Abstract
Rückfall gehört zu den zentralen Kategorien der Kriminologie, Strafrechtspraxis und Kriminalpolitik. Nimmt man den spezialpräventiven Anspruch des Strafrechts ernst, muss sich die Strafrechtspolitik daran messen lassen, wie gut es gelingt, Rückfälle zu verhindern. Aber auch die Institutionen, die unmittelbar mit Straftaten und Straftätern umgehen, bedürfen einer grundlegenden Information über die Folgen ihres Tuns. All dies sind Gründe, warum - neben den konventionellen Kriminalstatistiken, die den weiteren Verlauf der Straffälligkeit nicht verfolgen können - repräsentative Rückfalluntersuchungen benötigt werden.Im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz führen die Forschergruppen um Hans-Jörg Albrecht (Freiburg) und Jörg Martin Jehle (Göttingen) - mittlerweile in der 3. Erhebungswelle - die erste bundesweite Rückfallstudie durch, die auf den Daten des Bundeszentralregisters beruhte. Das Design, das eine periodische Datensammlung im Querschnitt mit einem Kohortendesign verknüpft, ermöglicht Beobachtungsperioden von 3 über 6 bis hin zu 9 Jahren. Damit wertet die deutsche Rückfalluntersuchung zum ersten Mal auf nationaler Ebene Informationen über Rückfälle bzw. Wiederverurteilungen aus, und zwar für alle strafrechtlichen Reaktionen, die im Bundeszentralregister bzw. Erziehungsregister registriert sind. Für ein Bezugsjahr (2004, 2007 oder 2010) werden Rückfallraten, differenziert nach Delikten, Sanktionen, früheren strafrechtlichen Reaktionen genauso wie nach Alter, Geschlecht und Nationalität der Täter, präsentiert.
Die Untersuchung weiterer Erhebungswellen wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert, zunächst mit rund 300.000 Euro für die nächste Welle und der Option einer weiteren Welle. Mit der Untersuchung wird zugleich der vom hiesigen Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Matthias Schumann geleitete Aufbau einer Datenbank gefördert, die anderen Forschern für eigene Studien zur Verfügung stehen soll (Forschungsdatenbank zum Rückfall in Deutschland).
Exemplarisch für weiterführende Auswertungsmöglichkeiten können die rückfallstatistischen Daten sanktionsspezifisch (vgl. Enrico Weigelt, Nina Palmowski, Sabine Hohmann-Fricke), unter deliktbezogenen Fragestellungen (vgl. Stefan Harrendorf, Andreas Reiff, Timo Gundlach, Ramona Griegel) oder geschlechtsspezifischen Aspekten der Sanktionierung und Rückfallwahrscheinlichkeit (Tanja Köhler) ausgewertet werden.