Kunstwerk des Monats im April 2009
05. April 2009
"Waldlandschaft mit Tieren" von Roelant Savery, 1624
Vorgestellt von: Tobias Heine
Knorrige Eichen, Felsen, ein Wasserfall. Auf einer Lichtung in einem urwüchsigen Wald haben sich die unterschiedlichsten Tiere versammelt. Unter einer Eiche lagert ein Hirsch mit einigen Ricken sowie zwei Ziegen. Im Halbschatten eines bewachsenen Felsen halten sich weitere Hirsche und ein Wildschwein auf. über ihnen sitzt auf einem Ast ein Papagei. Am Wasserfall baden Reiher und der Himmel ist erfüllt von zahlreichen Vögeln. Roelant Savery zeigt uns eine Tieridylle, die man so nirgends beobachten könnte, die ganz seiner Phantasie entsprungen zu sein scheint. Man fragt sich unwillkürlich, was diese Tiere, die zum Teil aus ganz unterschiedlichen Weltgegenden stammen, auf der Lichtung zusammengeführt hat. Die Lichtführung und der scheinbar von Menschen unberührte Wald tragen wesentlich zur friedlichen und märchenhaften Stimmung bei.
Das Gemälde gehört zur Gattung der sogenannten Paradieslandschaften, die ab Mitte des 16. Jahrhunderts in Mode kam.
Die Erschaffung der Tiere, Heiligenlegenden, Szenen im Paradies sowie die Erzählung von der Arche Noah hatten den Malern schon immer Gelegenheit gegeben, unterschiedlichste Tierarten auf einem Bild vereint darzustellen. Seit der Renaissance kamen mythologische Szenen, wie die Legende von Orpheus unter den Tieren, verstärkt hinzu. Seit Mitte des 16. Jahrhunderts verschob sich der Schwerpunkt dieser Darstellungen: Hatte zuvor die christliche (oder mythologische) Geschichte im Vordergrund gestanden, nutzten die Maler jetzt diese Sujets als willkommenen Vorwand, um möglichst viele Tiere vorzuführen. Die erzählerischen Szenen rückten dabei immer mehr in den Hintergrund. Unser Bild steht am Ende dieser Entwicklung, denn hier ist der christliche, bzw. mythologische, Bezug ganz verschwunden. Die Tiere und die Landschaft stehen für sich. Roelant Savery (1576 Kortrijk - 1639 Utrecht), gehört neben Jan Brueghel I., einem Sohn Pieter Brueghels, zu den Hauptvertretern des Genres der Paradieslandschaften.
Diese Entwicklung ging mit einem verstärkten wissenschaftlichen Interesse am Tier einher. Neue Arten, die durch die Entdeckungsreisen bekannt wurden " wie der südamerikanische Papagei auf unserem Bild " erschütterten die Autorität der althergebrachten Werke zur Tierwelt, die sich im wesentlichen noch auf Aristoteles stützten. Nachdem durch die Hinwendung zum Diesseits in der Renaissance zunächst die Pflanzenwelt in das Blickfeld der Gelehrten geraten war, fanden nun auch die Tiere ihr Interesse. So entstanden in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts umfangreiche Tierenzyklopädien, wie die des Schweizer Humanisten Conrad Gesner. Die Verfasser dieser reich illustrierten Werke traten mit dem Anspruch auf, die Tiere selbst in Augenschein genommen zu haben, weswegen man sie auch die "Väter der modernen Zoologie" nennt.
Die Entdeckungsreisen führten auch in der Antike bereits bekannte Tierarten, wie zum Beispiel Nashörner, Elefanten oder Giraffen, den Europäern erneut vor Augen. Einen Reflex hiervon zeigt das zweite Bild von Roelant Savery aus der Göttinger Kunstsammlung, "Orpheus unter den Tieren" (um 1614), daß ebenfalls vorgestellt werden wird. Kamele, Elefanten und Löwen kann man hier zwischen der einheimischen Tierwelt entdecken. Sie sind recht gut getroffen, was Saverys Zeit als Hofmaler bei Kaiser Rudolf II. in Prag zu verdanken ist. Dieser leidenschaftliche Sammler, versuchte in seinen Menagerien möglichst viele exotische Tiere zu halten, was Savery die Möglichkeit gab, sie nach dem Leben zu zeichnen.
Roelant Savery nur als Tiermaler vorzustellen, wäre jedoch zu kurz gegriffen. Er war auch ein bedeutender Maler von reinen Waldlandschaften und die märchenhaft-idyllische Athmosphäre seiner Tierstücke lebt von seinem Können auf diesem Gebiet. Baumindividueen wie die knorrige Eiche in unserem Bild "Waldlandschaft mit Hirschen und Ziegen" finden sich noch Jahrzehnte später in den Gemälden des bedeutendsten holländischen Landschaftsmalers des 17. Jahrhunderts, Jacob Ruisdael, wieder.