Projekte
Das Sammeln von Druckgraphik in der Frühen Neuzeit
Ein Kooperationsprojekt des Herzog Anton Ulrich-Museums Braunschweig, der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, der Georg-August-Universität Göttingen und des Bildarchivs Foto Marburg
(Gefördert durch: Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur/ Niedersächsisches Vorab der VolkswagenStiftung)
Leitung in Göttingen: PD Dr. Arwed Arnulf
Das im April 2014 begonnene Forschungsprojekt "Das Sammeln von Druckgraphik in der Frühen Neuzeit" beschäftigt sich mit Formen, Funktionen und Charakteristika frühneuzeitlicher Druckgraphiksammlungen. Das Projekt ist Teil des Forschungsverbundes "Kupferstichkabinett online - Virtuelle Wiedervereinigung der Graphiksammlung der Herzöge von Braunschweig-Wolfenbüttel", in dem seit mehreren Jahren die Druckgraphikbestände der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel und diejenigen des Herzog Anton Ulrich-Museums in einer Online-Bilddatenbank erfasst werden. Auf der Basis dieser Daten sowie durch Hinzuziehung von Archivalien werden die Braunschweiger und Wolfenbütteler Sammlung des Herzogs Carl I. sowie jene des Herzogs Ferdinand Albrecht unter sammlungshistorischen Fragestellungen erforscht, d.h.: Wie sammelten die Herzöge Druckgraphik, was genau erwarben sie und mit welchen Vorstellungen und Zielen taten sie es? Und schließlich: Wie stellt sich ihre Sammeltätigkeit im Kontext anderer fürstlicher Graphiksammlungen dar?
Die Erforschung von Graphiksammlungen hat in den letzten Jahren erheblichen Auftrieb erhalten und etabliert sich als Forschungsgegenstand im universitären Betrieb, gerade auch im Kontext inter- und transdisziplinärer Wissensforschung, da Graphiksammlungen zunehmend als historische Bildarchive in den Blick rücken.
Der Forschungsstandort Göttingen zieht dabei Nutzen aus dem einmaligen Umstand, dass sich auf Grundlage der digitalen Erschließungsarbeit in Braunschweig und Wolfenbüttel nunmehr die Funktionsgeschichte nicht nur von einzelnen Graphiken sondern von ganzen Bildgattungen neu bewerten lässt. Die Göttinger Seite wiederum kann Schwerpunktsetzungen in der Sammlung historisch erklären helfen, so dass sich durch den gegenseitigen Abgleich der Befunde die Möglichkeit für eine kontextorientierte Erforschung der Bestände eröffnet.
"Deutsche Humanisten des 16. Jahrhunderts und die Kunst - Humanisten als Auftraggeber, Sammler, Berater und Konzeptoren."
Gegenstand des Projektes ist das Verhältnis deutscher Humanisten zur Kunst ihrer Zeit. Menge und Qualität des Materials zwingen zur Eingrenzung auf die Umbruchsphase zwischen 1490 und 1530, in der die Ideen des Humanismus in Deutschland die Oberhand gewannen und in der Kunst sich die Verwendung italienischer Vorbilder und antiker Themen durchsetzte. Die exemplarische Untersuchung gut dokumentierter Beispiele wird, konzentriert auf die Fragen nach persönlichem Kunstbesitz, Stiftungen, Aufträgen und Kunstinteresse, drei Schwerpunkte behandeln: 1. Conrad Celtis und die bildende Kunst; 2. Grabmäler und Epitaphien deutscher Humanisten; 3. deren Tätigkeit als gelehrte Berater und Entwerfer ikonographischer Programme. Eine erstmalige systematische Behandlung der Kunstwerke, der bisher meist vernachlässigten Schriftzeugnisse und des historischen Kontextes aus dieser Perspektive verspricht wichtige Erkenntnisse zu verschiedenen kunsthistorischen Problemen und dem Beziehungsgeflecht von Auftraggeber, Künstler, Werk und Rezipienten.
Gefördert von der DFG 2002-2004, Publikation der Ergebnisse s.o.
