Romantik I Ausstellen. Eine Verflechtungsgeschichte der Jubiläumsausstellungen zu Caspar David Friedrich in den 1970er Jahren
Das Projekt ‚Romantik I Ausstellen‘ setzt sich zum Ziel, anhand der Ausstellungen zu Caspar David Friedrich in den 1970er Jahren (Tate Gallery London 1972, Hamburger Kunsthalle 1974, Albertinum Dresden 1974-75) zu untersuchen, wie in jenem kurzen Zeitfenster mit ganz ähnlichen Exponaten drei in Anspruch und Ansatz völlig unterschiedliche Ausstellungen unabhängig voneinander durchgeführt wurden – und wie eng sie (teils hinter den Kulissen) dennoch miteinander verflochten waren. Diese Case Study, ermöglicht es wiederum, größere, wissenshistorische Fragestellungen in den Blick zu nehmen und am Fallbeispiel exemplarisch zu untersuchen.
Warum ausgerechnet Friedrich in den 1970er Jahren als Protagonist der Romantik ausgestellt wird, ist eine der Erkenntnisinteressen des Projektes: Welche Rolle spielte der jeweilige sozio-politische Kontext, in dem die einzelnen Ausstellungen stattfanden, für die Darstellung des Künstlers, gegen oder für welche dominierenden (nicht zuletzt nationalistischen und nationalsozialistischen) Erzählungen schrieben sie an bzw. stellten sie aus und mit welchen Problemen hatten die Ausstellungsmacher es möglicherweise zu tun? Lassen sich Ausstellungen überhaupt getrennt vom sozio-politischen Kontext betrachten – wie verändern sich ihre Erzählungen bei einer Ortsänderung oder zu einem anderen Zeitpunkt? Unterscheidet sich das ausgestellte Wissen von Romantik in den drei fast zeitgleichen Friedrich-Ausstellungen voneinander – und welche Erzählung setzte sich am langfristigsten durch und fand Eingang in spätere Romantik-Diskurse?
Innerhalb des Kollegs und seinen primär kultur- und sozialwissenschaftlich ausgerichteten Fragestellungen um Wissen, Ausstellungen und ihr Wechselverhältnis nimmt das im Fachbereich Kunstgeschichte angesiedelte Projekt konkret das Wissen der Bilder in den Blick. So soll ausgehend vom Fallbeispiel Friedrich untersucht werden, wie ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit einem ‚Wissen‘ der Bilder in der Ausstellungspraxis umgegangen wurde: Was leisten Bilder, das andere Medien nicht in dieser Art und Weise zu zeigen in der Lage sind? Wie wurde bestehendes, etwa fachspezifisches oder gesellschaftliches Wissen in Ausstellungen aufgenommen, visualisiert und vermittelt – und welches neue Wissen wurde erst durch das Präsentieren der Bilder geschaffen? Einem bildwissenschaftlichen Ansatz verhaftet, verhandelt das Projekt dabei Bilder nicht länger als eine (historische) Wirklichkeit repräsentierende Quellenform, sondern geht davon aus, dass Sinn und Bedeutung visuell jeweils kontextabhängig neu verhandelt und hergestellt werden. Es ergibt sich daher mit jeder Ausstellung ein neues, aber nur temporär bestehendes ‚Wissens-Bild‘ eines zu vermittelnden Themas, welches anschließend wiederum Eingang in weiterführende Forschung und Diskurse findet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine sich verändernde Auffassung vom Medium Bild mit einem Wandel der Ausstellungspraxis einhergeht und sich sichtbar niederschlägt: Der Umgang mit Bildern in Ausstellungen und Methoden des Visualisierens von ‚Bilder-Wissen‘ entwickelt sich wechselseitig.
Jenseits von rein akademischem Fachwissen nimmt das Projekt auch alternative Formen des Wissens, beispielsweise populäres Wissen, in den Blick, welche Eingang in Ausstellungen finden bzw. auf welche das ‚Ausstellungswissen‘ einwirkt. Ausstellungen werden somit als ‚starke Akteure’ verhandelt, die in einem wechselseitigen Einfluss sowohl mit fachspezifischen als auch mit gesellschaftlichen Diskursen stehen und zu Verhandlungsorten von Wissen werden.
Ausgehend von den drei Caspar-David-Friedrich-Ausstellungen lässt sich, so die These des Projektes, eine Verflechtungsgeschichte schreiben, die sowohl die enge Verzahnung von kunstwissenschaftlicher Theorie und Praxis, von Ausstellungen und alternativen Formen des Wissens, als auch von Ausstellungen und ihrem jeweiligen sozio-politischen Hintergrund deutlich macht.
Betreuung: Prof. Dr. Michael Thimann, Kunstgeschichtliches Seminar, Georg-August-Universität Göttingen; Margarete Vöhringer, Professur für Materialität des Wissens, Georg-August-Universität Göttingen
Museum: Hamburger Kunsthalle