Massengrab napoleonischer Soldaten aus Rödelheim
Die archäologischen Untersuchungen und historischen Quellen zu den im Jahr 2015 ergrabenen Skeletten in Frankfurt-Rödelheim ergaben, dass es sich offensichtlich um napoleonische Soldaten handelt, die vermutlich infolge einer Typhusepidemie Ende 1813 zu Tode kamen. Insgesamt wurden die Überreste von 204 Bestatteten geborgen. Seit 2016 werden anthropologische Untersuchung im Rahmen von Abschlussarbeiten und studentischen Praktika durchgeführt. Die Masterkandidatin Christina Lucas bestimmte unter anderem das Geschlecht der Individuen. Dabei stellte sich heraus, dass auch zwei weibliche Individuen unter den Bestatteten waren. Da die Soldaten hohen physischen Belastungen ausgesetzt waren, untersuchte Annika Frye in ihrer Masterarbeit, ob sich an den großen Gelenken und den Wirbelknochen junger Individuen stärkere degenerative Veränderungen finden lassen, als bei jungen Individuen aus zwei Vergleichspopulationen.
Im Rahmen von Bachelorarbeiten untersuchte Jonas Langenstein das Auftreten und den Grad der Ausprägung von Cribra orbitalia, als Indikator für die schlechte gesundheitliche Verfassung von napoleonischen Soldaten. Katharina Benkhoff analysierte, ob der Erhalt der DNA in den Zahnwurzeln, mit der Lage der Individuen auf dem Areal und/oder der Position innerhalb der verschiedenen Grabgruben korreliert. Hanna Rachel untersuchte die Schädel auf Verletzungsspuren. Alice Meyer-Delvendahl analysierte das Auftreten von Schmelzhypoplasien, die Rückschlüsse auf die Lebensbedingungen in der frühen Kindheit erlauben.
In einer weiteren Masterarbeit wurden von Madlin Michehl schwerpunktmäßig die Infektionserkrankungen und die zahlreichen degenerativen Veränderungen an den Fußknochen untersucht. Leonard Altfelix erfasste den Verschluss der Epi- und Apophysen, um zu ermitteln, ob sich der physische und psychische Stress, dem die jungen Soldaten ausgesetzt waren, auf die körperliche Entwicklung ausgewirkt hat. Dentalpathologien an Skeletten der Napoleonischen Soldaten erfasste Hannah Rachel.
Enthesien wurden als muskuläre Stressmarker bei zahlreichen Skeletten von Soledad Solega aus Córdoba, Argentinien erfasst, die für ein halbes Jahr als Gastwissenschaftlerin in der Arbeitsgruppe tätig war.
Die erhobenen Daten wurden auch in der Dissertation von Anna Lena Flux mit dem Titel: „Anthropologische Bearbeitung der Massenbestattungen napoleonischer Soldaten aus Frankfurt-Rödelheim zur Rekonstruktion der Lebensbedingungen in der Grande Armée“ berücksichtigt. Die Durchführung der umfangreichen molekulargenetischen Untersuchungen in der Arbeit war im Wesentlichen durch die finanzielle Unterstützung des Denkmalamtes der Stadt Frankfurt und der engen Kooperation mit Frau Dr. Andrea Hampel möglich.
Die Forschungsergebnisse sollen im Frühjahr 2024 in einem vom Denkmalamt Frankfurt am Main herausgegebenen Buchband mit dem Titel "Frankfurt am Main-Rödelheim. Vom Leben und Sterben der Soldaten Napoleons." im Schnell + Steiner Verlag vorgestellt werden. Einen ersten Einblick in die Ergebnisse gab Dr. Andrea Hampel in ihrem Vortrag beim Kuratorium Kulturelles Frankfurt (Aufzeichnung des Vortrags auf dem Youtube-Kanal des Denkmalamts - Part 1, Part 2).
Frankfurt am Main-Rödelheim. Vom Leben und Sterben der Soldaten Napoleons
Im September 2019 und November 2022 wurden in sehr ergreifenden Zeremonien den 1813 in Rödelheim verstorbenen Soldaten gedacht. Die Überreste der Soldaten wurden bestattet und auf dem Areal ein Gedenkstein errichtet. Die Fotos der Gedenkfeier im Jahr 2019 wurden freundlicherweise von Elke Sichert, Denkmalamt der Stadt Frankfurt zur Verfügung gestellt.