Bring your own source
Wessen Geschichte wird im Unterricht behandelt? Wer findet sich in ihm wieder und wer fühlt sich – andersherum – von den Themen, Materialien und Methoden aus dem Lehrplan und in der Unterrichtspraxis nicht angesprochen oder repräsentiert? In Anbetracht zunehmend heterogener Klassengemeinschaften an allen Schulformen stellen sich diese Fragen, die sowohl auf den Inhalt, als auch auf die didaktische Form der Vermittlung im Unterricht zielen. Ganz besonders deutlich wird dieses Repräsentanz- und damit auch Relevanzproblem in geisteswissenschaftlichen Fächern wie Geschichte oder Religion. Deshalb begegnen wir dem Problem in diesen Fachdidaktiken, indem wir das Arbeiten mit und an der Quelle ins Zentrum unserer Überlegungen stellen. Damit folgen wir einem – wenn nicht gar dem – wesentlichen Paradigma aktueller geschichtsdidaktischer Überlegungen: dem Quellenparadigma. Wir gehen dabei aber nicht – wie sonst üblich – von der Quelle aus, sondern wir stellen den Schüler an den Anfang unserer konzeptionellen Überlegungen. Damit nehmen wir ihn „als kleinen Historiker“ ernst und nutzen sein „Orientierungsbedürfnis“ zur Erschließung und Vermittlung von Vergangenheit. Auch aus religionspädagogischer Perspektive ist die Idee, über die von den Schüler:innen mitgebrachte Theologie ins Unterrichtsgespräch und in eine reflektive Auseinandersetzung zu kommen, ein wichtiges Anliegen. Eine von den Schüler:innen ausgehende Auswahl theologischer und historischer Quellen für den Religionsunterricht, an welcher sich solche Überlegungen zeigen lassen, wäre demnach ein erfolgversprechender Ausgangspunkt. Auf diese Weise bindet das Projekt auch Sprache und Kultur aller Schüler:innen in den Religions- und Geschichtsunterricht ein. Das ist ein zentrales Ziel des DaZ-Ansatzes: Sprache dient nicht nur als Mittel zur Kommunikation, sondern auch als Träger kultureller Werte, Traditionen und Weltanschauungen. Indem Schüler:innen die Sprache und den kulturellen Hintergrund der religiösen und historischen Quellen kennenlernen und erschließen, denken sie über ihre eigene Wahrnehmung nach und begreifen sich als wirkmächtig Handelnde. BYOS richtet sich an Schüler:innen, Lehrkräfte, Studierende, Forschende.
Für Schüler:innen:
Würdest du dir wünschen, ihr würdet im Geschichtsunterricht mal etwas anderes lesen als die politischen Reden bekannter Männer aus dem 18. Jahrhundert? Oder mal ein anderes Bild analysieren als das von Napoleons Krönung? Sollte im Religionsunterricht mal etwas anderes behandelt werden als …?
Wir finden, das sollte gehen. Dafür brauchen wir aber euch. Bringt euch in das Projekt ein und gestaltet euren Unterricht so aktiv mit. Vier Schritte zum Erfolg.
- 1. Zeigt eurer Lehrerin oder eurem Lehrer diese Homepage und fragt, ob es Möglichkeiten gibt, an dem Projekt teilzunehmen. Wenn ihr das gerne möchtet, wird das klappen.
- 2. Bringt eure eigene Quelle[CL2] mit in den Unterricht. Überlegt euch, welche Quelle ihr interessant findet, wie sie für den Unterricht interessant sein könnte und was eure Mitschüler:innen daran interessant finden könnten.
- 3. Überlegt, was ihr evtl. erklären müsst, damit eure Mitschüler:innen die Quelle verstehen können. Müsst ihr vielleicht sagen, woher und aus welcher Zeit sie stammt? Müsst ihr sie sogar übersetzen? Gibt es schwierige Wörter, die eure Mitschüler:innen vielleicht noch nicht kennen?
- 4. Stellt euch eure Quellen im Unterricht gegenseitig vor. Welche Fragen können sie euch beantworten? Welche nicht? Und wie passen sie deshalb zum Unterrichtsthema?
