Responsive Steuerung von Innovationsverhalten für Nachhaltigkeit (ReSINa)

Thema
Responsive Steuerung von Innovationsverhalten für Nachhaltigkeit (ReSINa)
Teilprojekt Innovation und Recht bei Chemikalienregulierung und Gentechnik

Auftraggeber
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
Förderschwerpunkt "Wirtschaftswissenschaften für Nachhaltigkeit" (WiN2)

Laufzeit
09.2010 - 02.2014


Ergebnisse in Bezug auf die förderpolitischen Ziele

Die Leitidee des Vorhabens ist, dass die Instrumentensets hoheitlicher Regulierung zwar insgesamt das unternehmerische Handeln beeinflussen, aber noch zu wenig auf Nachhaltige Entwicklung als lernenden Prozess abgestimmt sind. Untersucht wurde die Frage, welche Anreize von regulativen Instrumenten auf Innovationsentscheidungen in Unternehmen sowie Innovationsprozessen zwischen Unternehmen - beide auch gesteuert durch betriebliches Controlling - ausgehen, und inwieweit diese dazu beitragen, die Innovationsprozesse an den Kriterien Nachhaltiger Entwicklung auszurichten. Soweit dabei Defizite zutage treten, waren verhaltenswissenschaftlich fundierte Gestaltungsempfehlungen im Sinne einer responsiven Steuerung zu entwickeln.

Vor diesem Hintergrund untersuchte das Verbundvorhaben Anreize und Hemmnisse in bestimmten, für eine Nachhaltige Entwicklung besonders relevanten Politikbereichen (Nanomaterialien, Gentechnik, Chemikalienregulierung). Im Mittelpunkt stand das unternehmerische Innovationsverhalten entlang von Wertschöpfungsketten mit dem Ziel, Empfehlungen für das Zusammenspiel von betrieblicher und überbetrieblicher Innovation und der Innovationspolitik des Staates zu erarbeiten.

Aufgrund des prozessualen Charakters von Nachhaltigkeit war der Rechtsrahmen auf dynamische Anpassungen auszulegen. Das Vorhaben widmete sich dem Konflikt zwischen langfristigen Nachhaltigkeitszielen auf der einen und den oftmals ausgesprochen myopisch orientierten Akteuren in Politik und Unternehmen auf der anderen Seite: Unternehmen können trotz nicht-nachhaltiger Effekte von Innovationen diese dennoch vermarkten, um kurzfristige Renditen zu realisieren. Vor diesem Hintergrund untersuchte das Vorhaben in konkreten Regulierungsbereichen, wie sich das Innovationsverhalten von Unternehmern durch eine Justierung verschiedener regulativer Instrumentensets in der Weise verbessern lässt, dass der Staat responsiv, also die Anreiz- und Hemmnis-Situation der Normadressaten spezifisch berücksichtigend, und zugleich flexibel steuernd eingreift.

Mit diesem Steuerungskonzept sind ordnungspolitische Regelungsmuster zu rejustieren und neu zu konzipieren, um sie an den Kriterien Nachhaltiger Entwicklung auszurichten. Das Vorhaben leistete methodisch hierzu einen verhaltenswissenschaftlichen Beitrag, indem es die Wechselwirkungen zwischen Akteuren in Unternehmen untersuchte und nach den jeweiligen Motiven fragte, auf deren Basis die Akteure innovativ im Sinne der Nachhaltigkeit agieren. Für den Innovationserfolg entscheidend ist das Zusammenspiel zwischen institutionellem und organisatorischem Kontext einerseits und der individuellen Anreiz- und Hemmnissituation anderseits sein. Das Vorhaben lieferte sowohl einen anwendungsorientierten Beitrag in konkreten nachhaltigkeitsrelevanten Politikbereichen als auch einen verhaltenswissenschaftlichen und steuerungstheoretischen Beitrag zur Nachhaltigkeitsökonomik. Dieser Ansatz zielte zudem darauf ab, zur methodischen und konzeptionellen Anschlussfähigkeit der Nachhaltigkeitsökonomik zu den Rechtswissenschaften beizutragen.

