Kunstwerk des Monats im April 2013
07. April 2013
Weißer Maler – Schwarzes Modell. Rembrandts sogenannte „Weiße Negerin“
Vorgestellt von: Anika-Brigitte Kollarz, M.A.
Die Diskussion um die Benennung Schwarzer Figuren in Kinderbüchern hat kürzlich wieder auf die problematische Konstruktion Schwarzer Figuren aufmerksam gemacht. ‚Schwarz‘ in der Großschreibung wird heute als politisch korrekte Bezeichnung für dunkelhäutige Menschen verwandt. Die gesellschaftliche Stellung Schwarzer Menschen spiegelt sich in Kunst und Literatur, ist in einer sich selbst als ‚weiß‘ wahrnehmenden Gesellschaft vielfach von Stereotypisierung und Diskriminierung geprägt. Doch Kunst als kulturelles Erbe wird häufig wohlmeinend, affirmativ rezipiert. Eine kritische Auseinandersetzung darf daher nicht einfach stillschweigend übernehmen, sondern sie muss Probleme offenlegen und benennen. Beispielhaft dafür wird eine Radierung Rembrandts aus der Göttinger Kunstsammlung vorgestellt.
Die sogenannte „Weiße Negerin“ zeigt eine Frau im profilierten Brustbildnis, mit einem unspezifischen Kleid und einem Schal bekleidet, jedoch mit einer exotisch wirkenden Feder im Haar. Rembrandt stellt die Frau mit flacher Stirn, ausgeprägten Nasenflügeln, aufgeworfenen Lippen und verdrehten Augen dar, die sie als verrückt bzw. dumm charakterisieren. Diese Physiognomie wurde gemäß damaliger Kunsttheorie als die Schwarzer Menschen aufgefasst. Charakteristisch ist in der schwarz-weißen Radierung die Reduktion auf Konturen und Schatten, so dass die Haut ohne Färbung geradezu ‚weiß‘ erscheint.
Der Bildtitel, den Rembrandt nicht selbst vergab, sondern der sich erst 100 Jahre später in dem Katalog des Kunsthändlers Edme-Francois Gersaint findet, spielt auf diese Absenz von Hautfarbe an. Die Benennung als „Weiße Negerin“ ist missverständlich, da außerhalb der Kunst Schwarze Frauen mit Albinismus so bezeichnet wurden, die bis ins 20. Jahrhundert oft auf Jahrmärkten und Völkerschauen als Kuriosa ausgestellt wurden.
Rembrandt hatte jedoch nicht die Absicht, eine Schwarze Frau mit Albinismus darzustellen. In seiner „Heimsuchung“ von 1640 erscheint dieselbe Figur mit dunkler Hautfärbung.
Diese Studienfunktion des Brustbildnisses verweist darauf, dass Rembrandt eine sogenannte Tronie schuf. In solchen standen der menschliche Ausdruck und die Physiognomie im Mittelpunkt. Es handelt sich dabei um Typenbildnisse, die oft individuell wirken, jedoch nicht wie ein Porträt die Identität einer bestimmten Person wiedergeben wollen, obwohl sie oft nach Modellen gefertigt wurden. Mit solchen Arbeiten zeigten Kunstschaffende oft ihre künstlerische Fertigkeit und Kreativität.
Rembrandts Zuwendung zu Schwarzen Menschen ist vor dem Hintergrund der aufstrebenden Weltmachinteressen der Niederlande zu Beginn des 17. Jahrhundert zu verstehen. In einer Vielzahl von Rembrandts Werken zeigt sich eine Faszination für Schwarze. Dabei orientierte er sich unkritisch an den Zuschreibungen und Positionierungen gegenüber Schwarzen Menschen seiner Zeit. Sein Typenbildnis macht die Schwarze Frau zum Objekt, das Künstler sich aneigneten, um ihre Malerei zu bereichern und sich selber zu inszenieren. Inwieweit solche künstlerischen Darstellungen unbewusst oder bewusst den in weißen Gesellschaften vorhandenen Rassismus mitgetragen und verstärkt haben, solche Aspekte will die kritische Kunstgeschichte mit aufklären helfen. Weiteren spannenden Facetten, der hier besprochenen Arbeit, können Interessierte bei einem öffentlichen Vortrag auf die Spur kommen. Dieser ist am Sonntag den 7. April um 11.30 Uhr im Auditorium der Georg August Universität zu erleben.