Kunstwerk des Monats im Januar 2018
07. Januar 2018
Die Hypnerotomachia Poliphili
Vorgestellt von: Franca Buss, M.A.
Die Hypnerotomachia Poliphili ist eines der eindrucksvollsten Beispiele frühneuzeitlicher Gender- und Naturdiskurse.
In der 1499 bei Aldus Manutius in Venedig erschienenen Inkunabel sind Liebes- und Geschlechterdiskurs sowie Naturphilosophie und Kunsttheorie in subtiler Weise miteinander verwoben. Im Rahmen eines Traumberichtes schildert der ‚Liebeskampftraum‘ die Suche des männlichen Geliebten Poliphil nach der schillernden Frauenfigur Polia. Das Ziel Poliphils besteht dabei nicht nur darin, die Liebe von Polia zu gewinnen, sondern auch Einblick in die makrokosmische Welterkenntnis zu erhalten. Den Höhepunkt erreicht die Erzählung in der Vereinigung der beiden Liebenden auf der Insel Kythera durch Venus, die zugleich als Naturprinzip verstanden werden kann. Poliphils Suche führt ihn durch verschiedene Kunst- und Architekturlandschaften, in denen er, gleich einem Initiationsweg, zahlreiche Prüfungen bestehen muss. Die aufwändigen Ekphrasen spiegeln seine Beziehung zu Polia wider und in interpersonaler Bezogenheit zu ihr auch die Nähe und Ferne zu den Naturgeheimnissen. Begleitet wird der Text durch insgesamt 172 Holzschnitte. Ihrer graphischen Einbindung verdankt die Hypnerotomachia ihre Bezeichnung als Gesamtkunstwerk. Der wohl bekannteste Holzschnitt der Hypnerotomachia ist die Darstellung des Nymphenbrunnenreliefs. Die rätselhaft anmutende Liebesszene zeigt eine schlafende Nackte, die von einem sichtlich erregten Satyr beobachtet wird. Der Darstellung wird immer wieder Vorbildcharakter für zahlreiche, teils auch in der Ausstellung gezeigte, Bildwerke zugesprochen und nicht zuletzt mit Gemälden wie Giorgiones und Tizians Schlafender Venus in Verbindung gebracht. Umso verwunderlicher ist es, dass nicht nur das Verhältnis von der auf dem Holzschnitt dargestellten Szene und der sprachlichen Beschreibung derselben durch Poliphil größtenteils stillschweigend übergangen wurde, sondern auch, dass deren Bedeutung für die Hypnerotomachia als ganze bislang weitgehend vernachlässigt worden ist.
In dem Vortrag soll gezeigt werden, dass Bild und Beschreibung sowohl hinsichtlich des Handlungsverlaufes als auch auf metatextueller Ebene programmatisch für die gesamte Hypnerotomachia Poliphili sind. Durch ein kunsthistorisches Close-reading kann somit zugleich die Rolle der Hypnerotomachia als Vorbild, Spiegel und Projektionsfläche frühneuzeitlicher Liebesdiskurse sowie kunsttheoretischer und philosophischer Konzepte deutlich gemacht werden.