La Losilla: Zweite Feldkampagne (September / Oktober 2019)
Abb. 10: Fragment eines marmornen Statuenpostaments, wohl als Altar der Kirche zweitverwendet, aus Schnitt 01 (Inv.-Nr. Añ19.0150.126).
Ende August 2019 kehrten wir nach Añora zurück, um die Arbeiten weiterzuführen. In dieser zweiten Grabungskampagne wurden die Arbeiten fortgesetzt; wir konzentrierten uns auf die Freilegung der Apsis (Schnitt 01) sowie der mittleren Bereiche sowohl des Mittel- als auch des Südschiffes (Schnitte 18 und 19).
In Schnitt 01 kamen unter einer nur dünnen Erosionsschicht die Reste der Apsis zutage. In ihrer Mitte lag ein großes Raubloch, das schon an der Oberfläche erkennbar gewesen war; ihm dürfte der Altar zum Opfer gefallen sein, von dem wir erfreulicherweise ein großes und mehrere kleine Fragmente fanden (Abb. 10): Es handelt sich um die Reste eines profilierten Marmorsockels mit kleinen Resten einer Inschrift – die erhaltenen Buchstabenreste lassen sich als „[D] M” oder „[D] M [S]” lesen, also wohl um „d(is) m(anibus) s(acrum)”; es dürfte sich um eine römische Spolie handeln, was auch die Qualität des Stückes nahelegt, vielleicht um den Sockel einer Grabstatue, der dann in spätantiker Zeit als Altar für die christliche Kirche zweitverwendet wurde.
Abb. 11: Depositum mit Glasfläschchen im Boden der Apsis in Schnitt 01, September 2019.
Ein weiterer interessanter Befund war ein Keramikgefäß, das im südöstlichen Bereich der Apsis in den Boden eingelassen war und in seinem Inneren ein – von uns intakt aufgefundenes – Glasfläschchen barg (Abb. 11): Es sind nur wenige Parallelen für eine solche Installation bekannt; es dürfte sich dabei um ein Depositum für Materialien mit kultischer Bedeutung gehandelt haben.
Westlich angrenzend öffneten wir das ungestörte Grab Nr. 12, das zentral unter dem ‚Chorus‘ am Ostende des Mittelschiffes lag. Es barg das Skelett des zuletzt beigesetzten Individuums, eines männlichen Erwachsenen, sowie, in Form der üblichen ‚Knochenpakete‘, Reste des Skelettes eines eher weiblichen, ebenfalls erwachsenen Individuums, das zuvor in Grab Nr. 12 bestattet worden war (Abb. 12). Am Westende des Grabes, neben dem Kopf des Verstorbenen, befand sich weine Grabbeigabe in Form eines kleinen Kruges.
Abb. 12: Grab 12 in Schnitt 01, im Bereich des ‚Chorus‘ am östlichen Ende des Langhauses, September 2019. Blick nach Westen.
Abb. 13: Schnitt 18 im mittleren Bereich des Südschiffes mit den Resten der Südmauer, September 2019. Blick nach Osten.
In Schnitt 18 erfassten wir neben dem Südschiff auch den entsprechenden Abschnitt der Südmauer, die an einer Stelle von einem mächtigen Raubloch gestört war. Östlich davon stießen wir hingegen auf einen großen in situ befindlichen Granitquader (Abb. 13): Die Mauern der Basilika waren also, wie wegen des Versturzmaterials bereits vermutet, nicht allein aus Bruchsteinen, sondern teilweise auch aus – mutmaßlich römischen – Spolienquadern erbaut worden.
Innerhalb des freigelegten Abschnittes legten wir die beiden Gräber Nr. 17 und 18 frei: Bei dem beraubt angetroffenen Grab Nr. 17 handelt es sich um einen monolithen Granitsarkophag mit Kopfnische, der in den Seitenschiffsboden eingegraben worden war. Grab Nr. 18 wiederum war eines der üblichen Steinkistengräber; es war unberaubt, aber beigabenlos; ungünstige Umstände hatten dazu geführt, dass von den Bestatteten nur mehr geringe Skelettreste erhalten waren.
Abb. 14: Schnitt 19 im mittleren Bereich des Mittelschiffes mit Dachziegelversturz, September 2019. Blick nach Osten.
Abb. 15: Eiserner Leuchter aus Schnitt 19 (Inv.-Nr. Añ19.1905.061).
In Schnitt 19 schließlich gruben wir den zentralen Teil des Mittelschiffes aus. Unter der hier mächtig anstehenden Stratigraphie – Erosionsschicht, Steinversturzschicht und Dachziegelversturzschicht (Abb. 14) – lagen mehrere Fundstücke auf dem letzten Laufhorizont auf, die Einschätzungen zur Nutzung der Basilika in ihrer allerletzten Phase gestatten: Während einzelne Tierknochen und auch die Fragmente mindestens eines großen Vorratsgefäßes auf eine profane Nutzung hinweisen – vielleicht als Wirtschafts- oder Lagerraum –, zeigte ein beinahe kompletter kreuzförmiger Leuchter aus Eisenprofilen (Abb. 15), dass auch zu dieser Zeit noch einzelne Gegenstände aus der Zeit der sakralen Nutzung vorhanden waren.
Abb. 16: Schnitt 19 im mittleren Bereich des Mittelschiffes: in situ über Grab 22 befindliche Grabinschrift des Hieronimus (Inv.-Nr. Añ19.1908.100).
Einen ganz spektakulären Fund zeitigten wir genau auf dem Schnittpunkt von Längs- und Querachse des dreischiffigen Langhauses: Dort befand sich in situ die zwölfzeilige Grabinschrift eines Hieronimus (Abb. 16). Zwar war die Marmorplatte von zahlreichen Brüchen durchzogen – sicherlich eine Folge des Einsturzes der Kirchenmauern –, doch war sie mit Ausnahme eines kleinen Fragmentes an der rechten unteren Ecke vollständig. Dankenswerterweise hat sich A. U. Stylow, der große Kenner antiker und spätantiker Inschriften der Iberischen Halbinsel, der Bearbeitung des Stückes angenommen und seine Ergebnisse auch bereits publiziert (A. U. Stylow – F. Schlimbach, Eine singuläre westgotenzeitliche Grabinschrift aus den Pedroches, in: ZPE 217, 2021, 95–104); es sei daher hier nicht weiter auf die Einzelheiten eingegangen. Hervorzuheben ist allerdings, dass man eine solche Grabinschrift, die einen so hohen intellektuellen Anspruch des Verstorbenen reflektiert, kaum in dieser kleinen ‚Landkirche‘ bei Añora erwartet hätte, abseits jeglicher größerer Zentren an der nördlichen Peripherie der spätantiken Baetica – und wahrscheinlich hatte Hieronimus auch nicht oder zumindest nicht ausschließlich in ‚La Losilla‘ gelebt, sondern eher in einer der größeren Städte, vielleicht in Cordoba, vielleicht in Emerita. Es erscheint aber denkbar, dass er hier Güter besaß, zu denen die von uns ergrabene Basilika – als Eigenkirche – gehört haben könnte.
Abb. 17: Ausgrabung der Basilika, Zustand im September 2019. Blick nach Westen.
Projektleitung: Dr. Fedor Schlimbach
Laufzeit: August 2018 - März 2022