Schauspielerinnen und Schauspieler
Die Arbeits- und Lebensbedingungen von Schauspielern
in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Als Ergänzung zur Edition der Theaterkritiken Theodor Fontanes steht hier eine Auswahl von Zitaten aus zeitgenössischen Quellen und aus der Forschungsliteratur zum Download zur Verfügung. Die meisten dieser Informationen sprengen den Rahmen der Buchedition, erweitern aber die Sicht auf den kultur- und theaterhistorischen Kontext, in dem diese Texte entstanden sind.
Theodor Döring
1803–1878; am Königlichen Schauspiel von 1845 bis 1878
Heinrich Graf: Theodor Döring als Malvolio
In: »Was ihr wollt« von William Shakespeare
Königliche Schauspiele – Schauspielhaus, 9. Januar 1874
Photographie; 34,6 x 27,5
© Stiftung Stadtmuseum Berlin
Die Sonnabend-Aufführung war im Wesentlichen eine Brillantleistung unseres Döring, der sich, seit wir ihn zuletzt als Falstaff sahen, in dieser Rolle noch perfektionirt zu haben scheint. Wer soll dies nach ihm leisten? Vergeblich sehen wir uns nach einem Nachfolger um; die Besten reichen ihm in dieser Rolle kaum bis an’s Knie. Daß er sie da nicht wahrnimmt, ist verzeihlich, denn: »Hans, wann hast du zum letzten Mal dein Knie gesehen?« ist eine der verfänglichen Fragen, die Prinz Heinz an ihn richtet.
Fontane über Dörings Auftritt als Falstaff in William Shakespeares »Heinrich IV.«; Aufführung am 8. Februar 1873. In: Vossische Zeitung. Berlin. Nr. 35, 11. Februar 1873, 2. Beilage.
[Die Schauspieler in Michael Beers »Struensee«] vermochten nicht, bei aller Untadligkeit ihres Spiels, den einen Punkt ihrer Rolle ausfindig und anschaulich zu machen, wodurch sich dieselbe von andern unterscheidet, worin ihre Individualität vorgezeichnet liegt. […] Dies ist die Größe Döring’s und der eigentlichste Beweis seiner eminenten schauspielerischen Begabung. Er findet diesen Punkt jedesmal, nöthigenfalls ihn schaffend, und erreicht es dadurch, auch aus der unbedeutendsten Durchschnittsfigur eine aparte Existenz, ein Lebensbild zu gestalten.
Fontane über Dörings Auftritt als Struensee in Michael Beers »Struensee«; Aufführung am 18. Februar 1875. In: Vossische Zeitung. Berlin. Nr. 43, 20. Februar 1875, 1. Beilage.
Paula Conrad
1860–1938; am Königlichen Schauspiel von 1880 bis 1901 und von 1914 bis 1932
Loescher & Petsch, Berlin: Paula Schlenther als Puck
In: »Ein Sommernachtstraum« von William Shakespeare
© Universitätsbibliothek Frankfurt, URL: http://edocs.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2003/7808403/
Endlich ein Talent, eine Natur, ein Erfolg! Eine wahre Erquickung nach den Kleiderpuppen, die die modische Modistin zur zehnten Muse machen möchten. […] Sie hat Feuer, Leidenschaft, Selbstvergessen. Sie vergißt ihr Ich und geht in ihrer Rolle auf. […] Sie hat eine Seele, und ihr an und für sich nicht bevorzugtes Organ empfängt dadurch einen Beisatz von Edelmetall und erhebt sich zum Rang einer Stimme.
Fontane über Paula Conrads Auftritt als ›Grille‹ in Charlotte Birch-Pfeiffers »Die Grille«; Aufführung am 26. Mai 1880. In: Vossische Zeitung. Berlin. Nr. 147, 28. Mai 1880, Morgenausgabe, 2. Beilage.
An Fräulein Conrad konnt’ ich mich in den letzten Scenen mit Maler Fredi wieder von ganzem Herzen erfreuen. Sie hat einen glücklichen Anflug von Genialität und interessirt mich auch da noch, wo sie mir nicht gefällt. Auch ihr Organ hat einen mich sympathisch berührenden Ton, ist aber an den lebhaften Stellen viel zu laut. Es wird dadurch nicht unschöner, aber berührt doch, wie wenn man ein Flöten- oder Violin-Concert erwartet und begegnet einem Cornet à Piston.
Fontane über Paula Conrads Auftritt in Otto Franz Gensichens »Die Märchentante«; Aufführung am 29. Januar 1881. In: Vossische Zeitung. Berlin. Nr. 51, 1. Februar 1881, Morgenausgabe, 2. Beilage.
