Kunstwerk des Monats im Februar 2015


01. Februar 2015
"Kleine Welten" von Wassily Kandinsky – Erstes Werk am Weimarer Bauhaus
Vorgestellt von: Susanne Ehlers B.A.

Kunstwerk des Monats Februar 2015 - Kandinsky Kleine WeltenDer russische Maler, Graphiker und Kunsthistoriker Wassily Kandinsky (1866?1944) schuf 1922 die Graphikmappe "Kleine Welten". Sie wurden nach seinen Angaben zusammen­gefasst und gestaltet. Im Propyläen-­Verlag in Berlin erschien das im Staatlichen Bauhaus Weimar, an das Kandinsky im selben Jahr berufen wurde, hergestellte Werk. Die Auf­lagen­höhe betrug 230 Exemplare, von denen die ersten 30 auf Japan­papier und die folgenden auf Bütten­papier gedruckt wurden. Die Kunst­sammlung der Universität Göttingen konnte im April 1933 in einer Berliner Buch­handlung die Mappe Nummer 119 erwerben.
Die in der Mappe enthaltenen zwölf Arbeiten stehen am Ende einer Ent­wicklung in Russland, die Kandinsky maßgebend begleitet hat. Die abstrakte Kunst war von 1917 bis zum Beginn der 1920er Jahre die führende russische Richtung. Der Beginn des Ersten Welt­krieges hatte Kandinsky von Deutschland wieder zurück nach Russland getrieben. Während dieser Zeit konnte er sich intensiv mit den verschiedenen Strömungen der russischen Avant­garde, zum Beispiel dem Expressionismus, Suprematismus, Kon­struk­tivismus und den Werken von Kasimir Malewitsch (1879-1935), Wladimir Tatlin (1885­1953), Alexander Rodtschenko (1891-1956) u. a., auseinandersetzen. In "Kleine Welten" spiegelt sich sein eigenes theoretisches wie praktisches Loslösen von der gegenständlichen Kunst wider. Angeregt von der "Idee der Synthese der Kunst", dabei geht Kandinsky von der "geistigsten", "absoluten" Kunst der Musik aus, die er als schöpferisches Maximum, als Vollkommenheit sieht, reduziert er den zufälligen, gefühlten Eindruck eines Gegenstandes auf Form und Farbe. Dabei setzt er sich mit der Musik­theorie auseinander, die sich mit der Ausdrucks­fähigkeit von farbigen und musikalischen Tönen beschäftigt. Zwischen ihnen sieht Kandinsky eine Parallele, die er bereits in seiner Kindheit zum Beispiel bei der Betrachtung eines Sonnen­unterganges empfand.

Seine gegenstandslosen Kompositionen aus verschiedenen in Wechsel­wirkung stehenden Formen, Farben und Linien stehen nach seiner Ansicht der Musik am Nächsten. Sie erzeugen innere Klänge, die in ihrer Kombination eine Melodie ergeben. Die Position der abstrakten Elemente zueinander, die Kontroverse, die durch verschiedene Farb­kombinationen entsteht, beruht auch auf den Erfahrungen der modernen Psychologie, zum Beispiel der Empfindung von warmen und kalten, von hellen und dunklen Farb- und damit auch Musiktönen. Zwischen seinem ersten abstrakten Werk, einem Aquarell, das bereits 1910 entstand, und dem Entstehen der Mappe "Kleine Welten" steht eine wechselvolle Schaffens­phase zwischen gegenständlicher und ungegenständlicher Kunst. Auch kompositionelle Mittel werden erprobt, von ihnen haben sich vor allem die Diagonalen und von einem oder mehreren Zentren aus entwickelte Kompositionen durchgesetzt. Sie erzeugen den Eindruck von Dynamik, von Bewegung, der "Explosivität der malerischen Massen"
Die Mappe "Kleine Welten" gibt durch die verschiedenen Techniken, Radierung, Lithographie und Holz­schnitt mit je vier Graphiken, und die sowohl farbigen als auch schwarz-weißen Arbeiten, im Verhältnis sechs zu sechs, eine Momentaufnahme des emotional aufgeladenen Mikro­kosmos wieder. Während Kandinsky in seinen Werken der 1910er Jahre geometrische Formen zu vermeiden sucht, erscheint in den "Kleinen Welten" eine neue Variation der Gegenstandslosigkeit.