Hochzeits- und Totenriten und die Sauna

An unserem Institut gibt es nicht nur sprachwissenschaftliche Kurse. Die Studierenden befassen sich auch mit der Kultur und Folklore der finnougrischen Völker und den wesentlichen Themen der materiellen und immateriellen Kultur. In der nächsten Zeit wollen wir euch Einblicke in dieses Themengebiet geben und bringen euch daher das wohl bekannteste Kulturgut der Finnougrier näher: die Sauna.

Hochzeitsriten

Die Sauna spielt bei den Finnougriern eine wichtige Rolle bei den langwierigen und aufwändigen Hochzeiten. Es gibt drei Arten der Sauna im Zusammenhang mit der Hochzeit: die Sauna des Bräutigams, die Sauna der Braut und die Sauna der Frischvermählten.

Die Sauna des Bräutigams findet am Abend vor der Hochzeit statt, es gibt Bier und Schnaps, ihm wird von seinen Freunden der Kopf gewaschen und oft singen die Mädchen des Dorfes im Vorraum Badelieder. Es ist also ein fröhliches Fest. Zugleich ist es eine Abschiedszeremonie vom Elternhaus. Beispielsweise sind Lieder überliefert, die einen Dialog mit der Mutter darstellen: Das Badelied, kylpyvirsi, in dem der Bräutigam darum bittet, dass sein Bruder Holz holt und die Mutter die Sauna anheizt und ihn wäscht. Die erwidert, dass ihr Sohn nun Verantwortung übernehmen müsse. Darauf folgt das Ankleidelied, pukeutumisvirsi, in dem der Sohn seine Mutter um die festliche Kleidung für die Hochzeit bittet.

Die Sauna der Braut ist vor allem bei den Südesten, Mordwinen, und Syrjänen bekannt und eine traurige Abschiedszeremonie. Zwei Tage vor der Hochzeit wird die Sauna von der Braut selbst gereinigt und geschmückt, gemeinsam mit ihren weiblichen Verwandten und Freundinnen besucht sie den Bräutigam, der der Braut Seife und einen Birkenquast schenkt. Dies kann am Abend vor oder am Morgen des Saunatags stattfinden. Bei den Wepsen sind Klagelieder zur Einladung in die Sauna für Mutter, Schwestern und Freundinnen überliefert. Am Abend vor der Hochzeit findet die letzte Sauna der Braut als Mädchen statt, es ist ihr Abschied vom Elternhaus. Dabei trägt sie Zöpfe mit hübschen Bändern, die am Ende abgenommen und an unverheiratete Mädchen weitergegeben werden. Die mordwinische Braut bittet in einem Klagelied ihre Mutter um ein weißes Hemd für die Jungfräulichkeit und ein Kleid für die Freiheit.
In einem syrjänischen Lied beklagt die Braut, dass ihre Anmut als Rauch durch den Schornstein entweiche, und die Freundinnen antworten ermutigend darauf.

Die Sauna der Frischvermählten findet gelegentlich am Tag der Hochzeit noch vor dem Essen statt (mansikkasauna = Erdbeersauna; Ingermanland und Livland) oder am zweiten Tag nach der Hochzeit (Karelien). Diese Sauna ist bei allen Ostseefinnen bekannt und laut Vahros vermutlich eine von den Russen übernommene Tradition. Gemeinsam ist bei den verschiedenen Völkern, dass das Paar das Wasser gemeinsam zur Sauna trägt, die Braut sie vorbereitet und dann sowohl das Hochzeitspaar als auch die Gäste saunieren.

Totenriten

Nicht nur als Erkrankter ging man in die Sauna, sondern auch als Sterbender.
Die rituelle Reinigung eines Verstorbenen konnte im Haus oder in der Sauna stattfinden.

Wichtig wurde die Sauna für die Verstorbenen an Erinnerungstagen, die Teil des umfassenden Toten- bzw. Ahnenkults der Finnougrier sind. Es gab Erinnerungstage für bestimmte Verstorbene, z. B. vier bzw. vierzig Tage nach dem Tod, sowie Erinnerungstage für alle Ahnen, die je nach Glaubensrichtung als haltia auftreten konnten oder symbolisch vom Friedhof abgeholt wurden. An den Erinnerungstagen bereitete man den Toten oftmals ein eigenes Zimmer oder zumindest ein frisches Bett, bot ihnen einen Platz am Tisch an, gab ihnen zu essen und zu trinken und heizte die Sauna speziell für sie an. In diese Totensauna kamen die Lebenden in der Regel nicht mit. Teilweise wurden Essen und Trinken für die Ahnen auch direkt in der Sauna bereitgestellt.

Text: Marina Loch

Quellen:
Sarmela, Matti. 2009: Finnisch Folklore Atlas. Helsinki.
Vahros, Igor. 1966: Zur Geschichte und Folklore der Grossrussischen Sauna. Helsinki.
Titelbild: Andrea Piacquadio von Pexels