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Press release: Freie Elektronen in Sonnen-Protuberanzen untersucht
Nr. 148/2017 - 25.07.2017
Astrophysiker unter Göttinger Beteiligung ermitteln Elektronendichte in Plasmawolken
(pug) Sonnen-Protuberanzen bestehen aus einem Plasma elektrisch leitfähiger Ionen und Elektronen, das sich nur sehr eingeschränkt im Magnetfeld bewegen kann. Protuberanzen-Wolken schweben daher oftmals wochenlang hoch über derselben Stelle der Sonnenoberfläche. Ein wichtiges Maß für die Beschreibung dieses Plasmas ist die Dichte der freien Elektronen, die bislang für Sonnen-Protuberanzen mit Ungenauigkeiten behaftet ist. Wissenschaftler haben nun die Elektronen-Dichte aus dem Helligkeits-Verhältnis zweier Spektral-Linien neu ermittelt. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Solar Physics erschienen.
Hierzu verglichen die Astrophysiker eine Emissions-Linie des neutralen Natriums mit einer des ionisierten Strontiums. „Da in Protuberanzen fast alle Atome ionisiert sind, kann das Strontium-Ion seine violette Linie sofort abstrahlen. Das Natrium-Ion hingegen muss erst ein freies Elektron einfangen, bevor es als neutrales Atom die bekannte gelbe Spektral-Linie emittieren kann“, so Dr. Eberhard Wiehr vom Institut für Astrophysik der Universität Göttingen, der die Studie gemeinsam mit Dr. Götz Stellmacher vom Institut d’Astrophysique in Paris verfasst hat. „Das Verhältnis der Stärke beider Emissionen ist daher ein Maß für die Elektronen-Dichte.“
Erschwert werden die Messungen durch den großen Farb-Unterschied beider Spektral-Linien, der neben messtechnischen Problemen mit dem Spektrografen des 70-Zentimeter-Sonnenteleskops auf Teneriffa Einflüsse der Licht-Brechung in der Erdatmosphäre zum Tragen bringt: Bei optimalen Beobachtungsbedingungen am Morgen, wenn das Luftflimmern noch gering ist, wird das violette Licht des Strontiums stärker gebrochen als das gelbe des Natriums. „Dadurch scheint die Sonnenscheibe im Violetten höher zu stehen als im Gelben“, sagt Wiehr.
Mit 20 Milliarden Elektronen pro Kubikzentimeter in hellen und 40 Milliarden in leuchtschwachen Protuberanzen fanden die Forscher eine etwa zehnmal höhere Dichte als in der umgebenden Sonnen-Korona. Während die Elektronen-Dichte in der Korona stark mit der Höhe über dem Sonnenrand abnimmt, trifft dies für Protuberanzen nicht zu. Ebenso wenig ändert sich die Dichte mit der zeitlichen Entwicklung der Protuberanz. Dies soll in weiteren Untersuchungen in diesem Sommer mit dem 45-Zentimeter-Sonnenteleskop in Locarno überprüft werden.
Die freien Elektronen der Protuberanzen stammen zum größten Teil aus der Ionisation von Wasserstoff. Da dieser sein Elektron durch Einstrahlung von hochenergetischem UV-Licht abgibt, ist die Elektronen-Dichte ein Maß für die UV-Transparenz der Protuberanzen-Wolken. „Diese hängt auch vom
gegenseitigen Abstand der Protuberanzen-Strukturen ab, die fadenförmig nach unten hängen. Ihr Durchmesser ist kleiner als 100 Kilometer und damit bisher nicht genau ermittelbar. Sie aber spielen offenbar eine entscheidende Rolle bei den physikalischen Vorgängen im Protuberanzen-Plasma“, so Wiehr.
Originalveröffentlichung: Götz Stellmacher und Eberhard Wiehr: The Na I and Sr II resonance lines in solar prominences. Solar Physics. Doi: 10.1007/s11207-017-1103-6. http://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2Fs11207-017-1103-6.pdf
Kontakt:
Dr. Eberhard Wiehr
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Physik – Institut für Astrophysik
Friedrich-Hund-Platz 1, 37077 Göttingen
Telefon (0551) 39-5048
E-Mail: ewiehr@astro.physik.uni-goettingen.de
Internet: www.astro.physik.uni-goettingen.de