Kunstwerk des Monats im Februar 2016


07. Februar 2016
"Friedrich Gillys Theaterentwürfe für Stettin"
Vorgestellt von: Marius Meyer

Kunstwerk des Monats 2016 Februar StettinDer Architekt und preußische Oberbau­direktor David Gilly hatte 1787 die Idee, das renovierungs­be­dürftige Spritzenhaus in Stettin mit einem The­a­ter im Ober­geschoss zu verbinden. Der Grund da­für war, dass eine Not­situation im Theater­wesen um­gangen werden sollte, da auch das Theater zur selben Zeit baufällig war. Die Ausarbeitung der Pläne über­trug er seinem Sohn Friedrich Gilly, der zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alt war und bereits durch seinen Vater ausgebildet worden war. Jener verfolgte mit wachsendem Interesse an Theaterbauten die neueren Entwicklungen der aus Frankreich kommenden Diskussion um eine Er­neuerung der Theaterarchitektur. Im Vor­der­grund standen dabei eine verbesserte Sicht und Akustik von möglichst allen Plätzen und nicht mehr die Fokussierung auf die Fürstenloge.
Aus beruflichen Gründen zog die Familie Gilly 1788 nach Berlin, wo Friedrich Gilly als Bau­kon­duk­teur arbeitete und Kontakt zu bedeutenden Architekten der Zeit hatte, beispielsweise Carl Gotthard Langhans und Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff. Gilly arbeitete weiterhin an den Zeichnungen für das kleine Stettiner Theater und erfuhr durch den Umzug viele Einflüsse von The­a­ter­archi­tekten, die sich intensiv mit Theorien über die vorteilhafteste Theaterform aus­ein­an­der­setz­ten. Es wurde überlegt, ob nun der ellipsen- oder der halb­kreis­förmige Zuschauerraum für die Akus­tik am besten geeignet sei und wie die For­de­rungen des in der Aufklärung aufstrebenden Bür­ger­tums nach Emanzipation und die des Adels nach Gesellschafts­trennung zu vereinbaren seien.
Gilly hatte zusätzlich die Schwierigkeit, das Theater in den sehr engen Raum mit einem Grundriss von 82 x 32 rhein­län­dischen Fuß (ca. 25,7 x 10 m) zu konstruieren. Dadurch war es ihm nicht möglich, einen ellipsen- oder halb­kreis­förmigen Zuschauerraum zu entwerfen und gleichzeitig den vorgegebenen Platz für genügend Sitze aus­zu­nutzen. So wählte er einen rechteckigen Raum mit an­geschlossenen Halbkreis, der als Amphitheater bezeichnet und somit das Par­terre aufgewertet wurde. Dieses wurde zudem ansteigend geplant, um auch für die hinteren Reihen eine gute Sicht auf die Bühne zu garantieren.

1789 wurden die sieben Zeichnungen, die teilweise Konstruktions- und teilweise Präsentations­zeichnungen sind, auf vier Blättern in Berlin fertiggestellt. An ihrer schwachen Farbigkeit, den deutlichen Schatten und der illusionistischen Darstellung des sich zusammen­rollenden Papiers lassen sich noch starke Einflüsse des ausgehenden Barock er­ken­nen. Vom theaterbautheoretischen Standpunkt aus gesehen sind die Pläne, soweit es sich mit den Vorgaben ver­ein­baren ließ, schon recht fortschrittlich. Auch bezüglich des Brandschutzes wäre das Theater, das nie gebaut wurde, außergewöhnlich gewesen. Es gab bereits Überlegungen von verschieden Architekten, wie man den Schutz vor Bränden verbessern konnte, in großem Stile wurde sich jedoch erst im 19. Jahrhundert darum Gedanken ge­macht.
Gelagert wurden die Zeichnungen, die der Forschung lange unbekannt waren, in der Albertus-Universität in Königs­berg (heute Kaliningrad) bis sie 1945 in die Kunstsammlung der Universität Göttingen gelangten. Nach der Restau­rie­rung im Jahr 2014 werden sie in der Ausstellung "Gilly – Weinbrenner – Schinkel. Baukunst auf Papier zwischen Gotik und Klassizismus" erstmals öffentlich ausgestellt und zeigen, dass der früh verstorbene Friedrich Gilly bereits vor dem Jahr 1791 - welches lange als Beginn seiner Zeichentätigkeit angenommen wurde - als besonderes talentierter Archi­tekt erwies.