Theologische Fakultät
Die theologische Fakultät galt bei der Gründung der Universität Göttingen im Jahr 1737 als erste Fakultät – mit dem Kirchenhistoriker Johann Lorenz von Mosheim, der als einziger Gelehrter in der Geschichte der Universität zum Kanzler bestellt wurde, prägte sie die ersten Jahrzehnte der Universität. Im Zuge der Aufklärung änderte sich ihre Stellung, weil die Theologen keine Kontrolle über die universitäre Lehre der anderen Fakultäten mehr wahrnahmen.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die bis heute geltende Aufteilung der Fakultät in fünf Disziplinen, nämlich das Alte Testament, das Neue Testament, die Kirchengeschichte, die Praktischen Theologie und die Systematische Theologie. Damit prägten auch fachliche Überschneidungen das Miteinander der Fakultäten, denn lange Zeit gehörte das „Alte Testament“ zur Philosophischen Fakultät, heute ist es die „Religionswissenschaft“.
Stets kam den Göttinger Theologen eine besondere Funktion innerhalb der Hannoverschen Landeskirche zu, die sich im Spannungsfeld diverser Strömungen als „mild lutherisch“ verorten lässt. Tatsächlich reichte der Einfluss der theologischen Fakultät weit über Norddeutschland hinaus, denn die religionsgeschichtliche Schule um Johannes Weiß, Hermann Gunkel, Wilhelm Bousset, Ernst Troeltsch, William Wrede und Wilhelm Heitmüller beeinflusste entscheidend die Entwicklung der deutschsprachigen Theologie im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert.
Wie viele Göttinger Professoren standen auch die Mitglieder der theologischen Fakultät der Weimarer Republik skeptisch gegenüber und ordneten sich dann der nationalsozialistischen Diktatur unter.
Nach 1945 stieg die Anzahl der Neuimmatrikulationen deutlich an – besonders umfangreich war der Zuwachs bei den Studentinnen. Die Berufung von Professoren wie Gerhard von Rad, Walther Zimmerli, Günther Bornkamm, Ernst Käsemann, Hans Conzelmann, Ernst Wolf und Wolfgang Trillhaas prägten die Nachkriegsentwicklung der Fakultät, denn alle nach 1945 neu berufenen Professoren hatten als Anhänger der Bekennenden Kirche in der Zeit des nationalsozialistischen Regimes erhebliche berufliche Nachteile erlitten.
Heute verfügt die theologische Fakultät über 15 Professuren und gilt als eine der forschungsintensivsten unter den evangelisch–theologischen Fakultäten im deutschen Sprachraum.
Literaturverzeichnis
- Buss, Hansjörg: Wissenschaft – Ausbildung – Politik. Die Göttinger Theologische Fakultät in der Weimarer Republik, dem Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit, Göttingen 2021.
- Geyken, Frauke: Zum Wohle aller. Geschichte der Georg-August-Universität Göttingen von ihrer Gründung 1737 bis 2019, Göttingen 2019.
- Maercker, Dietrich von: Die Zahlen der Studierenden an der Georg-August-Universität in Göttingen von 1734/37 bis 1978, in: Göttinger Jahrbuch 1979, S.141-158.
- Moeller, Bernd: Theologie in Göttingen. Eine Vorlesungsreihe, Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1987.
- https://www.uni-goettingen.de/de/vereinigte+theologische+seminare/54916.html (02.07.2022)
- https://www.uni-goettingen.de/de/die+fakult%c3%a4t/55363.html (02.07.2022)
- https://www.uni-goettingen.de/de/55348.html (02.07.2022)
- https://www.uni-goettingen.de/de/document/download/c9865ca0cd5c0e677e994dba2fe87c6a.pdf/Bericht.pdf (02.07.2022)