Kirchengeschichte
Die Kirchengeschichte wird in Göttingen hauptamtlich von Prof. Dr. Dr. h.c. Thomas Kaufmann, Prof. Dr. Peter Gemeinhardt, Prof. Dr. Tobias Georges und Prof. Dr. Jennifer Wasmuth vertreten. In der Lehre sind Prof. Kaufmann und Prof. Gemeinhardt mit dem gesamten Gebiet der Kirchengeschichte befasst; zeitliche und thematische Schwerpunkte ergeben sich im Bereich der Forschung an den Lehrstühlen, in forschungsnahen Lehrveranstaltungen, wie z.B. den Oberseminaren, und natürlich in der Betreuung wissenschaftlicher Arbeiten.
Geschichte der Lehrstühle
Die Professur für Kirchengeschichte reicht durch Johann Lorenz von Mosheim (1747-1755) bis in die Gründungszeit der Georgia Augusta zurück. Nachdem mehr als ein Jahrhundert lang je ein einzelner Kirchenhistoriker das Fach vertrat (C.W.F. Walch 1757-1784; Gottlieb Jakob Planck 1784-1830; J.K.L. Gieseler 1831-1854; J.G.L. Duncker 1854-1875), wurde die Professur für Kirchengeschichte im Jahre 1861 dauerhaft in zwei ordentliche Lehrstühle geteilt, und zwar in einen Lehrstuhl mit Schwerpunkt Alte Kirche (Patristik) und einen Lehrstuhl mit Schwerpunkt Reformationsgeschichte.
Für die Alte Kirche waren seitdem zuständig: Hermann Reuter 1876-1889; Nathanael Bonwetsch 1891-1921; Carl Mirbt 1912-1928; Hermann Dörries 1929-1963; Carl Andresen 1961-1977; Ekkehard Mühlenberg 1978-2006 und seit 2007 Peter Gemeinhardt, für Reformationszeit und neuere Kirchengeschichte J.A. Wagenmann 1861-1890; P. Tschackert 1890-1911; Emanuel Hirsch 1921-1936; M. Gerhardt 1937-1945; Ernst Wolf 1947-1957; Bernd Moeller 1964-1999 und seit 2000 Thomas Kaufmann.
Die Kirchengeschichte des Orients mit dem Schwerpunkt auf der syrischen Kirchengeschichte knüpft an eine Göttinger Tradition an, die vor allem mit den Namen Johann David Michaelis (1717–1791) und Paul de Lagarde (1827-1891) verbunden ist. Den Lehrstuhl besetzten Werner Strothmann (1958-1972), Wolfgang Hage (1975-1981) und Jouko Martikainen (ab 1984). 2001 wurde die Verwaltung von Martin Tamcke übernommen und der Abteilung für Ökumenische Theologie angegliedert. Zeitweilig konnte in der jüngeren Vergangenheit die Kirchengeschichte durch zusätzliche Professuren profiliert werden, wie etwa die Niedersächsische Kirchengeschichte (Hans-Walter Krumwiede, Inge Mager) und Kirchliche Rechtsgeschichte (Anneliese Sprengler-Ruppenthal).
Forschungsschwerpunkt: Alte Kirche und Mittelalter
Peter Gemeinhardt (* 1970) hat sein Forschungsgebiet in der Geschichte des Christentums von den Anfängen bis zum hohen Mittelalter sowie in der Konfessionskunde. Neben dem innertheologischen Gespräch mit den exegetischen, systematisch- und praktisch-theologischen Fächern, steht die Zusammenarbeit mit Disziplinen der Philosophischen Fakultät (Klassische Philologie, Geschichtswissenschaft, Islamwissenschaft, Religionswissenschaft) im Vordergrund. Ein Schwerpunkt der Forschung liegt im Bereich der Bildungsgeschichte, insbesondere zur religiösen Bildung im spätantiken Christentum im Kontext seiner Umwelt, sowie zur Geschichte der Predigt in der Spätantike. Weiterhin arbeitet Peter Gemeinhardt zu Fragen der Dogmengeschichte (Trinitätslehre), der Ekklesiologie (Kirche als Institution und Organisation) und der Hagiographie (spätantikes Mönchtum, Verständnis von Heiligen und Heiligkeit in historischer und vergleichender Perspektive). 2022 erschien sein Lehrbuch zur "Geschichte des Christentums in der Spätantike" in der Reihe "Neue theologische Grundrisse".
Mit dem Lehrstuhl verbunden ist die Abteilung für Patristische Theologie. Eine enge Kooperation besteht weiterhin mit der Göttinger Arbeitsstelle der Patristischen Kommission der Union der Akademien (Prof. Dr. Ekkehard Mühlenberg).
Tobias Georges (* 1972) hat sein Forschungsgebiet ebenfalls in der Kirchengeschichte der Antike und des Mittelalters. Seine Forschung zeichnet sich durch ihre religions- und kulturübergreifenden Perspektive aus. Besonderes Interesse gilt den Themen Höhere Bildung und Schulen im frühen Christentum sowie Theologie und Bildung im abendländischen Mittelalter, in Verbindung mit den zeitgenössischen Auseinandersetzungen zwischen Christen, Juden und Muslimen. Ein weiterer Themenschwerpunkt liegt in der Geschichte des abendländischen Mönchtums, insbesondere im Zusammenhang der monastischen Reformen des 11./12. Jahrhunderts.
Forschungsschwerpunkt: Reformations- und Frühe Neuzeit
Thomas Kaufmann (* 1962) hat seinen Forschungsschwerpunkt in der Kirchengeschichte der Reformations- und der Frühneuzeit. Im Zentrum seines Interesses stehen Arbeiten zur Theologie-, Bildungs- und Sozialgeschichte des Protestantismus und zu den kulturellen und politischen Wirkungen der Reformation im konfessionellen Zeitalter und in der weiteren Neuzeit, die im europäischen Horizont analysiert werden. Ein besonderes Augenmerk gilt den publizistischen Masenmedien der Epoche (Predigten, Flugschriften und -blätter u.a.). Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt auf der Wissenschaftsgeschichte des Protestantismus im 19. und 20. Jahrhundert.
Forschungsschwerpunkt: Ökumenische Theologie und Orthodoxes Christentum
Im Mittelpunkt der Forschung von Jennifer Wasmuth (*1969) stehen die Geschichte und Gegenwart der Ökumenischen Bewegung sowie die Russische Orthodoxe Kirche. In der Lehre wird darüber hinaus das gesamte Spektrum des orthodoxen Christentums in den Blick genommen, die byzantinisch-orthodoxen Kirchen ebenso wie die orientalisch-orthodoxen Kirchen. Auch aktuell politische und gesellschaftliche Fragen (besonders zur christlich-islamischen Koexistenz und Migration) spielen eine wichtige Rolle. Die Verbindung von ökumenischen mit spezifischen konfessionskundlichen Fragestellungen macht den thematischen Schwerpunkt in Deutschland einmalig.