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Press release: Das Selbstbild linksextremistischer Terroristen
Nr. 165/2011 - 02.08.2011
Analysen von Interviews und Autobiografien – Abschluss des Projekts an der Universität Göttingen
(pug) Wie haben sich linksextremistische Terroristen selbst gesehen? Und wie förderte die Abgrenzung von der politischen Kultur und der Gesellschaft ihrer Zeit ihre kollektive Identität? Mit diesen Fragen haben sich Wissenschaftlerinnen am Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie der Universität Göttingen beschäftigt. Sie analysierten veröffentlichte Interviews und autobiografische Texte von ehemaligen Mitgliedern der „Rote Armee Fraktion (RAF)“, der „Bewegung 2. Juni“ und der „Revolutionären Zellen (RZ)“. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte das Projekt „Narrative Identitätskonstruktionen – Alteritätskonstituierungen in Selbstdarstellungen von ehemaligen Mitgliedern linksterroristischer Gruppierungen“ drei Jahre lang mit insgesamt rund 200.000 Euro.
„Unsere Studie hat die Auseinandersetzung mit einem bedeutsamen Abschnitt der bundesdeutschen Zeitgeschichte um die bislang nur wenig berücksichtigte Perspektive der Terroristen erweitert“, so die Leiterin des Forschungsprojekts, Prof. Dr. Gudrun Schwibbe. Die Wissenschaftlerinnen untersuchten die Texte auf der inhaltlichen, sprachlichen und funktionalen Ebene und nutzten dabei theoretische Ansätze aus der Kulturanthropologie, der Literaturwissenschaft und der Psychologie. Dabei erstellten sie sowohl individuelle Profile („case studies“) als auch vergleichende Untersuchungen und ordneten die Ergebnisse in den jeweiligen historischen Kontext ein.
Im Mittelpunkt der Analysen stand die Abgrenzung der Autoren zur Gesellschaft, die in Rückblicken ehemaliger Terroristen eine zentrale Bedeutung hat. Die Abgrenzung dient unter anderem der Rechtfertigung der eigenen Rolle und gewaltsamer Aktionen. Die Forscherinnen zeigten die verschiedenen Prozesse des „Anderswerdens“ anhand von ausgewählten biografischen Stationen auf: dem Einstieg zunächst in die linksalternative und später in die terroristische Szene, dem Leben in der Illegalität, der Fahndung, Verhaftung und Inhaftierung sowie schließlich dem Ausstieg. Darüber hinaus untersuchten sie, mit welchen sprachlichen und erzählerischen Mitteln die Terroristen ihre Position in der Gesellschaft beschrieben. Auch hier lag der Schwerpunkt auf den Rechtfertigungsgeschichten, durch deren Analyse sich zum einen der Geltungsbereich kultureller Normen erfassen lässt. Zum anderen wurden so spezifische Strategien einzelner Akteure deutlich, mit denen diese ihre Handlungen legitimierten.
Kontaktadresse:
Prof. Dr. Gudrun Schwibbe
Georg-August-Universität Göttingen
Philosophische Fakultät – Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie
Friedländer Weg 2, 37085 Göttingen, Telefon (0551) 39-13868
E-Mail:gschwib@gwdg.de
Internet: www.uni-goettingen.de/de/202197.html