Kunstwerk des Monats im Dezember 2017
03. Dezember 2017
Ein "Überraschungsei" in der Kunstsammlung der Universität
Vorgestellt von: Prof. Dr. Carsten-Peter Warncke
Es handelt sich bei der Göttinger Vase um eine echte Majolika, weil der Scherben zuerst bei mittlerer Hitze bis ca. 600 Grad Celsius gebrannt, mit einer weißlichen Zinnglasur überzogen, die Darstellung hierauf mit den sog. Scharffeuerfarben Blau, Grün, Gelb und Ocker aufgetragen und bei hoher Hitze von ca. 900 Grad Celsius gebrannt worden ist.
Damit gehört die Vase zu einer in Italien seit dem 15. Jahrhundert etablierten Keramikproduktion, deren Herstellungstechnik aus dem Orient stammt und über die arabisch besetzten spanischen Gebiete nach Südeuropa vermittelt wurde. Majoliken waren eine exklusive Geschirrgattung, die als Vorläufer des in Europa bis ins 18. Jahrhundert nicht herstellbaren Porzellans wirkte. Etwa um 1525 entwickelte man die ersten kompletten Service, die auch in andere europäische Länder exportiert wurden. Charakteristisch ist der farbige Dekor, der entweder rein ornamental oder szenisch, gelegentlich als auch als Einzelfigurendarstellung angelegt ist. Schon in der Mitte des 16. Jahrhunderts avancierte die Gattung zur Theoriewürdigkeit mit dem 1557 und 1558 verfassten Traktat Le tre lbri dell´arte del vasaio von Cipriano Piccolpasso,
Formal signifikant für die Göttinger Majolikavase sind ihre Größe und ihre Gestalt. Mit einer Höhe von 73 cm gehört sie zu den sog. Monumentalvasen, die vor allem während des Historismus im 19. Jahrhundert als reine Ziergegenstände produziert und verbreitet worden waren. Sie folgt dem Grundtypus einer antiken sog. Halsamphora, muss jedoch als Hybridgestaltung angesehen werden, denn die Form der am Halsrand ansetzenden sprialigen Schlangenhenkel hat sich nicht in der Antike, sondern erst seit dem frühen 16. Jahrhundert eingebürgert.
Im Dekor folgt die Göttinger Vase einem System, das schon im 16. Jahrhundert etabliert war und im Historismus wieder aufgegriffen wurde. Mit ihrer szenischen Darstellung entspricht sie dem Typus der sog. istoriati, also den mit Historienbildern geschmückten Majoliken. Sie zeigt eine antike Schlacht, deren Eigentümlichkeit es ist, dass nur römische Soldaten beteiligt sind, mithin ein Kampfgeschehen aus dem sog. Bürgerkrieg, der Auseinandersetzung zwischen Caesar auf der einen und Pompeius auf der anderen Seite. Es handelt sich hier um den Sieg Caesars in der Schlacht bei Munda, der finalen Entscheidung, die ihm die Alleinherrschaft in Rom ermöglichte und ihn in den Augen der Nachwelt zum Begründer des römischen Kaisertums machte.
Es gibt einige stilistische Übereinstimmungen mit Erzeugnissen der Manufaktur Cantagalli, z.B. die Motive am Fuß. Diese Firma, deren Geschichte bis auf das Jahr 1494 zurückgeht, war 1878 wieder gegründet worden. Historistische Majoliken produzierte sie bis 1911 in einem breiten Spektrum, von Nachahmungen italienischer Gefäße des 16. Jahrhunderts über solche aus Persien und anderen exotischen Ländern bis hin zu Eigenschöpfungen. Möglicherweise ist die Göttinger Vase, die keine Marke trägt, ein Erzeugnis aus den ersten Anfängen, als das hohe Niveau der späteren Jahre noch nicht erreicht war.