Kunstwerk des Monats im April 2008


06. April 2008
"Der Sonntagsjäger" von Carl Spitzweg zum 200. Geburtstag
Vorgestellt von: Rudolf Krüger, M.A.

Carl Spitzweg: Der SonntagsjägerVor zweihundert Jahren wurde in München Carl Spitzweg (1808-1885) geboren, dieser liebenswürdige Sonderling der Malerei. Eigentlich Apotheker von Beruf, bildete er sich autodidaktisch zum Maler fort. Die verträumte Kleinstadtwelt seiner Bilder mit ihren Beamten, Soldaten, Käuzen, Junggesellen und armen Poeten lebt bis heute in unzähligen Buch-, Kalender- und Postkartenreproduktionen weiter. Zum stets wiederkehrenden Personal auf Spitzwegs Bildern gehört auch der sogenannte "Sonntagsjäger", eine Menschengattung, die erst im 19. Jahrhundert aufkam. Nachdem die französische Revolution die Jagdprivilegien des Adels abgeschafft hatte, bekam der Bürger nun das Recht, selber auf Jagd zu gehen. Nicht nur in Frankreich, sondern in ganz Europa brachten neue Jagdgesetze wild gewordene Sonntagsjäger hervor. Die Städter schwärmten geradezu aus, um das Wild zu erlegen. Spitzweg ließ sich von diesem Phänomen zu acht Ölbildern anregen. Zu einem von ihnen, das um 1841 entstand und heute in der Stuttgarter Staatsgalerie aufbewahrt wird, besitzt die Kunstsammlung der Göttinger Universität eine Vorzeichnung.

Diese Bleistiftstudie auf rötlichem Papier zeigt eine frontal stehende, still verharrende Jägerfigur mit angelegtem Gewehr. Der Blick des Jägers und der Büchsenlauf sind auf den Betrachter gerichtet. So kommt es zu einer unmittelbaren Konfrontation zwischen uns und dem Jäger, als wären wir das Tier. Allerdings flößt dieser "Möchtegern-Jäger" trotz seines sorgfältigen Kostüms mit hellem Mantel, Zylinder und lederner Jagdtasche keine Furcht ein. Hinter der Anspannung kommen Unsicherheit und Behäbigkeit zum Vorschein, die dem Jäger hinderlich sind. Der Sonntagsjäger, ein jämmerlicher Bürger im Jägerkostüm, ist ein Trottel wie viele Spitzwegsche Figuren: strickende Soldaten und ewige Hochzeiter, Hypochonder und tumbe alte Männer, Gähnende und Schlafende. Auf keinem einzigen der acht Ölbilder macht der Sonntagsjäger Beute. Stattdessen wird er beim Picknick auf der Waldlichtung vom Rehbock überrascht oder beim Nickerchen vom Hasen verhöhnt. Die Natur, dem Stadtmenschen gegenübergestellt, siegt über das Zivilisatorische. Bei Spitzwegs Bildern kann sich der Betrachter nie sicher sein, ob er es mit einer kleinbürgerlichen Idylle oder mit einer Satire zu tun hat. Wie sein Vorbild Honor Daumier karikiert Spitzweg menschliche Schwächen mit seinem hintergründigen Humor, ohne dabei bissig oder gar verletzend zu werden.

Die Marotten seiner Mitmenschen behandelt der Maler, der auch an der satirischen Zeitschrift "Die Fliegenden Blätter" mitarbeitete, mit Nachsicht. Vielleicht hätte Spitzweg, der 1885 in seiner Wohnung hoch über den Dächern Münchens starb, sonst mit sich selbst hart ins Gericht gehen müssen. So bewahren seine Figuren ihre menschliche Würde.