Jenny Groß
1863–1904; am Königlichen Schauspiel von 1885 bis 1889
Jenny Groß als Leopoldine von Strehlen
In: »Der gute Ton« von Carl Töpfer
Königliche Schauspiele – Schauspielhaus, 2. Juni 1888
Cabinet-Photographie: J. C. Schaarwächter, Berlin; 16,8 x 10,9
© Stiftung Stadtmuseum Berlin, Archiv der Deutschen Staatsoper, TA 98/65 VF
Ihr Auftreten rechtfertigte den guten Ruf, der ihr als Künstlerin und den glänzenden, der ihr in der Toilettenfrage voraufgegangen war. Die dritte Toilette: grün und chamois […] war eine Kunstleistung ersten Ranges. Sich auch im Spiel auf der entsprechenden Höhe zu halten, war schwer, aber es gelang, wenigstens in der Hauptsache, was schließlich auch nicht allzusehr Wunder nehmen darf. Denn mutatis mutandis gilt von jungen Schauspielerinnen dasselbe, was von jungen Officieren gilt: wer bei Hofe jeder Situation gewachsen ist, wird auch in der Schlacht nicht leicht versagen.
Fontane über den Auftritt von Jenny Groß als Leopoldine von Strehlen in Carl Töpfers »Der beste Ton«; Aufführung am 8. Oktober 1885. In: Vossische Zeitung. Berlin. Nr. 473, 10. Oktober 1885, Morgenausgabe, 1. Beilage.
So sehr mich Fräulein Jenny Groß im Reitkleid, Stulpenhandschuh und rothem Taschentuch entzückt hat, so war es doch nur das Entzücken, das ich gelegentlich beim Anblick colorirter Modekupfer empfunden habe. »Man sollte nicht glauben, daß es so schöne Menschen giebt.« Und dann rasch hinterher: »Ach, es ist recht gut, daß es nicht so schöne Menschen giebt.«
Fontane über den Auftritt von Jenny Groß als Rosamunde von Kronau in Carl Töpfers »Rosenmüller und Tinte«; Aufführung am 17. Oktober 1885. In: Vossische Zeitung. Berlin. Nr. 488, 19. Oktober 1885, Abendausgabe, Beilage.
Adalbert Matkowsky
1858–1909; 1887 Gastspiele am Königlichen Schauspiel, Engagement von 1889 bis 1909
Unbekannter Photograph: Adalbert Matkowsky als Orest
In: »Iphigenie auf Tauris« von Johann Wolfgang von Goethe
Königliche Schauspiele – Schauspielhaus, 28. August 1888
Photographie; 48,7 x 35,2
© Stiftung Stadtmuseum Berlin, Archiv der Deutschen Staatsoper, TA 98/150 VF
Ich bin Anti-Matkowsky, halte seine ganze Spielweise für eine Verirrung und finde diesen nach dem Prinzip von Fluth und Ebbe hergerichteten Wechsel von Stentorschreiereien und flüsterndstem Geflüster […] vorwiegend komisch, ungebildet und für ein Berliner Parquettpublikum unzulässig; dennoch giebt es Rollen, in die Matkowsky nicht nur hineinpaßt, sondern die für die Gesammtheit seiner künstlerischen Ausrüstung, die Fehler mit eingerechnet, wie geschaffen sind, und zu diesen Rollen gehört die des Prinzen Sigismund im 2. Akt von »Leben ein Traum«. Dieser 2. Akt ist vielleicht nie so gespielt worden. Herr Matkowsky giebt hier ein Maß von Gluth und Stimme, von Leidenschaft und Sinnlichkeit, dessen Wirkungen sich der keines Ueberfalls gewärtige harmlose Zuschauer sicherlich nicht entziehen kann, dessen Macht aber auch den widerstrebendsten und die schärfste Kontrole übenden Kritiker bezwingt […].
Fontane über Matkowskys Auftritt als Prinz Sigismund in Calderons »Das Leben, ein Traum«; Aufführung am 17. Dezember 1887. In: Vossische Zeitung. Berlin. Nr. 592, 19. Dezember 1887, Abendausgabe.
(Zusammenstellung und Textauswahl von Lea Fricke)
Empfohlene Zitationsweise
Lea Fricke: Schauspielerinnen und Schauspieler. In: Website der Theodor Fontane-Arbeitsstelle (www.uni-goettingen.de/de/154180.html). Hrsg. von Gabriele Radecke. [Datum des Abrufs]