Wissenschaftlich-technische Ergebnisse

Basierend auf den Ergebnissen zum Controlling können Unternehmen die entscheidenden Akteure identifizieren und Kooperationsmechanismen für die Planung und Bewertung nachhaltigkeitsorientierter Investitionsentscheidungen entwickeln. Verschiedene Instrumente stehen der Praxis für diese Aufgaben zur Verfügung. Anhand einer Umfrage konnten besonders geeignete Instrumente identifiziert und Best-Practice-Beispiele erarbeitet werden. Die bisherigen theoretischen und experimentellen Ergebnisse zu REACh geben Raum für die Befürchtung, dass die Eigentümer von Daten die bestehende Informationsasymmetrie im SIEF hinsichtlich der Höhe der Kosten ausnutzen könnten, um die gesetzlich vorgesehene Teilung zu gleichen Teilen im Falle von Nichteinigung zu umgehen. Tatsächlich zeigen sich dafür auch empirische Anhaltspunkte. Eine breite empirische Erhebung der Kostenteilung in SIEFs insbesondere in Bezug auf KMU steht aber aus, wobei insbesondere auf die Erfahrungen im Rahmen der zweiten und dritten Registrierungsfrist für vorregistrierte Stoffe zurückzugreifen wäre, bei der nunmehr auch in größerem Umfang KMU zu den Registranten zähl(t)en. Bestätigt sich dabei der Befund, ist zu fragen, auf welche Weise sich die bestehende Regelung ergänzen lässt, um Transparenz und Fairness für die Aufteilung der Kosten bei gemeinsamer Datennutzung zu gewährleisten.
Für die Risikokommunikation anhand der Sicherheitsdatenblätter zeigt sich, dass entlang der Wertschöpfungskette das eigentlich normativ aus Nachhaltigkeitssicht erwünschte Gleichgewicht von gutem angebotenen Sicherheitsdatenblatt und entsprechender Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Sicherheitsdatenblatt sich nur ausnahmsweise einstellt. Im Ergebnis kann sich ein "market for lemons" entwickeln, in dem nur noch schlechte Sicherheitsdatenblätter im Markt bleiben. Da die Sicherheitsdatenblätter zentrales Kommunikationsinstrument entlang der Wertschöpfungskette bei REACh sind, stellt dies den grundlegenden Wirkungsmechanismus in Frage. Für die Implementation ist deshalb nach anreizkompatiblen Institutionen zu suchen, die dafür sorgen, dass sich die Qualität der Sicherheitsdatenblätter erhöht. Diese Funktion könnte neben einer regelmäßigen Überprüfung und fühlbaren Sanktionierung auch möglicherweise eine striktere Haftungsregel übernehmen. In Betracht kommt auch, eine Rechtsgrundlage zu schaffen, die es erlaubt, im Vollzug identifizierte Mängel an Sicherheitsdatenblättern zu veröffentlichen um damit Lernprozesse (auch bei den Anbietern entsprechender Datenbank-Lösungen) zu unterstützen und zugleich Anreize zur Vermeidung negativer Publizität zu schaffen.

Im Bereich Pflanzenzucht sind die Erkenntnisse zu Regulierungsproblemen geprägt durch die Etablierung eines privatwirtschaftlichen Patent-Pools, der es den Züchtern erlauben würde, auch bei einem weiteren Vordringen von "Bio-Patenten" hoch innovativ zu bleiben.

Hervorzuheben sind zudem die Erkenntnisse auf der methodischen Ebene: Wie sich institutionelle Rahmenbedingungen auf die Ausrichtung von Innovationsprozessen bei Nanomaterialien auswirken, ließ sich mit der Planspielmethode prägnant abbilden. Damit leistet die Untersuchung einen theoretischen Beitrag, an den die wissenschaftliche Praxis anknüpfen kann.

Die entwickelte Methode lässt sich zudem von der Unternehmenspraxis aufgreifen: Sie ermöglicht es, begründete Aussagen zu treffen über die Marktentwicklung im Licht sich ändernder rechtlicher und ökonomischer Rahmenbedingungen. Ein unmittelbarer Praxisbezug ergibt sich zudem aus den Gestaltungsempfehlungen bezüglich institutioneller Arrangements (bspw. hinsichtlich der betriebsinternen Schnittstellen zwischen Compliance und Innovationsentscheidungen oder privatwirtschaftlichen Lösungen zum Schutz von Innovationen im Sortenschutz), die Unternehmen dabei unterstützen sollen, Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung auf den Weg zu bringen.


Weitere Informationen unter www.resina-projekt.de.


Projektpartner

  • Prof. Dr. Kilian Bizer (Professur für Wirtschaftspolitik und Mittelstandsforschung u. Direktor des Centrums für Europa-, Governance- und Entwicklungsforschung (cege), Georg-August Universität Göttingen)
  • Prof. Dr. Martin Führ (Professur für Öffentliches Recht u. Leiter der Sonderforschungsgruppe Institutionenanalyse (sofia), Hochschule Darmstadt)
  • Prof. Dr. Klaus Möller (Leiter des Center for Performance Research & Analytics (CEPRA), Universität Augsburg)
  • Prof. Dr. Tobias Stoll, Professur für Öffentliches Recht u. Mitglied des cege-Vorstands, Georg-August-Universität Göttingen


    • Kooperationspartner

      • Wittenstein AG, Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik GmbH & Co KG, Heraeus GmbH, Verband der Chemischen Industrie (VCI)



      Dissertationen im Kontext des Projektes



      Publikationen


      • Bizer, Kilian, 2011: Ökonomische Anreize aus REACH, in: Martin Führ (Hg.): Praxishandbuch REACH, Carl Heymanns Verlag, Köln, 34-50.
      • Bizer, Kilian & Katarzyna Haverkamp, 2012: Nachhaltigkeit im Handwerk (Göttinger handwerkswirtschaftliche Studien 88), Mecke, Duderstadt.
      • Bizer, Kilian & Martin Führ, 2014: Praktisches Vorgehen in der interdisziplinären Institutionenanalyse, sofia-Diskussionsbeiträge zur Institutionenanalyse 14-7, Darmstadt.
      • Eggert, Yvonne, 2014: Joint submission an data sharing in the registration process of the european regulation (EC) No 1907/2006 (REACh), Diss. Universität Göttingen.
      • Hensel, Stephan, 2011: Forschungsperspektiven. Erfüllungsaufwand für Normadressaten im Kontext der europäischen Chemikalienregulierung REACh, in: AWV-Informationen Special VI: Bürokratieentlastung im europäischen Rechtsrahmen, 6-11.
      • Hensel, Stephan, Kilian Bizer, Martin Führ & Joachim Lange (Hg.), 2010: Gesetzesfolgenabschätzung in der Anwendung - Perspektiven und Entwicklungstendenzen, in: Interdisziplinäre Studien zu Recht und Staat, Band 48, Nomos, Baden-Baden.