerterweise zeigte die Fragmentierung eine Einflussnahme in zwei unterschiedliche Richtungen: (i) Durch eingeschrränkten Genfluss zwischen den Teilflächen Die Fragmentierung wirkte als katalytischer Faktor für genetische Erosion und hat zum Aufbrechen der lokalen genetischen Struktur geführt, wie die Fragmentierung auch durch einen eingeschränkten Genkontakt zwischen den Standorten zustande kommen (z.B. Mauroi Gkremoi-Subpop.2, Throni –Subpop.4 and Exo Milos –Subpop.5), (ii) Ein unter bestimmten Umständen auftretender ansteigender Genfluss zwischen den verbleibenden Standorten und/oder Subpopulationen führt zum Einbrechen der lokalen genetischen Struktur (i.e. Sellae tis Elias –Subpop.3).
Weitergehende Analysen der genetischen Variationsmuster zeigen ein graduelles Anwachsen genetischer Variation innerhalb der Versuchsflächen von Nord nach Süd. Besonders deutlich wird dies bei Betrachtung der cpSSR. Dabei zeigt Subpop.3 (die südliche Subpopulation) die höchste genetische Variation (HE=0.94) und die höchste Variation an Haplotypen (HR=22.36) im Vergleich zu Subpop.4 (die westliche Subpopulation) und Subpop.5 (die nördliche Subpopulation), in der die Werte bei HE=0.58/HR=8.88 beziehungsweise bei HE=0.72/HR=5.00 lagen. Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass die Fragmentierung und die Reduktion der Populationsgröße nicht die einzigen Faktoren sind, die zur genetischen Divergenz zwischen und innerhalb der verschiedenen Subpopulationen beitragen. Vielmehr beeinflussen auch die geographische Lage und die Umweltbedingungen die genetische Verteilung innerhalb dieser nicht kontinuierlich verteilten Population.
Die signifikante Korrelation zwischen geographischen und genetischen Distanzen für beide Maker, basierend auf dem zMantel Test, lassen vermuten, dass das Modell der Isolation-By-Distance (IBD) auch in der fragmentierten Population Gültigkeit hat. Damit wäre die Verbreitung von Genen in der Gesamtpopulation in Abhängigkeit von den Entfernungen zwischen den Subpopulationen zu sehen. Eine solche Korrelation war nicht feststellbar bei der Untersuchung, die lediglich nahe beieinander liegende Versuchsflächen der Hauptsubpopulation (Tripylos -Subpop.1) berücksichtigte. Dies bestätigt die Annahme eines eingeschränkten Genflusses zwischen den Subpopulationen, besonders zwischen der Hauptsubpopulation und den anderen weiter isolierten Subpopulationen. Die Untersuchung der räumlich-genetischen Strukturen (SGS) mit unterschiedlicher Skalierung erfolgte mit Hilfe der „Kinship-Method“. Die Analyse ergab verstärkte Hinweise auf räumliche genetische Korrelationen von C brevifolia Individuen.
Bei der großräumigen Analyse wiesen beide Marker vergleichbare Korrelationen auf. Beide Marker zeigten eine signifikant positive Autokorrelation (vergleichsweise genetische Ähnlichkeit bei geringeren Distanzen von Baumpaaren) bis hin zu einer Distanz von 500 m; diese signifikante Korrelation cpSSR gilt bis zu einer Entfernung von 1,500 m. Diese Ergebnisse sind von Bedeutung, weil sie in diesen Distanzbereichen auf Einschränkungen des Pollenflugs gegenüber der Verbreitung durch Samen hinweisen, was bislang aus anderen Studien an Koniferen nicht so hervorging. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Ergebnissen war bei Entfernungen von mehr als 4,500 m eine signifikant negative Autokorrelation zu beobachten (Paare von Bäumen, die weniger genetische Ähnlichkeit aufweisen). Diese große Entfernung entspricht der geografischen Distanz zwischen der Haupt-Subpopulation (Subpop.1) und den weiteren isolierten Subpopulationen.
Die Analysen der kleinräumigen Muster (intra-plot level analysis) zeigten alle der vier möglichen Kombinationen von SGS (z.B. signifikant entweder bei cpSSRs oder nSSRs, oder an beiden oder keinem). Bemerkenswert ist, dass in fünf von elf Probeflächen in der ersten Distanzklasse (Familienstrukturen) signifikante positive Autokorrelationen festgestellt wurden. Diese Ergebnisse deuten auf eine Kombination von Faktoren hin, die die Genverteilung in einer kurzen Entfernung beeinflussen (z.B. durch Pollen und Samen) oder in einer kleinen Gruppe von Nachbarbäumen. Auch die Tatsache, dass bei cpSSRs räumliche Autokorrelationen festgestellt wurden, weist darauf hin, dass der Paarungsprozess unter benachbarten Bäumen möglicherweise nicht zufällig ist und/oder dass die Bestäubung durch einige wenige Individuen die effektive Bestäubung von vielen Bäumen beeinflusst.
Im Hinblick auf die Plantagen kann festgestellt werden, dass die genetischen Strukturen der untersuchten Flächen die etablierten Anbaustrategien (Samen-Proben, Keimung, Pflanzung) für Pflanzungen von C. brevifolia bei Beibehaltung einiger Grundsätze, wie Abdecken der Verbreitungsregion und Verwendung von Saatgut unterschiedlicher Individuen, unterstützt. Aber trotz der hohen genetischen Diversität, die in den Plantagen zu beobachten war, war lag der Inzucht-Koeffizient extrem hoch. Dies lässt darauf schließen, dass die beprobten Bäume relativ nah zueinander angeordnet waren und mit hoher Wahrscheinlichkeit genetisch ähnlich und/oder genetisch verwandt.
Die Untersuchungenweisen darauf hin, dass Maßnahmen der Generhaltung für die Zyprische Zeder ein wichtiger Bestandteil des nachhaltigen Managements der Art sind. In situ Erhaltung muss bestehen aus: (i) zuverlässiger nachhaltiger statischer Erhaltung, die darauf ausgerichtet ist, die Population vor der Zerstörung durch abiotische und biotische Faktoren (z.B. Feuer, Krankheit) zu schützen (ii) dynamischer Erhaltung. Dies bedeutet den Einsatz von Erhaltungsmaßnahmen in Bereichen, wo diese notwendig sind (besonders in isolierten Subpopulationen) durch das Beimischen von Saatgut unterschiedlicher Herkunft oder auch durch technisches Aufforsten innerhalb der Bestände (Throni, Mauroi, Kremoi). Zusätzlich erfordert ex situ die Aufrechterhaltung von C. brevifolia in Pflanzungen außerhalb und innerhalb ihres natürlichen Habitats, um den Nachschub genetischen Aufforstungsmaterial zu gewährleisten. Auf diese Weise liefert der Prozess der ex situ Erhaltung ein umfassendes „Sicherungssystem“ gegen zufallsmäßig stattfindende Ereignisse, die die Existenz der letzen erhaltenen Population dieser Art bedrohen könnten.