"Bildzyklen, Ausstattungsprogramme und ihre publizierten Erklärungen vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Zeitgenössische Kunsterklärungen und kunsthistorische Interpretationen im Vergleich"
Erklärungsschriften frühneuzeitlicher Bildzyklen und Ausstattungsprogramme eröffnen den Blick der Zeitgenossen auf Kunstwerke, zeigen, welche Aspekte erklärungsbedürftig, umstritten oder hervorhebenswert waren. Intentionen der Auftraggeber und erklärenden Literaten - mitunter der Künstler selbst - werden deutlich und bestimmen Form, Anspruch und Gehalt der Texte, ermöglichen ein Verständnis der Kunstwerke in historisch relevanten Kategorien. Aus Kunstwerken und erklärenden Texten destillierte historische Sichtweisen und Interpretationen lassen sich mit kunsthistorischen Analysen, die nur in Ausnahmen auf diese Quellen zurückgreifen, kontrastieren. Notwendig ist die Erfassung früher und wichtiger Beispiele, formaler und inhaltlicher Charakteristika, des historischen Kontextes und der Funktion sowie literarische und funktionale Typisierung der Texte - vom Flugblatt bis zur gelehrten Buchpublikation. Interessen, Intentionen und avisierte Rezipienten sowie Methoden, Kategorien und Veränderungen sind zu erfassen. Die Aufarbeitung einer kaum beachteten Quellengattung unter kunsthistorischen und literaturgeschichtlichen Fragestellungen und Methoden mit direktem Bezug auf die Bildzeugnisse verspricht Erkenntnisse über Kunstwerke und Aufschlüsse zur historischen Relevanz kunsthistorischer Methoden und Denkmuster.
In Zusammenarbeit mit Magistranden und Doktoranden, gefördert von der DFG 2005-2007.
"Die Rezeption mittelalterlicher Kunst vor 1700 in Deutschland. Restaurierung, Inszenierung, Inanspruchnahme, Reproduktion, antiquarische Dokumentation und Erklärung mittelalterlicher Bau- und Kunstwerke im 16. und 17. Jahrhundert."
Mittelalterliche Kunstwerke wurden in Deutschland während des 16. und 17. Jahrhunderts erneuert, ergänzt, transportiert, umgesetzt, verkauft und neu inszeniert, aber auch in Bild und Beschreibung dokumentiert; all dies unterschiedlich motiviert, in repräsentativer Inanspruchnahme und inhaltlicher Umdeutung den Erhalt bewirkend, doch von der Forschung kaum beachtet und nicht übergreifend erfaßt. Man inszenierte hochmittelalterliche Ausstattungsstücke in Kirchenneubauten, verwendete gezielt hochgotische Figuren und Architekturteile zur Errichtung von Altären, versetzte, ergänzte und kopierte Grabmäler und Kirchenportale, ließ Goldschmiedewerke in Zeichnung und Gemälde abbilden. Den praktisch-künstlerischen Umgang mit den Monumenten begleitet häufig eine bisher wissenschaftlich unbemerkte, in Deutschland bereits lange vor Mabillons Initiativen einsetzende antiquarische Behandlung: Mittelalterliche Grabmäler wurden seit dem frühen 16. Jahrhundert beschrieben, gezeichnet, im Kupferstich reproduziert, hochmittelalterliche Kirchen und ihre Ausstattungstücke seit Anfang des 17. Jahrhunderts durch gedruckte Kirchenführer erschlossen, Skulpturenportale abgebildet, illuminierte Handschriften katalogisiert und faksimiliert. Motive, Intentionen und Methoden, historisch und konfessionell bedingte Unterschiede des kaum erforschten frühneuzeitlichen Umgangs mit mittelalterlichen Kunstwerken in Deutschland sollen in Beispielen analysiert und verglichen, Tendenzen und Veränderungen im größeren Vergleichskontext verfolgt und durch Abgleich mit gut erfaßten italienischen und französischen Exempeln bewertet werden. Praktischer Umgang mit und antiquarisch-gelehrte Behandlung von mittelalterlichen Kunstwerken im frühneuzeitlichen Deutschland sollen erstmals übergreifend erfaßt, vorgestellt und exemplarisch untersucht werden.
Förderung durch DFG September 2007-März 2009.
"Mittelalterliche Kunst im Bild. Form, Funktion und Rezeption bildlicher Darstellungen mittelalterlicher Kunst in der frühen Neuzeit."
Trotz kunsttheoretischer Geringschätzung wird mittelalterliche Kunst im 16. und 17. Jahrhundert bildwürdig. Nicht nur zeitnahe und kontinuierlich geschätzte Malerei und Skulptur des 15. Jahrhunderts, sondern gerade auch früh- und hochmittelalterliche Werke wurden gezeichnet, gestochen, gemalt, sogar plastisch reproduziert und als Anregung neuer Werke rezipiert. Bereits vor Mabillon und jenen bislang allein wahrgenommenen italienischen Unternehmungen geschah dies im Reichsgebiet für adelige und patrizische Auftraggeber, vermehrt in lutherischen Territorien, meist genealogisch motiviert, nach Wegfall geistlicher Memoria im Dienst medial neu zu gestaltender Repräsentation und Traditionswahrung, einhergehend mit historisch-antiquarischen Unternehmungen. Auf Grundlage bereits durchgeführter Untersuchung zur Inszenierung, funktionalen Umdeutung, Inanspruchnahme und antiquarischen Interpretation liturgischer Ausstattungen, Grabmäler und Grablegen vor 1700 muß nun geklärt werden, wie, wozu, in welchen Formen und Transformationen mittelalterliche Architektur, Skulptur, Goldschmiedekunst und Buchmalerei gezeichnet, gestochen, gemalt oder plastisch reproduziert wurde, welche Intention und Funktion im Einzelfall Darstellungen motivierte und modal prägte, auch welche Motive, formalen und thematischen Charakteristika künstlerisch zur Generierung bildlicher Topoi für "mittelalterlichen" Anschein genutzt wurden. In methodischer Umgewichtung gegenüber vorangegangener Untersuchung wird hier erstmals bildkünstlerischer Umgang mit mittelalterlicher Kunst vor 1700 in Deutschland untersucht, zugleich die bislang unbeachtete Frühgeschichte bildlicher Dokumentation und visueller Memorialpraxis erfaßt.
