Forschung
Migration, Heirat und staatliche Regulierung im europäischen Grenzregime (2013-2017)
Im Rahmen meiner Promotion untersuchte ich mit Hilfe einer transnationalen Ethnographie zwischen Marokko und Deutschland die staatliche Regulierung von Migration am Beispiel eines bestimmten legalen Migrationswegs: dem sogenannten Ehegatten- oder Familiennachzug. In diesem Rahmen verbrachte ich mehrere Monate in unterschiedlichen Städten in Marokko und forschte sowohl in Institutionen und Behörden als auch mit Personen, die das Visaverfahren durchliefen. Obwohl ich zunächst nicht explizit mit einer geschlechtertheoretischen Perspektivierung auf das Feld blickte, wurde sehr schnell deutlich, dass in den untersuchten Institutionen und Behörden nicht nur über die Einreise entschieden wird, sondern auch Geschlechterverhältnisse und normalisierte Vorstellungen von Liebe und Ehe ausgehandelt werden (‚doing gender while doing border‘). Mit der Doktorarbeit leistete ich einen Beitrag für die Erforschung des ‚doing gender‘ innerhalb des Grenzregimes (das Visaverfahren auch als eine Heteronormierung der Grenze). Ich konnte zeigen, wie die Europäischen Außengrenzen immer stärker externalisiert werden, sowohl geographisch in den Herkunftsländern als auch durch die Einbindung neuer Institutionen wie dem Goethe-Institut in die Selektionsverfahren. Durch die Ethnographie wurde deutlich, wie tief die Europäische Grenze auch in die Alltage (und Privatsphäre) der Betroffenen reicht und hier Liebes- und Familienbeziehungen mitregiert werden.
Ambivalentes Geschlechterwissen in feministischen Initiativen d. postmigrantischen Gesellschaft (seit 2023)
Im Rahmen des von mir bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eingeworbenen Projekts „Ambivalentes Geschlechterwissen: Aushandlungen kultureller Differenz in feministischen Initiativen der postmigrantischen Gesellschaft“ untersuche ich ethnografisch das Geschlechterwissen feministischer Initiativen, die sich gegen Phänomene wie ‚Zwangsheirat‘ oder ‚weibliche Genitalbeschneidung‘ engagieren. Diese stellen zentrale Felder feministischen Engagements in der postmigrantischen Gesellschaft dar und haben gemeinsam, dass kulturelle Differenz eine zentrale Argumentations- und Erklärungsressource für geschlechtsspezifische Gewalt bildet. Die Frage der Bedeutung kultureller Differenz für die Konstituierung von Geschlechterverhältnissen und damit einhergehende Debatten um Othering-Prozesse, Intersektionalität und Rassismen sind spätestens seit den 1990er Jahren – gerade in Zusammenhang mit der Integrationsdebatte – in Wissenschaft, Aktivismus und Praxis zu einem tief spaltenden Konflikt geworden und erhielten seit der Silvesternacht in Köln 2015/16 erneut eine erhöhte Aufmerksamkeit im medial-öffentlichen Bewusstsein. Eine Reihe kultur- und sozialwissenschaftlicher Studien beschreiben und kritisieren umfassend vergeschlechtlichte Bilder und Vorstellungen über „kulturell Andere“ sowie die Verstrickungen von Feminismus mit nationalistischen, kolonialen und rassistischen Politiken. In diesem Forschungsprojekt interessiert mich die Frage, wie dieses Geschlechterwissen in konkreten Praktiken eigentlich entsteht, wie es hergestellt und situativ ausgehandelt wird und wie es im politischen Handeln in Position gebracht wird.