Prof. Dr. Shalini Randeria

Fellow von September 2010 bis Juni 2011
Dr., Professorin für Ethnologie an der Universität Zürich, Schweiz

Geboren 1955 in Washington, USA
Studium der Psychologie, Soziologie und Sozialanthropologie in Delhi und Oxford

Forschungsvorhaben:
Entrechtung durch Verrechtlichung: Konflikte um Enteignung, rechtlicher Widerstand und der listige Staat in Indien

Meine Forschung widmet sich der gegenwärtigen Dynamik der ursprünglichen Akkumulation in Indien. Prozesse der Enteignung und Entrechtung, die eng mit Fragen der Umweltgerechtigkeit verbunden sind, stehen dabei im Mittelpunkt. Die damit einhergehende Verarmung wird als Preis für den wirtschaftlichen Aufstieg des Landes politisch in Kauf genommen. Ethnographische Fallstudien aus unterschiedlichen Regionen des Landes lassen verschiedene Aspekte dieser Prozesse erkennen: die Vertreibung von Bauern und Fischer, um private Häfen und Sonderwirtschaftszonen nach chinesischem Vorbild zu errichten; die Zwangsumsiedlung von Slumbewohnern, um städtische Verkehrsinfrastruktur aufzubauen; die Zerstörung von Bergdörfern, um ausländischen und einheimischen Minengesellschaften den Abbau von wertvollen Rohstoffen zu ermöglichen und schließlich die Beschneidung von Rechten der Hirten-Nomaden, um den Schutz der Biodiversität zu gewährleisten. Es wird dabei einerseits die Privatisierung von staatlichem sowie gemeinschaftlichem Eigentum („commons“) untersucht. Andererseits wird die Einführung von neuen geistigen Eigentumsrechten auf biogenetische Ressourcen analysiert, die die bisherigen kollektiven Rechte von Bauern und Bäuerinnen beschneidet.
Anhand ethnographischer Studien werden die alltäglichen Praktiken des Staates untersucht, der durch die Verrechtlichung von immer mehr Lebensbereichen die Entrechtung der armen Bevölkerungsschichten vorantreibt. Der „listige Staat“ betreibt zudem mit eklatanten Verstößen gegen die eigenen Gesetze eine beträchtliche Umverteilung des Reichtums von unten nach oben. Die Studien werden ferner die Grenzen und die Ambivalenz des lokalen Protests aufzuzeigen versuchen, der von sozialen Bewegungen, Nicht-Regierungs-Organisationen sowie den betroffenen BürgerInnen geleistet wird. Da diese Akteure in ihren Bemühungen um soziale Gerechtigkeit primär die Gerichte mobilisieren, artikuliert sich der Widerstand gegen die Entrechtung und Enteignung ebenfalls in der Sprache des Rechts. Dabei wird die Grenze zwischen Recht und Politik neu konfiguriert. Der Band „Entrechtung durch Verrechtlichung“, den ich während des Aufenthaltes am Lichtenberg-Kolleg verfassen möchte, untersucht vor diesem Hintergrund die gegenwärtigen Prozesse der Transformation von Staatlichkeit und Souveränität, die Transnationalisierung von Recht und Policy und den Wandel von Governance im postkolonialen Indien, allesamt Prozesse, die mit neuen Formen der Ausübung von „citizenship rights“, insbesondere seitens der Armen und der Aktivisten, die sie repräsentieren, einhergehen.


Ausgewählte Publikationen:

Randeria, S. (Hg.) (im Druck 2010). Border Crossings: Grenzverschiebungen und Grenzüberschreitungen in einer globalisierten Welt. Zürich: vdf Hochschulverlag.

Randeria, S. und A. Eckert (Hg.). 2009. Vom Imperialismus zum Empire: Nicht-westliche Perspektiven auf Globalisierung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Verlag.

Randeria, S., Fuchs M. und A. Linkenbach (Hg.). 2004. Konfigurationen der Moderne: Diskurse zu Indien. Soziale Welt Sonderband 15. Baden-Baden: Nomos Verlag.

Friedman, J. and S. Randeria (eds.). 2004. Worlds on the Move: Globalisation, Migration and Cultural Security. Toda Institute Book Series on Global Peace and Policy Research, 6. London: I.B. Tauris.

Conrad, S. und S. Randeria (Hg.). 2002. Jenseits des Eurozentrismus: Postkoloniale Perspektiven in den Geschichts- und Kulturwissenschaften. Frankfurt a. M.: Campus Verlag.