Das Institut für Diversitätsforschung solidarisiert sich mit dem Anliegen, die Antidiskriminierungsberatung für Studierende zu erhalten.

Göttingen, 8. Juni 2021. In der Diversitätsstrategie der Universität Göttingen ist an prominenter Stelle festgehalten: „Wir wollen durch die Verbindung von Diversitätspolitik mit dem Abbau von Diskriminierung die Zukunftsfähigkeit der Universität Göttingen stärken.“ (Diversitätsstrategie der Universität Göttingen, S. 7). Diskriminierungsschutz ist ein entscheidender Bestandteil der Strategie, an der das Institut für Diversitätsforschung beratend mitgewirkt hat. Die „Überwindung aller […] geschlechtsbedingten, ethnischen, kulturellen, sozialen und religiösen Benachteiligungen“ ist ein Ziel, zu dem die Universität ihrem Leitbild zufolge beitragen will. Entsprechend überrascht es auch nicht, dass die Antidiskriminierungsberatung für Studierende als Beispiel in der Broschüre zur Diversitätsstrategie benannt wird.

Aus fachlicher Sicht ist Diversity Management nur im Zusammenhang mit Antidiskriminierungsarbeit sinnvoll. Eine spezialisierte Antidiskriminierungsberatung ist dabei ein wichtiger Bestandteil (siehe dazu auch Schlenzka/Foitzik 2021). Eine Beratung übernimmt Funktionen, die eine Beschwerdestelle, wie sie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verpflichtend für Beschäftigte fordert, gar nicht übernehmen kann. Abgesehen davon, dass AGG-Beschwerdestellen nicht immer für Studierende geöffnet sind, sind folgende Funktionen besonders hervorzuheben: eine Beratung ist vertraulich, so lang die betroffene Person das möchte. Eine Beratung kann Betroffene auch hinsichtlich der Handlungsmöglichkeiten beraten, da eine formelle Beschwerde nicht immer der richtige Weg ist. Wird der Weg der formellen Beschwerde (bei denen, die dazu befugt sind) eingeleitet, kann die Antidiskriminierungsberatung Betroffene dabei begleiten (vgl. Schlenzka/Foitzik 2021, Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2020). Das Vorhandensein einer Antidiskriminierungsberatung – die wie im Göttinger Fall z.B. auch die Möglichkeit eröffnet, diskriminierende Vorfälle anonym zu melden – leistet einen Beitrag dazu, Informationen zum Vorhandensein von Diskriminierung zu generieren. Dies sensibilisiert auch für Diskriminierung und Möglichkeiten, ihr vorzubeugen. Wie in allen Veränderungsprozessen ist es wichtig, dass von der Leitungsebene das Signal ausgeht: das Thema ist uns wichtig, wir positionieren uns klar. Entsprechend müssen die Aussagen auf der Ebene des Leitbilds und der Strategien auch mit konkreten Maßnahmen unterfüttert sein. Eine inklusive und transformative Diversitätsstrategie, wie sie die Universität Göttingen verfolgt und europaweit diskutiert wird, geht über die rechtliche Vermeidung von Diskriminierungsbeschwerden weit hinaus. Der stete Versuch, die Organisation und ihr Umfeld diversitätsgerechter zu gestalten, kommt aber ohne Diskriminierungsschutz nicht aus (vgl. Bührmann 2020).

Die Corona-Krise hat Diskriminierungsrisiken eher verschärft. Das zeigt sich u.a. darin, dass die Antidiskriminierungsstelle des Bundes den bisher deutlichsten Anstieg an Beratungsanfragen seit 2007 verzeichnet: seit dem Vorjahr stieg die Zahl der Beratungswünsche um 78%. Über ein Drittel der Fälle spielte sich in nicht vom AGG direkt geschützten Bereichen ab, wie dem Bildungsbereich (Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2021: 43). Auch die veränderte Situation in der Lehre deutet auf neue Risiken hin. Studien zu Diskriminierungserfahrungen Studierender (die es bisher nicht flächendeckend gibt) kommen übereinstimmend zu dem Schluss, dass die meisten Diskriminierungserfahrungen in Lehrveranstaltungen gemacht werden. Durch die Umstellung der Lehre auf online-Formate sind diese Risiken ggf. anders verteilt als zuvor, aber nicht gebannt.

Literatur:

Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2020): Bausteine für einen systematischen Diskriminierungsschutz an Hochschulen, 2. Auflage. Berlin: online
https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Expertisen/bausteine_f_e_systematischen_diskrimschutz_an_hochschulen.pdf?__blob=publicationFile&v=7

Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2021): Gleiche Rechte, gleiche Chancen – Jahresbericht 2020 der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Berlin: online
https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Jahresberichte/2020.html

Bührmann, Andrea D. (2020): Reflexive Diversitätsforschung. Eine Einführung anhand eines Fallbeispiels. utb

Diversitätsstrategie der Universität Göttingen, 2. aktualisierte Auflage, Mai 2019 https://www.uni-goettingen.de/de/document/download/ed4077c3955bbc3b0620c92160f826ce.pdf/Positionspapier%20Diversitaet_A5-2019-web.pdf

Leitbild für die Georg-August-Universität Göttingen, Stand 2013, https://www.uni-goettingen.de/de/43883.html

Schlenzka, Nathalie/Foitzik, Andreas (2021): Diskriminierungsschutz aktiv gestalten: Herausforderungen und Möglichkeiten für Hochschulen. In: Gero Bauer/Maria Kechaja/Sebastian Engelmann/Lean Haug (Hg.): Diskriminierung und Antidiskriminierung. Beiträge aus Wissenschaft und Praxis. transcript, S. 99 – 110. https://doi.org/10.14361/9783839450819-006