Kunstwerk des Monats im Februar 2020

02. Februar 2020
Weimarer Streiter für den Protestantismus: Friedrich Wilhelm Martersteigs Gebet Herzogs Bernhard von Weimar nach der Schlacht von Rheinfelden 1638
Vorgestellt von: Dr. Christine Hübner

KdM Feb 2020 Hübner 450pxDie Federzeichnung zeigt eine zentrale Szene aus dem Leben Herzogs Bernhard von Sachsen-Weimar (1604–1639), der auf protestantischer Seite zu den bedeutendsten Heerführern im Dreißigjährigen Krieg zählte. In der Schlacht von Rheinfelden im südlichen Breisgau errang der Feldherr im zweiten Waffengang einen Sieg gegen die kaiserlich-katholischen Truppen. Noch auf dem Schlachtfeld stieg er vom Pferd und betete kniend im Kreis seiner Soldaten. Diesen Moment zeigt das Göttinger Blatt: Auf einem von wenigen dürren Bäumen bewachsenen Plateau haben sich vom Kampf erschöpfte Krieger niedergelassen. In ihrer Mitte beugt ihr Feldherr das Knie zum Gebet, sein Blick ist zum Himmel gerichtet. Er hat den Hut abgenommen und seine linke Hand in einem Beteuerungsgestus auf die Brust gelegt. Zwei Fahnenträger kreuzen ihre Banner über dem Betenden.

Die Zeichnung steht im Kontext eines größeren Konvoluts von Gemälden und Zeichnungen zum Leben des Herzogs, die der Weimarer Maler Friedrich Martersteig zwischen 1838 und 1844 kurz vor und während eines insgesamt zehn Jahre währenden Aufenthalts in Paris entworfen hat. In mehr als 25 Zeichnungen und mindestens 14 Gemälden, die sich heute in den Sammlungen der Klassik-Stiftung Weimar befinden, hat Martersteig den Feldherrn als exemplum virtutis für Tapferkeit, Gerechtigkeit, Nächstenliebe und Gottesfürchtigkeit sowie als Kämpfer für den Protestantismus inszeniert. Als Hauptquellen dienten ihm die 1828/29 erschienene zweibändige Bernhard-Biographie Friedrich Bernhard Röses sowie Friedrich Schillers Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs. Die extensive bildkünstlerische Beschäftigung mit dem Feldherrn ist in ihrer Zeit singulär, wobei die Motivation des Künstlers im Zusammenhang mit dessen enger Verbundenheit zu den Weimarer Großherzögen steht. Carl Friedrich von Sachsen-Weimar-Eisenach und Maria Pawlowna förderten Martersteigs Ausbildung an den Akademien in Dresden und Düsseldorf und unterstützten ihn während seines Paris-Aufenthalts durch Aufträge und Ankäufe.

Martersteig schildert das Leben des Herzogs von der Geburt bis zu Tod und Beisetzung, legt den inhaltlichen Schwerpunkt jedoch auf die Ereignisse der letzten Lebensjahre von 1637–1639. Eine herausragende Bedeutung nimmt dabei das Gebet nach der Schlacht von Rheinfelden ein, das Martersteig außerdem in zwei lavierten Zeichnungen sowie in einer 1840 auf der Ausstellung des großherzoglichen Kunstinstituts in Weimar gezeigten Ölskizze ausgeführt hat. Die Fassungen variieren die Gebetsszene in ihrer Figurenanordnung jeweils leicht. Die Bleistiftquadratur der Göttinger Zeichnung und die deutlichen Differenzen zur Ölskizze deuten darauf hin, dass sie eher am Beginn des Schaffensprozesses anzusiedeln ist. Formalästhetisch kann die Komposition als Reflexion über Carl Friedrich Lessings Hussitenpredigt gelesen werden, die Martersteig aus Düsseldorf gut kannte und deren Schöpfer er sich in der Wahl seiner protestantischen Bildthemen zum Vorbild genommen hat.



Friedrich Wilhelm Martersteig
(Weimar 1814–1899 Weimar)

Gebet Herzogs Bernhard von Weimar nach der Schlacht von Rheinfelden 1638, um 1840
Feder in Schwarz und Braun über Bleistift, teilweise in Bleistift quadriert, 208 x 308 mm
Inv. Nr. H 593
signiert unten links mit Feder in der Darstellung: Martersteig – datiert unten mittig mit Feder (beschnitten): Paris d. 23. Januar 1840 [?] – bez. eigenhändig unterhalb der Zeichnung auf dem Träger mit Feder: Herzog Bernhard v. Weimar betet auf dem Schlachtfeld | nach dem Sieg bei Rheinfelden 1638.
Provenienz: 1964 Stiftung aus dem Nachlass Albert Pannenborg, Göttingen

Literatur: Ausst. Kat. Celle/Göttingen 1966, Kat. 51