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Press release: „Dalai Lama-Effekt“ senkt Exporte nach China um mehr als 8 Prozent
Nr. 234/2010 - 05.11.2010
Göttinger Volkswirte: China reagiert auf Empfänge des Dalai Lama mit Handelsreduktionen
(pug) Treffen von Staats- und Regierungschefs mit dem Dalai Lama haben einen negativen Effekt auf die Handelsbeziehungen zwischen dem jeweiligen Land und China. Das ist das Ergebnis einer Studie der Göttinger Volkswirte Andreas Fuchs und Nils-Hendrik Klann. Die beiden Forscher an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Göttingen haben in einer Studie die Reaktionen Chinas auf offizielle Empfänge des Dalai Lama ausgewertet. Dabei fanden sie heraus, dass jeder offizielle Empfang des Dalai Lama die Exporte des jeweiligen Landes nach China um durchschnittlich 8,1 Prozent reduziert. Dieser negative Einfluss des sogenannten „Dalai Lama-Effekts“ schwindet etwa zwei Jahre nach dem Treffen wieder, was die Wissenschaftler auf eine Erholung der diplomatischen Beziehungen zurückführen.
„Die chinesische Regierung droht ihren Handelspartnern regelmäßig mit einer Verschlechterung der bilateralen Handelsbeziehungen, sollten diese das religiöse Oberhaupt der Tibeter empfangen“, so die Autoren der Studie. Als Reaktion auf ein Treffen des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy mit dem Dalai Lama wurde Frankreich 2009 als Reiseziel zweier chinesischer Handelsdelegationen gestrichen. Auch vor dem Besuch des Dalai Lama 2007 bei Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde in der Öffentlichkeit diskutiert, ob dieser Empfang die deutsch-chinesischen Handelsbeziehungen belasten würde.
Um den Einfluss politischer Ereignisse auf Chinas Handelsbeziehungen zu erfassen, haben die Göttinger Forscher zunächst eine detaillierte Datenbank zu den Auslandsreisen des Dalai Lama aufgebaut. In ihrer Studie untersuchten sie Exporte nach China aus 159 Ländern im Zeitraum von 1991 bis 2008. Mit statistischen Methoden analysierten Andreas Fuchs und Nils-Hendrik Klann anschließend, ob China auf die Treffen mit einer messbaren Verringerung des bilateralen Handelsvolumens mit denjenigen Ländern reagierte, die den Dalai Lama empfangen hatten. Ihre Ergebnisse bestätigen einen negativen Effekt auf Exporte nach China. Dieser „Dalai Lama-Effekt“ lässt sich allerdings nur für die Ära des chinesischen Staatspräsidenten Hu Jintao nachweisen, der 2002 die Führung der Kommunistischen Partei Chinas übernommen hat, und nicht für frühere Zeiträume. Dies erklären die Wissenschaftler mit dem wirtschaftlichen und politischen Aufstieg Chinas in den vergangenen Jahren. Zudem fanden die Göttinger Volkswirte heraus, dass Treffen des Dalai Lama mit Politikern von geringerer Bedeutung wie Ministern, Parlamentspräsidenten oder Oppositionsführern keinen negativen Einfluss auf die Handelsbeziehungen haben.
Dieselbe Untersuchung haben die Wissenschaftler auch für verschiedene Produktgruppen durchgeführt. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass sich der „Dalai Lama-Effekt“ hauptsächlich negativ auf die Exporte von Maschinen und Transportmitteln nach China auswirkt und der Effekt für andere Produktgruppen weniger eindeutig nachweisbar ist. Die Arbeit der Göttinger Forscher unterstreicht die Bedeutung, die gute politische Beziehungen für den Handel mit China spielen. „Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass chinesische Handelsbeziehungen nicht frei sind von politischen Einflüssen. Die chinesische Regierung setzt ihre Handelsbeziehungen offenbar gezielt als Instrument der Außenpolitik ein, um ihre politischen Ziele durchzusetzen“, so Nils-Hendrik Klann. „Staats- und Regierungschefs müssen also damit rechnen, dass Empfänge des Dalai Lama zu einer Verschlechterung der Handelsbeziehungen führen könnten.“ Aber: „Politiker müssen nicht auf Treffen mit dem religiösen Oberhaupt der Tibeter verzichten, um ihre wirtschaftlichen Interessen zu wahren“, betont Andreas Fuchs. Aus Sicht der beiden Forscher könnten international abgestimmte Treffen von Staats- und Regierungschefs mit dem Dalai Lama eine Alternative sein. „Eine solche Strategie könnte verhindern, dass China seine Handelspartner gegeneinander ausspielen kann“, so die Göttinger Wissenschaftler.