Kunstwerk des Monats im Oktober 2006
01. Oktober 2006
Kunstraub des Monats "Bildnis eines Gelehrten" von David Bailly
Vorgestellt von: Dr. Gerd Unverfehrt
Unter Napoleon
Vor 200 Jahren, am 14. Oktober 1806, erlangte Napoleon mit dem Sieg bei Jena und Auerstedt die Herrschaft über Preußen, das zuvor das Kurfürstentum Hannover besetzt hatte. Der napoleonische Sieg hatte auch Folgen für die Kunstsammlung der Universität, wie deren damaliger Verwalter Johann Dominicus Fiorillo berichtet:
"Während der [napoleonischen] Sclaverei, der Unterdrückung und des Raubes, erhielt ich eines Abends nach 8 Uhr von meinem verewigten und unvergeßlichen Freunde Heyne, ein Billet mit folgenden Worten: "In diesem Augenblicke erhalte ich die Nachricht aus H.[annover"], daß der Denon uns besuchen wird; Freund retten Sie was Sie retten können etc. Ich benutzte die Nachricht und ging, um keinen Verdacht zu erregen, in der Nacht mit zwei Leuten in unsere Gallerie, und ließ nur zwei Stücke, nämlich einen sehr schönen Kopf von D. Bailly, und diese Landschaft [von Govaerts] nach meinem Hause tragen, weil ich wußte, daß das Pariser Museum von diesen beiden Meistern nichts besaß, und daß sie gewiß für gute Beute erklärt werden würden." Glücklicherweise sind wir aber mit diesem Besuche verschont geblieben."
Glücklicherweise: Denn jener Vivant Denon organisierte in den besetzten Gebieten die Beschlag-nahme von Kunstwerken für das Zentralmuseum in Paris, den heutigen Louvre.
"Entartete Kunst"
Vor 70 Jahren, 1936, forderte der Präsident der Reichskammer der Bildenden Künste in einem Blitztelegramm von der Kunstammlung der Universität Göttingen die Herausgabe aller Werke "Entarteter Künstler". Graf Vitzthum, Ordinarius für Kunstgeschichte, versuchte die Beschlagnahmung listig zu umgehen, indem er sie zu unentbehrlichen Exempla im akademischen Unterricht erklärte: Nur so könne man das Wesen entarteter Kunst den Studierenden vermitteln.
Beschlagnahmt wurde neben einem Gemälde Paula Modersohn-Beckers ein Konvolut graphischer Arbeiten von Nolde, Lehmbruck, Hofer, Kolbe. Das Schicksal dieser Arbeiten ist unbekannt. Einiges - wie Kandinskys "Kleine Welten" - konnte vor dem Zugriff verborgen werden und gehört weiterhin zum Bestand der Kunstsammlung.
Ein Diebstahl
1973, als die Kunstsammlung noch zu Gast im Ethnologischen Institut war, wurde aus einer Holzvitrine mit abschraubbarem Boden ein kleinformatiges Gemälde Jan Bruegels mit der "Kreuztragung" gestohlen und durch einen Kunstdruck ersetzt (Konrad Witz, Der wunderbare Fischzug Petri). Ein weiterer Diebstahl wurde etwa gleichzeitig im Städtischen Museum begangen.
Gegen zwei Verdächtige wurde erfolglos ermittelt. Um 1980 tauchte ein dritter Verdächtiger oder besser Verwirrter auf, der behauptete, das Göttinger Bild sei mit einem U-Boot zu Dr. Mengele nach Brasilien gebracht worden.