Kunstwerk des Monats im November 2012
04. November 2012
Die Göttinger Dormitio-Ikone
Vorgestellt von: Nader Mohamed, M.A.
In der Kunstsammlung der Georg-August-Universität Göttingen befindet sich eine Ikone, die auf das fünfzehnte Jahrhundert zu datieren ist. Das Thema dieser Ikone zeigt ein typisch orthodoxes Motiv, und zwar das Entschlafen der Gottesmutter Maria (lat. Dormitio, Gr. Koimesis). In der katholischen Tradition heißt das Entschlafen der Maria Assumptio Animae d.h. die Aufnahme der Maria in dem Himmel. Dieses Motiv ist weit verbreitet, sowohl in der orthodoxen Welt als auch später im Westen, und hat viele lokale Typen in verschiedenen Ländern. Das Thema wurde in Bücherminiaturen, Ikonen, Mosaiken und Elfenbeinschnitzereien dargestellt. Seit dem elften Jahrhundert gibt es dieses Motiv des Entschlafens der Gottesmutter in der Byzantinischen Kunst.
Die Göttinger Ikone ist 38,5 cm hoch, 31,5 cm breit und 5 cm tief. Deshalb kann man sie als eine Ikone für die häusliche Nutzung einordnen, und nicht als Teil einer Ikonenwand (Ikonostase). Die Georg-August-Universität Göttingen hat diese Ikone von Herrn Christoph Gottlieb von Murr (geb. 6.8.1733, gest. 8.4.1811) von der Akademie zu Nürnberg im Jahr 1795 erworben. Sie ist aus Nußholz hergestellt. Die Ikone ist gut erhalten, hat aber einige retuschierte Risse, die restauriert wurden. Ihre Maltechnik ist Ei-Tempera auf massiven gesperrten Holzplatten mit partieller Vergoldung und dem griechischem Schriftzug ((ē) koímēsis (tēs Theotókou) = (die) Himmelfahrt der Mutter Gottes.
Die Ikone zeigt die Gottesmutter Maria in grünblauem Gewand vorn liegend auf einem Prunkbett; hinter ihr steht Christus in hell braunem Gewand, der ihre Seele, die die Gestalt eines in Stoff gewickeltem Säuglings hat, auf dem linken Arm hält. Die Christus-Figur ist von vier in dunklem olivengrau gemalten Engeln mit Heiligenscheinen umgeben.
Links und rechts des Sterbebetts befinden sich Apostel und andere Begleitfiguren in dunkler grünblauer Farbe. Alle Apostel sind von ihren Missionsarbeiten und ihren Bischofsreisen nach Jerusalem zurückgekehrt, um in ihrer letzten Stunde bei Maria zu sein. Petrus wird Weihrauch schwenkend dargestellt. Die anderen Apostel weinen oder beten. Links neben dem Sterbebett befinden sich insgesamt sieben Männer und zwei Frauen, rechts 12 Männer. Hinter beiden Gruppen befinden sich hell braune Gebäude das Haus der Maria und der Tempel von Jerusalem, deren Dächer in dunklem grünblau gemalt sind.