Historisch-politische Bildung in Zeiten des Krieges
Austausch mit Vertreter*innen der russischen und belarussischen Zivilgesellschaft gestalten
Termin: 4.–7. Juli 2022Ort: Stiftung Adam von Trott (Bebra-Imshausen)
Die Zivilgesellschaften in Russland und Belarus stehen schon seit vielen Jahren unter massivem Druck. Durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat sich ihre Situation nochmals dramatisch verschlechtert. Oppositionelle werden weiter verfolgt, rechtsstaatliche Prinzipien werden ausgehebelt und die Medienfreiheit ist de facto aufgehoben. Unter diesen Voraussetzungen ist aktiver Widerstand gegen die herrschende Politik und den Sicherheitsapparat extrem schwierig und gefährlich. Die zarte Hoffnung, dass der Krieg einen Stimmungs- oder gar einen Machtwechsel in Russland zur Folge haben könnte, hat sich nicht bestätigt. In Belarus hat sich die Situation für die Zivilgesellschaft bereits seit den unterdrückten Protesten gegen die gefälschten Präsidentenwahlen im Sommer 2020 weiter verschärft. Viele NGOs wurden geschlossen, Aktivist:innen sind in Haft oder mussten das Land verlassen. Anders als in Russland hat die Regierung in Belarus keine große Anerkennung; die Unterstützung von Russlands Krieg in der Ukraine ist in der belarusischen Bevölkerung niedrig. Auf zivilgesellschaftlicher Ebene gibt es in Deutschland, Belarus und Russland viele Akteur*innen, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten im Bereich der historisch-politischen Bildung tätig waren und im Austausch standen. Gemeinsame Projekte und eine gegenseitige Unterstützung sind mit dem Ausbruch des Krieges und den Kooperationsverboten mit staatlich geförderten Institutionen aus Russland und Belarus seitens des Bundesbildungsministeriums nun aber nochmals deutlich schwieriger geworden. Schüler*innen- und Studierendenaustausche beispielsweise scheinen auf absehbare Zeit kaum mehr möglich. Die Zusammenarbeit auf universitärer Ebene ist weitgehend eingefroren. Unser Projektseminar möchte genau an diesem Punkt ansetzen und fragen, wie ein Austausch mit Akteur*innen der russischen und belarussischen Zivilgesellschaft heute trotzdem aktiv gestaltet werden kann. Wir wollen die stark in Bedrängnis geratenen Akteur*innen der politisch-historischen Bildung/Zivilgesellschaft in Russland und Belarus mit unserem Seminar unterstützen, Brücken aufbauen und die Vernetzung geflohener Personen aus Russland und Belarus fördern. Dazu sollen Studierende der Universität Göttingen, in Deutschland lebende russische und belarussische Studierende mit Vertreter*innen der russischen, belarussischen und deutschen Zivilgesellschaft zu einem offenen Austausch über die gegenwärtigen Bedingungen und Möglichkeiten historisch-politischer Bildung zusammenkommen. Das Seminar will damit Anstöße zur konkreten Planung von Austauschformaten und Bildungsprojekten vor allem im digitalen Raum geben. Die Stiftung Adam von Trott bietet sich dabei in besonderer Weise als Veranstaltungsort an. Ausgehend vom Leben und Wirken Adam von Trotts – Völkerrechtler, Diplomat und aktiver Widerstandskämpfer gegen das nationalsozialistische Regime – kann in Imshausen insbesondere das Thema Widerstand, Dissidenz, aber auch die Vision eines Lebens nach der Diktatur thematisiert werden. Anmeldungen für eine Teilnahme an dem Projektseminar sind fortlaufend bei Frau Ulrike Huhn unter ulrike.huhn@uni-goettingen.de möglich.
PROGRAMMMontag, 4. Juli
14:00 – 15:00 Uhr
Anreise und Ankunft
15:00 – 18:00 Uhr
Offizielle Begrüßung, Kennenlernen und Selbstverortung
Führung durch die Stiftung Adam von Trott
18:00 – 19:00 Uhr
Abendessen
19:00 – 21:00 Uhr
Podiumsdiskussion – Historisch-politische Bildung in Zeiten des Krieges. Austausch mit Vertreter:innen der russischen und belarussischen Zivilgesellschaft gestalten
- Dr. Olga Rosenblum (Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung / Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen)
- Dr. Rosanna Dom (KOHTAKTbI-KONTAKTE e.V.)
- Tanja Vaitulevich (Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit)
- Dr. Aliaksandr Dalhouski (Geschichtswerkstatt Minsk)
Dienstag, 5. Juli
08:00 – 09:00 Uhr
Frühstück
09:00 – 10:45 Uhr
Workshop I
Einführung zur Situation der Zivilgesellschaft und NGOs in der historisch-politischen Bildung in Belarus und Russland
- Dr. Iryna Kashtalian (Bremen University)
- Uta Gerlant (Osteuropahistorikerin, Mitbegründerin MEMORIAL Deutschland)
10:45 – 11:00 Uhr Kaffeepause 11:00 – 12:30 Uhr Workshop II Public History – Chancen digitaler Bildungsprojekte
- Ekaterina Malygina (MA Public History, FU Berlin)
12:30 – 13:30 Uhr Mittag 13:30 – 14:30 Uhr Wanderung zum Gedenkkreuz für Adam von Trott 15:00 – 16:30 Uhr Workshop III Computersicherheit
- Nora Erdmann
16:30 – 17:00 Uhr
Pause
17:00 – 18:30 Uhr
Fishbowl – Engagement für die Zivilgesellschaft in Belarus und/oder Russland von Deutschland aus?
18:45 – 19:45 Uhr
Abendessen
20:00 – 21:30 Uhr
Kamingespräch mit Zainap Gaschajewa (Menschenrechtsaktivistin / Gründerin und Leiterin der Organisation "Echo Vojne" - Echo des Krieges)
Mittwoch, 6. Juli
08:30 – 09:30 Uhr
Frühstück
09:30 – 12:00 Uhr
Open Space – Session I
12:15 – 13:15 Uhr
Mittag
13:30 – 14:30 Uhr
Spaziergang
15:00 – 18:00 Uhr
Open Space – Session II
18:00 – 19:00 Uhr
Abendessen
19:30 – 21:00 Uhr
Kamingespräch mit Marko Martin – Dissidentisches Denken: Reisen zu den Zeugen eines ZeitaltersDonnerstag, 7. Juli
08:30 – 09:30 Uhr
Frühstück
09:30 – 12:00 Uhr
Abschluss-Session – Vernetzung, Pläne, Absprachen
ab 12:00 Uhr
Abreise mit Lunchpaketen
Unser Seminarort – Imshausen
Die Stiftung Adam von Trott, Imshausen e.V. hat ihren Sitz im idyllisch gelegenen Imshausen bei Bebra (Nordhessen). Sie ist ein Lernort, der zu politischer Verantwortung, bürgerschaftlichem Engagement und Zivilcourage ermutigt. Neben den gemeinsam mit der Universität Göttingen organisierten Projekten und Events finden in Imshausen regelmäßig kulturelle Veranstaltungen statt. Der Verein setzt sich insbesondere für die Stärkung der Demokratie und Europas, für die Ökumene, die solidarische Ökonomie und die Durchsetzung der Menschenrechte ein.