Kunstwerk des Monats im Juli 2008
06. Juli 2008
"Lot und seine Töchter vor dem brennenden Sodom" von Pieter Schoubroeck
Vorgestellt von: Tobias Heine
"Flammendes Inferno" - der Titel eines populären Katastrophenfilms aus den 1970ern beschreibt den Eindruck, den man vor dem Bild des Frankenthaler Malers Pieter Schoubroeck (1570-1607) hat: Auf der rechten Bildhälfte steht eine ganze Stadt in Flammen, Menschenmaßen laufen in Panik durch die Straßen, über Brücken. Selbst die Boote auf dem Fluß haben Feuer gefangen. Der nächtliche Himmel ist erfüllt von Rauchschwaden und hochlodernden Feuersäulen.
Links im Vordergrund des Bildes bietet sich eine befremdend andere, fast idyllisch wirkende Szene. Dort, auf einer Anhöhe in sicherer Entfernung von der brennenden Stadt, haben sich drei Menschen offenbar zu einem Stelldichein zusammengefunden: Eine junge Frau und ein weißbärtiger Mann halten sich eng umschlungen fast unbekleidet in den Armen, während eine weitere jugendliche Frau ihnen Wein anbietet.
Die kleine Gruppe ist ganz mit sich selbst beschäftigt und schenkt der Katastrophe im Hintergrund keine Beachtung. Zwischen den ästen eines Baumes scheint der Mond hervor. Eine kleine weiße Figur im Mittelgrund zeigt an, daß es sich bei den Personen um Lot und seine Töchter vor dem brennenden Sodom handelt. Die Figur ist Lots Frau, aus Ungehorsam gegen Gott zur Salzsäule erstarrt. (1. Mose 19)
Eine Geschichte aus der Bibel - doch kann man sich dies Bild nur schwerlich in einer Kirche oder sonst einem religiösen Kontext vorstellen. Oder haben die Menschen vor vierhundert Jahren darüber anders gedacht" Für wen wurde ein solches Bild gemalt"
Erotische Darstellungen von Lot und seinen Töchtern vor dem brennenden Sodom sind schon aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts überliefert und waren zur Zeit Schoubroecks besonders beliebt. Der Schwerpunkt der Darstellung lag dabei auf der amourösen Szene. Für Schoubroecks Bild, in dem die brennende Stadt einen größeren Raum als die Personengruppe einnimmt, ist eine andere Bildtradition des manieristischen 16. Jahrhunderts bedeutsamer: Die Höllenlandschaft, in die Hieronymus Bosch brennende Stadtlandschaften eingeführt hatte. In Boschs Nachfolge wurde aus den brennenden Städten eine eigene Gattung, die sogenannte Brandlandschaft. Historien wie Aeneas Flucht aus dem brennenden Troja, boten den Vorwand für die Darstellung spektakulärer Stadtbrände.
Von Schoubroeck, der sich wie die anderen Frankenthaler Maler auf Landschaften spezialisiert hatte, sind neben drei bekannten Versionen von Lot und seinen Töchtern allein sechs Trojabrände und mehrere Unterweltsdarstellungen überliefert. Er folgte darin unmittelbar seinem Zeitgenoßen Jan Brueghel (1568-1625), einem Sohn Pieter Brueghels, den er in Rom getroffen haben könnte. Unter anderem stammt von diesem eine Version von Lot und seinen Töchtern, von der Schoubroeck die Komposition und die Manier, die Stadt mit Hunderten von kleinen Figuren zu beleben, übernommen hat. Dieses "Gewimmel" war eine Spezialität Jan Breughels, der hierin wie in der Komposition wiederum auf seinen Vater zurückgreifen konnte.
Jan Brueghels Name ist in der Kunstgeschichte vor allem mit einer Weiterentwicklung der Landschaftsmalerei verbunden: Weg von der mehrgründigen überschaulandschaft hin zu einer realistischeren Flachlandschaft mit kontinuierlichen übergängen in die Tiefe. Damit war er einer der Wegbereiter für die berühmten niederländischen Landschaftsmaler des 17. Jahrhunderts, unter anderem von Salomon Ruysdael und Jan van Goyen, die beide in der universitären Kunstsammlung vertreten sind.
In seiner Version von Lot und seinen Töchtern hat Brueghel dagegen noch das traditionelle flämische Landschaftsschema mit hohem Horizont verwendet. Die gekonnte Wiedergabe des kühlen Mondlichts neben dem Schein des Feuers ist jedoch neu und hatte großen Einfluß auf Art van der Neers und Adam Elsheimers Nachtbilder. Schoubroeck hat diesen Lichteffekt auf dem Göttinger Bild nur leicht angedeutet.
Auf das Motiv Lot und seine Töchter, die Gattung der Brandlandschaft, Pieter Schoubroeck und die Frage nach der Wirkungsabsicht - Ermahnung zur Gottesfurcht oder Befriedigung von Sensationslüsternheit - wird im Vortrag weiter eingegangen werden.