Traumtheorie und Traumpraxis vom 3.-1. Jt. v. Chr.

Nach einhelliger Meinung der Antikenforschung träumten die Menschen der Antike grundlegend anders als wir heute; wie bei Artemidor angeführt habe es Botschaftsträume gegeben, worin die "Alten" von ihren Göttern direkte Anweisungen erhalten hätten, die keiner Deutung mehr bedurft hätten. Die Analyse sämtlicher Quellen zu altorientalischen Träumen und der Nachweis ihrer teils minutiös geregelten Formensprache kann in Kombination mit moderner empirischer und kulturwissenschaftlicher Traumforschung nachweisen, dass diese Vorstellung völlig an den Quellen vorbeigeht. Es lässt sich beweisen, dass die merkwürdig klar wirkenden "Botschaftsträume" vielmehr Träume sind, die schon in ihre gedeutete Version transponiert worden waren. Diese gedeutete Version ist der sog. "Traumkern", der nach ao. Perspektive dem Gedanken einer Gottheit entspricht. Damit wird zum ersten Mal eine kohärente wissenschaftliche Kategorisierung von antiken Träumen möglich. Viele weitere Erkenntnisse zu Theorie und Praxis des Traumes (die stichwortartige Liste der Ergebnisse umfasst 28 Seiten): Träume sind nach altorientalischer Perspektive Außenträume, während derer eine Art "Freiseele" des Menschen Ortswechsel vornehmen und Besucher empfangen kann. Erster sprachlicher Nachweis von Inkubationen und damit erste fundierte Darstellung von Ablauf und Zweck inkubatorischer Praktiken. Träume werden auf ihre Relevanz überprüft und sind gegebenenfalls nicht nur zu "deuten", sondern vielmehr zu "lösen", d.h. die in ihnen transportierten "Keime" einer schlechten Zukunft sind rituell unschädlich zu machen. Die Arbeit wurde innerhalb der theologischen Forschung zur methodischen Basis einer Dissertation gemacht (J. Lankau).

Monographie
Traum und Welterleben im antiken Mesopotamien. Traumtheorie und Traumpraxis im 3. - 1. Jt. v. Chr. als Horizont einer Kulturgeschichte des Träumens, Alter Orient und Altes Testament 333 (Münster) 2006.

Weitere Beiträge
Dreams as Gods and Gods in Dreams. Dream-Realities in Ancient Mesopotamia from the 3rd to the 1st Millennium B.C., in: L. Sassmannshausen (Hg.), He Has Opened Nisaba´s House of Learning. Studies in Honor of Åke Waldemar Sjöberg On the Occasion of His 89th Birthday on August 1st 2013, Leiden u.a. 2014, 299-313.

Nächtliche Wege der Erkenntnis, in: R. Dittmann - H. Neumann (Hg.), Wissenskultur im Alten Orient. Weltanschauung, Wissenschaften, Techniken, Technologien. Colloquien der Deutschen Orient-Gesellschaft IV, 2012, 169-182.

Die ältesten Träume der Menschheit. Von der Entzifferung der Keilschrift und den Wurzeln unserer Kultur, in: J. Sánchez de Murillo (Hg.), Menschen, die suchen. Edith-Stein-Jahrbuch Band 9, Würzburg (2003) 342-353.

Die Welt im Schlaf sehen - Inkubation von Träumen im antiken Mesopotamien, Welt des Orients 32 (2002) 74-101.