Das Deutsche Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte - Bildarchiv Foto Marburg bietet Heimat, administrative Unterstützung und ermöglicht Erstellung einer themenspezifischen Bilddatenbank. Gesammelte Bildzeugnisse sowie antiquarische Schlüsseltexte werden digitalisiert und aufbereitet im Internet zur Verfügung gestellt. Es entsteht so neben der Buchpublikation ein wichtiges und umfängliches Forschungsinstrument für Mittelalter- und Frühneuzeitforschung, zugleich ein Bildcorpus zur Frühgeschichte moderner bildlicher Dokumentation.
Durchführung in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte - Bildarchiv Foto Marbung gefördert durch die DFG März 2010 - September 2013.
"Erfundene Bildnisse: Historisierende Fiktion und genealogische Repräsentation in Bildnissen, Bildnisserien und genealogisch-panegyrischen Allegorien." Untersuchungen zu Fiktion, Rekonstruktion, Authentisierung und Autorisierung bildlicher Darstellungen nachantiker Personen und Ereignisse in den Bildmedien der Frühen Neuzeit.
Bildnisse und Bildnisserien sowie allegorisch-genealogische Darstellungen nachantiker Personen entstanden im 16., 17. und 18. Jahrhundert als Verbildlichungen tatsächlicher oder erfundener Ahnen, von Amtsvorläufern oder Identifikationsfiguren in großer Zahl in verschiedenen Bildmedien parallel zu genealogisch-historiographischen Bemühungen spezialisierter Gelehrter zum Zweck adelig-genealogischer, ständischer oder berufsständischer Repräsentation. Trotz des hohen Aufwandes den man hierfür frühneuzeitlich betrieb, vernachlässigte die Kunstgeschichte diese Bilder und Zyklen vor allem in der nordalpinen Kunst. Die großen Teils fiktiven Bildnisse ferner Vorfahren und Vorgänger standen bis in jüngste Zeit hinter den traditionell geschätzten authentischen Porträts zurück. Das weit verbreitete Phänomen des profanen, fiktiven historisierenden Porträts, des erfundenen oder rekonstruierten Bildnisses einer in ferner Vergangenheit verstorbenen Person, deren tatsächliche physiognomische Erscheinung bildkünstlerisch nicht oder nur stark stilisiert überliefert war, gerät selten in den Blickwinkel der Forschung, obwohl gerade hierbei bildliche Strategien des Traditionsverweises, der physiognomischen und habituellen Bezugsherstellung und moralischen Aufladung zum Einsatz kamen. Erkenntnisse und Erfindungen professioneller Auftragshistoriographen wurden bildkünstlerisch umgesetzt, Bildkonzepte und Stilmodi historisierend adaptiert, verschiedene Stufen historischer Distanz durch historisierende Darstellung von Kostüm, Bewaffnung und Ambiente auf Basis antiquarischer Rekonstruktion oder freier Erfindung von vielfach hochspezialisierten Künstlern verbildlicht. Viele dieser Erfindungen erfuhren weite Rezeption, nachträgliche Authentisierung und Kanonisierung, wurden kopiert und zur Grundlage weiterer Bilder und Zyklen in monumentaler Dekoration, kleinformatiger Malerei und Graphik. Funktionen und Methoden dieses kaum beachteten Zweiges frühneuzeitlicher Repräsentationskunst, künstlerische Strategien der Historisierung und Erfindung, Verwendung und Inanspruchnahme älterer Darstellungen und Stillagen, Methoden der Authentisierung und Autorisierung, Formen der zeitgenössischen und späteren Rezeption und diesbezügliche Spezialisierung von Künstlern sind Gegenstände der Untersuchung. Das Material wird in notwendig exemplarischer Auswahl, konzentriert auf das Reichsgebiet, vor dem Hintergrund ständischer, politischer und konfessioneller Kontexte bearbeitet. Das kaum bekannte zugehörige antiquarisch-genealogische Schrifttum, das den Bildschöpfungen meist vorausging, wird herangezogen. Bild- und Schriftzeugnisse werden neben der Buchpublikation in digitalisierter Form gesammelt um sie der Forschung zugänglich zu machen.