Entwicklung einer transgenbasierten, ökologisch verträglichen Schädlingsbekämpfung
Das von uns entwickelte Transformationssystem stellt neuartige Möglichkeiten für die genetische, zoologische und ökologische Grundlagenforschung zur Verfügung (Wimmer, 2003). Daneben verfolgen wir aber auch konkrete Anwendungen. In Kombination mit unsere Erfahrung in der molekularen Entwicklungsbiologie bietet das potentiell 'universelle' Transformationssystem nämlich Möglichkeiten, die chemische Schädlingsbekämpfung durch moderne, ökologisch verträglichere zu ersetzen. Die genetische Strategie der Freisetzung großer Mengen steriler Insektenmännchen, die als Sterile-Insekten-Technologie (SIT) bezeichnet wird, führt zu fruchtlosen Paarungsereignissen und kann so eine Schädlingspopulation stark und nachhaltig reduzieren. Da die gleichzeitige Freisetzung steriler Weibchen aber die Effizienz der SIT reduziert, und zudem Früchte aufgrund des Anstechens mit dem Legestachel geschädigt werden, sollen die Weibchen von den Männchen vor der Freisetzung getrennt werden.
Die Trennung beruht in der konventionellen SIT auf arbeitsintensiver Sortierung oder auf konventionell-genetischen Methoden, die ein langjähriges Zuchtprogramm voraussetzen und speziesspezifisch sind. Männchen werden bisher durch mutagene Röntgen-Strahlung sterilisiert. Durch die Bestrahlung wird die Vitalität und Konkurrenzfähigkeit sterilisierter Insektenmännchen aber gegenüber freilebenden oft stark beeinträchtigt. Eine Transgen-vermittelte Sterilität könnte diesen Kompetitionsnachteil steriler Männchen aufheben. Wir konnten kürzlich zeigen, dass durch supprimierbare frühembryonale Letalität kompetitive Männchen erhalten werden können, deren Nachkommen sterben (Horn & Wimmer, 2003). Mit Hilfe dieses Systems werden in Verbindung mit Transgen-vermittelter, weiblicher Letalität kompetitive sterile Männchen in Massen erzeugt werden können. Da transgene Weibchen letal und freizusetzende transgene Männchen steril sind, sollte eine Verbreitung der Transgene ausgeschlossen sein, was für die ökologische Verträglichkeit dieser speziesspezifischen Bekämpfungsmethode spricht.
Unsere molekulargenetischen und gentechnologischen Ansätze zu einer modernen, ökologisch verträglichen Insektenbekämpfung im Interesse einer nachhaltigen Nutzung von Agrar- und Forstwirtschaft werden von der Robert Bosch Stiftung gefördert. Die universelle Funktionalität der Markierungsgene bietet zudem die Möglichkeit einer Technologiefolgenabschätzung im Hinblick auf die Freisetzung transgener Tiere. Unsere Markierungsgene beruhen auf harmlosen Fluoreszenzproteinen und tragen keine Gene für Wirkstoffresistenzen. Daher könnten erste Freisetzungsversuche von transgenen Insekten, die ausschliesslich das ungefährliche Markierungsgen tragen, Aufschluß über Verbreitung und Vermischung mit Wildtyp-Populationen geben. Ein Transgen-basiertes SIT-Programm sollte relativ sicher sein, da aufgrund der Sterilität eine vertikale Verbreitung der Gene von vornherein ausgeschlossen wird. Trotzdem muss überprüft werden, ob nicht durch horizontalen Gentransfer, bei dem Gene durch Transposons und Viren von einer Spezies auf eine andere übertragen werden, andere Tierarten gefährdet sein könnten. Da unsere Markierungsgene nicht speziesspezifisch sind, sondern in allen augentragenden Organismen funktionieren sollten, wären auch horizontale Gentransfers leicht zu identifizieren. Entsprechende biologische Risikoabschätzungen sind von grundlegender Bedeutung, wenn Freisetzungen von transgenen Insekten zur Insektenbekämpfung geplant werden. Zudem sollte durch bessere Einschätzungen der Bedingungen und Gefahren einer Freisetzung von transgenen Insekten auch die gesellschaftliche Akzeptanz von sicherer und sinnvoller Gentechnologie gefördert werden können.