Genese, Struktur und Entwicklung der kaiserzeitlichen und völkerwanderungszeitlichen Siedlung Groß Meckelsen, Ldkr. Rotenburg (Wümme)
Jan Bock M. A.
In Groß Meckelsen, Ldkr. Rotenburg (Wümme), zentral gelegen im Elbe-Weser-Dreieck, wurde zwischen 1986 und 2002 ein Siedlungsplatz der Römischen Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit planmäßig und nahezu vollständig archäologisch untersucht. Dabei wurden über 10.700 Befunde freigelegt und dokumentiert; an Baustrukturen können etwa 100 Langhäuser, 100 Grubenhäuser, Nebengebäude wie Speicher, Zäune, Brunnen und technische Anlagen identifiziert werden. Damit gehört diese Siedlung, die vermutlich vom 1. bis zum frühen 6. Jahrhundert bestanden hat, zu einer sehr kleinen Gruppe von lange genutzten, außerhalb der Marschen gelegenen und umfassend untersuchten Plätze in Niedersachsen, zu der u. a. Flögeln und Loxstedt (beide Ldkr. Cuxhaven) zählen. Im Gegensatz zu diesen beiden Siedlungen ist für Groß Meckelsen durch die Überreste von weit über 300 Rennfeueröfen eine intensive Eisenverhüttung belegt.
Die Auswertung der Ausgrabung zielt auf alle Bereiche der Chronologie und der Siedlungsgeschichte, der Sozialgeschichte, der Wirtschaftsgeschichte und der Binnenstruktur mit all ihren Baubefunden und ihrer Entwicklung. Insbesondere sind Fragen nach Genese und Ende der Siedlung, nach einem möglichen Strukturwandel und einer sozialen Differenzierung sowie nach einer möglichen wechselnden Bedeutung der Eisengewinnung (Eigenversorgung oder Handelsgut?) zu klären. Hierfür stehen neben der archäologischen Bearbeitung archäobotanische und archäozoologische Ergebnisse sowie archäometrische Analysen (Phosphatanalysen, 14C-Datierung, Untersuchungen der Eisenschlacken) zur Verfügung. Über die zahlreichen Relikte zur Eisenmetallurgie besteht für das Land Niedersachsen erstmals die Möglichkeit, konkrete Ansatzpunkte für das Zusammenwirken des ökonomischen Faktors der Eisengewinnung und -verarbeitung mit der vollständig erfassten Struktur einer kaiserzeitlichen und völkerwanderungszeitlichen Siedlung sowie mögliche Auswirkungen auf ihr soziales Gefüge zu fassen. Schließlich reiht sich Groß Meckelsen in eine Gruppe von Siedlungen ähnlicher Zeitstellung in Schleswig-Holstein, Dänemark und den Niederlanden ein. Auch hier dürfte der Vergleich die besondere Stellung des Fundplatzes im kaiserzeitlichen Siedlungsgefüge der Region und darüber hinaus verdeutlichen. Auch seine Lage im Grenzbereich des nordseegermanischen, des elbgermanischen und des rhein-weser-germanischen Kulturkreises bietet dabei eine einzigartige Ausgangsbedingung für eine regionale und überregionale Vergleichsstudie.
Das Projekt wird vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur im Rahmen seines Förderprogramms PRO*Niedersachsen gefördert.