Kunstwerk des Monats im Februar 2010
07. Februar 2010
"Willem Schellinks. Malta ad vivum. 1664"
Vorgestellt von: Anne Charlotte Steland
Der wenig bekannte Amsterdamer Maler und Zeichner Willem Schellinks (1623-1678) fertigte Gemälde und Zeichnungen häufig in der Art des Italianisten Jan Asselijn (nach 1610-1652), dessen römische Studien er seit 1647 abzeichnete und in dessen Atelier er sich vermutlich auch als Maler fortbildete. Sein Hauptverdienst ist jedoch die akribische Dokumentation seiner Reisen in einer Vielzahl von vor Ort gefertigten topographischen Zeichnungen und in Reisetagebucheinträgen.
Eine erste Frankreichreise unternahm er 1646 als 23-jähriger zusammen mit seinem Freund, dem Rembrandtschüler Lambert Doomer. Sie führte von Nantes aus die Loire aufwärts bis Orléans, dann nach Paris und die Seine abwärts bis Rouen. Von Le Havre aus kehrte er mit dem Schiff nach Amsterdam zurück.
Eine zweite große Reise führte ihn als Begleiter des anfangs 13-jährigen Amsterdamer Reederssohnes Jacques Thierry zwischen 1661 und 1665 nach England, nochmals nach Frankreich, in die Schweiz, nach Italien mit Sizilien und Malta und nach Deutschland. Finanziert wurde diese Unternehmung von dem reichen Amsterdamer Rechtsanwalt Laurens van der Hem, in dessen Auftrag Willem Schellinks Ansichten aller bereisten Orte und interessanter Motive zeichnete. Sie dienten, wie die topographischen Zeichnungen etlicher weiterer Künstler, zur Illustration von Van der Hems Exemplar des „Atlas Maior“, der von dem Kartographen Joan Blaeu zwischen 1662 und 1672 herausgegeben wurde. Die Zeichnungen komplettierten die Karten, so dass sich diejenigen von Schellinks in den Bänden IV, XI und XII finden. Er lieferte insgesamt 120, darunter, in Band XII, acht des Hafens von La Valetta auf Malta, wo er 14. September 1664 landete.
Das Blatt der Göttinger Kunstsammlungen ist beschriftet: „W. Schellinks. Malta ad vivum. 1664“. Es zeigt den Blick von der Seeseite auf die Hafenanlagen von La Valetta auf Malta mit der Fontana Nuova, die der Wasserversorgung der Schiffe diente, auf die Befestigungsanlagen mit dem Garten des Großmeisters Lascaris, auf die Kirche Notre Dame de Liesse, die kleine Kapelle San Salvatore und auf See auf eine Fregatte, die eine Salve abfeuert. Die Anlage ist mit größter Genauigkeit wiedergegeben und vermittelt uns einen Eindruck von der damaligen, heute stark veränderten Ansicht des Hafens. Das Blatt bietet uns Anlass zu Fragen: Wie hat Schellinks die Zeichnung technisch durchgeführt" Handelt es sich um eine Originalaufnahme vor Ort" Für welchen Zweck konnte das Blatt genutzt werden" Was konnte einen möglichen Käufer an einer derartigen Vedute-Zeichnung interessieren" Zudem können wir anhand von Vergleichsbeispielen Schellinks’ Arbeitsmethode rekonstruieren.
Veduten wurden seit dem 16. Jahrhundert von vielen Künstlern gezeichnet, zunächst vorwiegend römische Ruinen von archäologischem Interesse. Seit dem 17. Jahrhundert kamen vielfältige topographische Zeichnungen auch zeitgenössischer Bauten und interessanter Landschaftsausschnitte hinzu. Manche wurden in graphischen Folgen publiziert. Außerdem entwickelte sich damals ein neuer, schnell wachsender Markt für Zeichnungen als preiswerter Kleinkunst. Von seinen zahlreichen Kollegen unterschied Schellinks sich allerdings durch die Akribie der Dokumentation seiner Reisen in Zeichnungen und Tagebucheinträgen.