Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans-Ludwig Schreiber (†)
Mit Hans-Ludwig Schreiber verliert das Institut für Kriminalwissenschaften nicht nur einen langjährigen herausragenden Vertreter des Göttinger Strafrechts, sondern einen Kollegen, der zu den renommierten Fachvertretern über die nationalen Grenzen hinaus zählte. Im Jahr 1972 auf einen Lehrstuhl für Strafrecht und Allgemeine Rechtstheorie berufen, blieb er der Georgia Augusta trotz mehrerer ehrenvoller Rufe, u.a. auf das Direktorat des Freiburger Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht, treu. Sein umfangreiches, thematisch weitgespanntes Lebenswerk umfasst neben zentralen Fragestellungen des Medizinrechts das Straf- und Strafprozessrecht von seiner rechtsphilosophischen Dimension (exemplarisch seine Befassung mit dem strafrechtlichen Schuldbegriff im Lichte der modernen Neurowissenschaften) bis zu seinen rechtspraktischen Anwendungsbezügen. Bei der Vermittlung von Theorie und Praxis des Strafrechts konnte er zugleich auf seine richterliche Erfahrung im niedersächsischen Justizdienst zurückgreifen, etwa im Kontext seiner Befassung mit dem Institut der Laienrichter.
Seine wissenschaftliche Haltung war im Besonderen durch seine Offenheit für die Bezüge des Strafrechts zu anderen Fachdisziplinen geprägt. Dabei galt sein Interesse neben dem Medizin- und Biorecht vor allem der forensischen Psychiatrie, etwa den praktisch hochbedeutsamen Fragen der Schuldfähigkeit. Mit wacher Neugier und großer Toleranz suchte er das interdisziplinäre Gespräch, wohlwissend um die Relativität und Vorläufigkeit jeder wissenschaftlichen Einsicht. Im Hörsaal begeisterte er als begnadeter Hochschullehrer nachhaltig Generationen von Jurastudenten.
Mit Hans-Ludwig Schreiber ist eine herausragende Persönlichkeit von uns gegangen. Das Göttinger Institut für Kriminalwissenschaften wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren.