Kunstwerk des Monats im August 2019
04. August 2019
Weitschs Doppelporträt zweier Knaben (Rudolf und Wilhelm Schadow) zwischen Klassizismus und Romantik
Vorgestellt von: Klara Wagner M.A., MSt Oxon
Friedrich Georg Weitschs Zeichnung zeigt die Porträts der Söhne des Bildhauers Johann Gottfried Schadow, Rudolf und Wilhelm, im Kindesalter. Die Künstler, die eine enge Freundschaft verband, waren zeitweise Nachbarn und verfügten über Ateliers in der Neuen Münze zu Berlin. Hier arbeiteten beide im Jahr 1795, in dem vermutlich auch die Zeichnung entstand, an Doppelporträts der preußischen Prinzessinnen Luise und Friederike. Ein Vergleich zwischen Schadows Prinzessinnengruppe und der Zeichnung legt nahe, dass der Maler sich am von Schadow geprägten Typus des klassizistischen Geschwisterporträts orientierte: So zeigen beide Werke den älteren Teil vergleichsweise strenger, den jüngeren verspielter und mit einem angedeuteten Lächeln.
Auch hinsichtlich ikonografischer Aspekte erscheinen die Werke verwandt. Beide sind in den Kontext des Freundschaftskultes des späteren 18. und frühen 19. Jahrhunderts einzuordnen, wobei das Geschwisterporträt eine Sonderform des Freundschaftsporträts bildet und besonders in der englischen Kunst nach 1750 eine ausgeprägte kunsthistorische Tradition hat. In jener Zeit erscheinen Geschwisterporträts zunehmend als Verbindung aus angestrebter Darstellung individueller Persönlichkeit bei gleichzeitiger Entsprechung sozial angemessener Rolle des älteren gegenüber dem jüngeren Geschwisterpart. Dies wird sowohl bei Schadows Prinzessinnengruppe als auch bei Weitschs Adaption des Typus’ für sein Doppelporträt deutlich erkennbar.
Die verwendeten zeichnerischen Mittel scheinen programmatisch auf die kommende künstlerische Laufbahn der Knaben vorauszuweisen. So wirkt das Porträt des späteren Bildhauers Rudolf durch die überwiegende Verwendung von Grautönen und das strenge Profil reliefartig und sein geöffneter Hemdkragen erscheint als Verweis auf die körperliche Arbeit. Demgegenüber kann das farbigere Bildnis Wilhelms, dem über seinen den Betrachtenden zugewandten Blick zusätzlich beseelter Ausdruck verliehen wird, als Symbol seiner zukünftigen Karriere als Maler gelesen werden. Gemäß dieser genealogischen Referenz erscheint das Blatt als ein komplexes Zeugnis freundschaftlicher Ehrerbietung Weitschs, der die Knaben durch die ikonografisch-kompositorische Referenz als leibliche Meisterwerke Schadows charakterisiert und sowohl in Bezug auf die innerbildliche geschwisterliche Einheit als auch auf sein persönliches Verhältnis zu Schadow die Überwindung des paragone in seiner Zeichnung manifestiert. Das Doppelporträt symbolisiert somit letztendlich sowohl die (geschwisterliche) Freundschaft der Knaben, als auch die (kollegiale) Freundschaft des Malers zu deren Vater.
Die differenzierte Ausarbeitung und technische Finesse lässt das Blatt als eigenständiges Kunstwerk erscheinen: Ein Umstand, der mit der Aufwertung der Zeichnung als künstlerische Gattung um 1800 einhergeht.