Kunstwerk des Monats im April 2014
06. April 2014
"Dieser Bruder ist der Herzschlag der neuen Zeit" Kunst und Religion in Preußen nach 1800: Karl Franz Jakob Heinrich Schumann und die Heilige Familie mit Engeln
Vorgestellt von: Julia Diekmann
"Dieser Bruder ist der Herzschlag der neuen Zeit"
Kunst und Religion in Preußen nach 1800: Karl Franz Jakob Heinrich Schumann und die Heilige Familie mit Engeln
Karl Franz Jakob Heinrich Schumann wurde 1767 in Berlin geboren und starb dort 1827. Nach akademischer Malerausbildung und einem Italien-Aufenthalt wurde er 1802 zum Professor der Preußischen Akademie der Künste ernannt. Die Ausstellungskataloge der regelmäßig stattfindenden Präsentationen der Berliner Akademie belegen die reiche künstlerische Tätigkeit Schumanns. Leider ist nur ein Bruchteil dieses umfangreichen Œuvres erhalten. Zu diesen Bildern zählt die Heilige Familie mit Engeln (1819) in der Göttinger Universitätskunstsammlung.
Das Gemälde gelangte 1916 als Schenkung Prof. Dr. Felix Droysens in die Sammlung. Professor Droysen erhielt das Bild aus dem Nachlass des in Göttingen tätigen Privatdozenten Dr. Robert Wiese, die genauen Umstände des Besitzübergangs sind bislang ungeklärt.
Zu sehen sind Maria und Christus mit Johannes, Joseph sowie zwei die Szenerie begleitende Engel. Thematisiert wird das Treffen der beiden Knaben Jesus und Johannes nach der Rückkehr der heiligen Familie aus Ägypten. Wenngleich aus dem Zentrum des Bildes nach rechts verschoben, bildet das Zusammentreffen der beiden Kinder, sowohl hinsichtlich des Kolorits als auch der Beleuchtung, den Konzentrationspunkt des Bildes. Damit wird die thematische Relevanz der Szene deutlich; alle anderen Teile treten hinter dieser Gruppe zurück.
Schumann orientiert sich bei der Komposition des Gemäldes an der akademischen Praxis, dies lässt sich besonders gut an der Verwendung vorbildhafter Typen, wie der Gruppe der beiden Knaben und der Gottesmutter, ablesen. In diesem Bildteil ist das immer noch hochgeschätzte Vorbild Raffaels klar erkennbar. Gleichzeitig wendet sich der Künstler einem anderen Vorbild zu dessen Einfluss in der Verwendung der Liegefigur des Joseph besonders auffällig ist. Es handelt sich um die Übernahme des Petrus aus Caravaggios Gemälde Christus am Ölberg (1604-06), das 1815 nach Berlin gelangte. Ein durchaus bemerkenswerter Umstand, ging man doch bisher von der Annahme aus, der Barockkünstler habe auf die Akademiker zu Beginn des 19. Jahrhunderts keinen Einfluss gehabt.
Sowohl die Göttinger Heilige Familie mit Engeln als auch ein weiteres erhaltenes Gemälde des Malers in der Paretzer Dorfkirche, Die Grablegung Christi (1816), stehen im engen Zusammenhang mit zeitgenössischen religionspolitischen Entwicklungen in Preußen. Eine Gemeinsamkeit der beiden Bilder besteht auch in einer auffälligen Präsenz der Gottesmutter, die für eine protestantisches Umfeld merkwürdig anmutet, ihre Legitimation aber sowohl in allgemeinen geistesgeschichtlichen Tendenzen als auch den religionspolitischen Bestrebungen Friedrich-Wilhelm III. findet. Das Paretzer Gemälde weist darüber hinaus einen direkten Bezug zur preußischen Königsfamilie auf, indem es die zur Entstehungszeit des Bildes besonders virulente Verehrung der 1810 verstorbenen preußischen Königin Luise in besonderer Weise aufgreift und transformiert.