Kunstwerk des Monats im Dezember 2014
07. Dezember 2014
Geraubte Kunst: Die "Kreuztragung" von Jan Brueghel d. Ä.
Vorgestellt von:Lisa Marie Roemer M.A.
Tatort Göttingen, 26. Januar 1973. Zwei Männer geben sich als interessierte Besucher der Kunstsammlung aus, lenken den Aufseher ab, kneifen die Schrauben einer verschlossenen Vitrine durch, lösen ein Gemälde aus dem Rahmen und ersetzen es durch eine billige Farbreproduktion eines anderen Kunstwerks. Geklaut wurde damals das kleinformatige, auf Kupfer gemalte Ölgemälde von der Hand des flämischen Malers Jan Brueghel d. Ä. oder eines Nachahmers.
Das aus der Gottorfischen Kunstkammer stammende Bild gelangte mit dem Nachlass des Celler Juristen Johann Wilhelm Zschorn 1796 nach Göttingen. Es zeigt die Kreuztragung Christi eingebettet in eine römische Stadtlandschaft, die insbesondere durch den charakteristischen Turm in der linken Bildhälfte, die sogenannte Torre delle Milizie, und das im Hintergrund aus dem Stadtbild emporragende Pantheon als römische Kulisse identifiziert werden kann. Das Motiv der Torre delle Milizie konnte Brueghel direkt in Rom studiert haben, wo er sich in den Jahren 1592-95 aufhielt. Die getreue Übernahme des Motivs und des Blickwinkels legt indes die Vermutung nahe, dass die Komposition nach einer Zeichnung von Matthijs Bril entstanden ist, wie im Vortrag zu diskutieren sein wird.
Das Gemälde ist nach wie vor verschollen, die Fahndung nach den mutmaßlichen Tätern längst eingestellt und der Anspruch auf Herausgabe des gestohlenen Gemäldes nach 30 Jahren inzwischen verjährt. Nicht zuletzt aus diesem Grund lohnt es sich, wiederholt auf den Diebstahl aufmerksam zu machen, um so Hinweise auf den Verbleib des Kunstwerks zu erhalten.
Stand 2019:
Das Gemälde, das nun als Werk eines flämischen Malers aus der Werkstatt Jan Brueghels d. Ä. gilt, befindet sich seit August 2019 wieder im Besitz der Kunstsammlung der Universität Göttingen (mehr).