Kunstwerk des Monats im Mai 2019
05. Mai 2019
»...nach dem Süden, nach Italien«. Die Werke Albert Langs in der Kunstsammlung der Universität Göttingen
Vorgestellt von: Steven Reiss M.A.
Mit dem Konvolut von Zeichnungen des deutschrömischen Malers Albert Lang (1847–1933) besitzt die Göttinger Kunstsammlung neben dem Gustav-Lübcke-Museum in Hamm einen der umfangreichsten Bestände von Werken dieses Künstlers in öffentlicher Hand. Dieser Umstand ist Hans Wille zu verdanken, der von 1963–1974 als Kustos der Sammlung tätig war. Über seinen persönlichen Kontakt mit Grete Lang, der in Wuppertal lebenden Schwiegertochter des Künstlers, konnten 1963 und 1971 insgesamt 11 Zeichnungen, ein Buch sowie ein Gemälde, das um 1885 entstandene Selbstbildnis, aus dem Nachlass erworben werden. Zwei weitere Zeichnungen kamen schließlich 1997 mit der Stiftung Wille nach Göttingen. Hans Willes wissenschaftliches Interesse an Albert Lang mündete schließlich in zwei Ausstellungen am Gustav-Lübcke-Museum Hamm, wo unter seiner dortiger Tätigkeit umfangreiche Bestände aus der gleichen Quelle erworben werden konnten. Die erste und bislang einzige monographische Ausstellung war zuvor die Gedenkausstellung Professor Albert Lang, die 1934 in der Münchener Galerie Heinemann stattfand. Das Göttinger Konvolut umfasst Landschaftsstudien, gezeichnete Bildnisse und Kompositionsentwürfe aus nahezu dem kompletten Wirkungszeitraum Langs und vermittelt dadurch einen wertvollen Einblick in seine Arbeitstechniken und künstlerische Entwicklung.
Albert Lang, ein enger Freund Hans Thomas und ergebener Nachahmer des bewunderten Hans von Marées, lebte für viele Jahre in Florenz und gehörte dort zum Kreis der Deutschrömer um Böcklin, Hildebrand und Marées.
Mit Werken Böcklins war Lang erstmals 1869 bei einem Zwischenaufenthalt auf dem Weg zu seiner ersten Italienreise in der Münchener Schackgalerie in Kontakt gekommen. In seinen autobiographischen Erinnerungen inszeniert er die Erfahrung als Erweckungserlebnis: „Mir war, als sähe ich in eine Welt, die mir schon früher einmal im Traum erschienen war, und voll jugendlicher Leidenschaft sah ich und wollte ich ich nur sehen. Ganz erfüllt von so vielen reichen Eindrücken fuhr ich dem Wunderland entgegen.“
Zurück in Deutschland stieß Lang nach einer kurzen Zeit an der Münchener Akademie zum Kreis Wilhelm Leibls (1844–1900), der ihm riet, die Akademie aufzugeben und in einer Ateliergemeinschaft zu arbeiten. Der prägendste Kontakt aus dem Leibl-Kreis, zu dem auch Carl Schuch, Wilhelm Trübner, Theodor Alt und Rudolf Hirth du Frênes zählten, war jedoch Hans Thoma, mit dem Lang eine lebenslange Freundschaft verband. Gemeinsam reisten sie 1874 nach Florenz, das bis 1888 zu Langs Heimat werden sollte. Dort fand er Anschluss an die Gruppe der Deutschrömer, darunter Arnold Böcklin, Hans von Marées und Adolf von Hildebrand. Marées fungierte bis zu seiner Abreise im Herbst 1875 als sein Lehrer, dem Lang bei gemeinsamen Spaziergängen und theoretischen Ausführungen aufmerksam und demütig folgte: „[I]ch begann damals manchen Altar, den ich in meinem Inneren errichtet hatte, abzutragen, in aller Stille“. Damals entwickelte er seine Interesse an idyllischen und mythologischen Szenen, die den Menschen im Einklang mit der Natur zeigen. In der Göttinger Sammlung ist diese Zeit durch die um 1884 entstandene Federzeichnung eines Angelnden Knaben vertreten, die im Kontext seiner Beschäftigung mit dem Motiv des Anglers in arkadischer Natur steht.
1888 zog Lang nach Frankfurt am Main, wo zu der Zeit auch Hans Thoma und, ab 1891, Karl von Pidoll lebten, mit denen er eng zusammenarbeitete. Der Einfluss Marées’ manifestierte sich nun deutlicher in Langs Werken: „Lang und Pidoll arbeiten mit wirklich großem Fleiße und Interesse, und da schaut doch meistens etwas heraus, was einen freuen kann – so hat Lang ein ganz auf Marées’ Prinzipien aufgebautes Figurenbild gemalt“, berichtet Thoma über die gemeinsame Arbeit in einem Atelier des Städelschen Instituts. Vor allem in den Jahren 1891–1892 entstanden eine Reihe solcher ‚Maréeschen‘ Bilder. Im Konvolut ist diese Entwicklung in der flüchtigen Bleistiftzeichnung Gartenarbeit greifbar, einer Kompositionsskizze, deren intendierte Ausführung durch die heute verschollenen Ölskizze für ein Wandgemälde rekonstruierbar ist. Ganz im Sinne Hans von Marées fügen sich Albert Langs Figuren in ihrer Komposition in eine antikische Landschaft ein, deren szenische und räumliche Unterteilung einem ästhetischen Schema folgt. Auf diese Weise kann Lang einen paradiesischen Zustand des Menschen in der Natur darstellen.
Mit seinem Umzug nach München 1897 begann Albert Langs Kunst zu stagnieren. Mit fortschreitendem Alter und Verlust der Sehkraft zog er sich zunehmend aus dem sozialen Leben zurück. Nach seinem Tod 1933 ist das Werk des Deutschrömers weitestgehend in Vergessenheit geraten.