Kunstwerk des Monats im Januar 2008
06. Januar 2008
"Teufels Gebetbuch - Ein Kartenspiel des 16. Jahrhunderts"
Vorgestellt von: Dr. Gerd Unverfehrt
am Sonntag, den 06. Januar 2008 um 11:30 Uhr
Gedruckte Bilder auf Papier gehören wie Fotografie oder Video-Kunst zu den neueren Gattungen der Bildenden Künste. Gemälde und Skulpturen sind schon vor zehntausenden von Jahren geschaffen worden. Grafik als Kunst der Reproduktion und als Medium zunehmender Bilderflut wurde irgendwann um 1400 erfunden. Voraussetzung war ein für den Druck taugliches Trägermateriel, nämlich Papier.
Die erste mitteleuropäische Papiermühle wurde um 1380 in Nürnberg gegründet. Der erste inschriftlich datierte Holzschnitt stammt aus dem Jahr 1423. In diesen vier Jahrzehnten vollzog sich eine Revolution der Bildproduktion und damit der Wahrnehmung, Imagination und Formvermittlung. Als Bildende Künstler ihre ersten gedruckten Werke einem breiteren Publikum anboten, war der als Erfinder des Buchdrucks mit beweglichen Lettern gefeierte Johannes Gutenberg (um 1400-1468) gerade dem Jünglingsalter entwachsen. Unsere Kenntnis der frühen Jahrzehnte grafischer Kunst ist nicht nur lückenhaft, sie ist ein Wissensloch. Namen sind nicht bekannt, datiert ist fast nichts. Unübersehbar, was im Laufe der Jahrhunderte verloren ist: Feuer und Wasser, Pilzbefall und Sonnenlicht, Vandalismus und Gleichgültigkeit heißen einige natürliche Feinde nicht nur der Kunst auf Papier. Der erwähnte, 1423 datierte Holzschnitt, ist nur durch Zufall überliefert """ in einem einzigen Exemplar, das in die schützende Hülle einer Handschrift eingebunden war. Ein anderer Zufall hat die Kunstsammlung der Universität Göttingen in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts um einige frühe Druckbögen mit Spielkarten bereichert. Spielkarten zählen zu den frühesten Erzeugnissen des Bilderdrucks, ebenso Neujahrsglückwünsche, Kalender oder andere Werke, die wir heute als Gebrauchs- oder Gelegenheitsgrafik bezeichnen würden.
Was gebraucht wird, wird auch verbraucht, und es dürfte eine für jeden Kartenspieler leicht nachvollziehbare Erfahrung sein, daß "Teufels Gebetbuch" nach soundsoviel Spielen verschlissen ist und im Altpapier als "Wertstoff" entsorgt wird. Das war früher nicht anders. Das seinerzeit wertvolle Papier, bedruckt oder unbedruckt, wurde, sofern es Mängel aufwies, einer neuen Verwendung zugeführt. Ein Beispiel für dieses historische Recycling ist die Herstellung von Decken für Bucheinbände. Die konnten aus mit Leder oder Pergament bezogenen Holztafeln bestehen oder aus steifen Lagen miteinander verleimter Papierbögen, eine Vorform stabiler Pappe. Diese verleimten Papierbögen sind eine Quelle der Erkenntnis, denn: Sobald ein solcher Einband nicht restaurierbar ist und durch einen neuen ersetzt werden muß, lösen die Restauratoren im Wasserbad die verleimten Papiere auseinander. Und dabei kommen ungeahnte Schätze zu Tage. Die kleine Sammlung gedruckter und seltener Spielkartenbögen in der Kunstsammlung der Universität Göttingen verdankt sich der Aufmerksamkeit der Abteilung Restaurierung an der hiesigen Universitätsbibliothek. Funde dieser Art weisen kein perfektes Erscheinungsbild auf. Leimspuren, Quetschfalten, Löchlein mindern den ästhetischen Eindruck. Und dennoch überliefern die beiläufigen Funde kostbares Zeugnisse der Druck- und Kulturgeschichte. Als Kunstwerk des Monats Januar ausgestellt ist ein von Hans Forster in Wien um 1570 gedruckter Halbbogen des sogenannten "Landsknechtsbildes". Der Bogen befindet sich im Rohzustand. Die anschließenden Verarbeitungsstufen wie Kaschieren mit weiteren Papierbögen zur Herstellung einer gewissen Steifigkeit sind ebenso wenig erfolgt wie die Kolorierung mittels Schablonen. Die Bilder zeigen Fabelmotive (Fuchs und Storch), Grobianisches, groteske sowie realistisch erfaßte Tiere und auf der zweiten Bogenhälfte Landsknechte.