Für Lehrkräfte
bring your own source– ein Projekt für schüler:innenorientiert unterrichtende Lehrkräfte Statt von der Quelle auszugehen, stellen Sie Ihre Schüler:innen an den Anfang Ihrer didaktischen Überlegungen? Das machen wir auch. Mit dem Projekt bring your own source möchten wir fachdidaktisch fundiert auf die zunehmend heterogenen Klassenzusammensetzungen eingehen und sie als Chance für einen reichen Unterricht begreifen; einen Unterricht, der reich ist an kulturellen Einblicken, der reich ist an eigenen Fremdsprachen und der aus historischer Vielfalt schöpfen kann. Wir möchten Sie herzlich einladen, mit Ihren Klassen an der Ausgestaltung des von der Landesschulbehörde unterstützten Projekts teilzunehmen. Melden Sie sich dazu gerne HIER für die aktuelle Fortbildung an:
Näheres zur Fortbildung:
Im Zuge des universitär verankerten Projekts bring your own source der Zentralen Wissenschaftlichen Einrichtung für Lehrer*innenbildung der Georg-August-Universität Göttingen gestalten wir eine schuljahresbegleitende Fortbildung, die sich in ein Auftakttreffen, ein Begleitseminar und in einen Abschlussbericht gliedert. Ziel des Angebots ist die Erstellung eines Quellenkompendiums und eines dies didaktisch aufbereitenden Begleitmaterials. Beides wird Ihnen im Anschluss in Gänze digital zu Verfügung gestellt. Die Fortbildung richtet sich an Lehrkräfte aller Schulformen und wird ausgerichtet von der Geschichtsdidaktik, der Religionspädagogik und der DaZ-Forschung. Die Fortbildung wird niedersachsenweit und für alle Schulformen angeboten. Sie wird online stattfinden. Als Teilnehmer:innen dieser Fortbildung verantworten Sie in Ihrem Unterricht die Sammlung, die als Grundlage für das Quellekompendium und das Begleitmaterial dient: Geplant ist, dass Ihre Schüler:innen ihre Quelle in das Projekt einbringen; eine Quelle, der sie als solcher Relevanz für sich, ihre Mitschüler:innen und den jeweiligen Unterricht beimessen. In einem zweiten Schritt erfolgt in Ihrem Unterricht dann die (z.B. sprachliche) Aufbereitung dieser Quellen anhand der Vorschläge Ihrer Schüler:innen. Deren Ideen stellen die Grundlage dar für die Formulierung von Arbeitsaufträgen und Erschließungshilfen und werden von Lehramtsstudierenden, die ebenfalls am diskursiven Austausch in die Fortbildung eingebunden werden, didaktisch aufbereitet.
Wir setzen drei Online-Termine an:
- 16.9.24: 8-12 Uhr
- 13.1.25: 8-12 Uhr
- 30.6.25: 8-12 Uhr
Wir freuen uns sehr über Ihr Interesse und auf Ihre Teilnahme. Für Rückfragen stehen wir Ihnen als Organisationsteam gern zu Verfügung. Dr. Corinna Link, Dr. des. Melanie Lukas, Dr. Soheyla Pashang
Für Studierende
bring your own source– ein Projekt für praxisaffine Lehramtsstudierende Möchten Sie schon im Studium in einen engeren Austausch mit Schulen kommen und gemeinsam mit Lehrkräften Material aus dem Unterricht und für den Unterricht erarbeiten? Dann könnte dies das passende Angebot für Sie sein: Sie können sich in das Projektbring your own source auf zwei Arten einbringen. Entweder, Sie besuchen unsere Seminare zum Thema oder Sie nutzen das Projekt für Ihre studentische Forschung – oder beides. Seminare bieten wir für Sie als Bachelor- und Masterstudierende des Lehramts mit den Fächern Geschichte, Religion und aus dem DaF/DaZ-Bereich im Rahmen eines semesterbegleitenden Forschungsprojekt zur Quellenarbeit im Geschichts- und Religionsunterricht an. Das Projekt bring your own source verbindet Ihr Studium unmittelbar mit der schulischen Praxis: Sie besuchen und gestalten gemeinsam mit Lehrkräften eine Fortbildung und erarbeiten hier Unterrichtsmaterial für die schulische Praxis. So erweitern Sie Ihre didaktische Expertise und erleben schülerorientiertes Arbeiten hautnah mit. Dabei stellen wir das Arbeiten mit und an Quellen ins Zentrum, gehen dabei aber nicht – wie sonst üblich – von der Quelle aus, sondern wir stellen den Schüler an den Anfang unserer Überlegungen. Die Schüler:innen sollen Quellen mit in ihren Unterricht bringen, die für sie relevant sind und sie sollen sie für ihre Mitschüler:innen erschließen. Diese besondere Quellensammlung stellt das Material dar, mit dem wir im FoLL-Projekt und im Rahmen der Fortbildung arbeiten werden. Neben der gemeinsamen didaktischen Aufbereitung werden Sie zu diesem Material Forschungsfragen entwickeln, Sie werden die Daten auswerten, aufbereiten und veröffentlichen. Wir sind sehr gespannt auf Ihre Ideen und freuen uns über den Austausch.
verbindet Ihr Studium unmittelbar mit der schulischen Praxis: Sie besuchen und gestalten gemeinsam mit Lehrkräften eine Fortbildung und erarbeiten hier Unterrichtsmaterial für die schulische Praxis. So erweitern Sie Ihre didaktische Expertise und erleben schülerorientiertes Arbeiten hautnah mit. Dabei stellen wir das Arbeiten mit und an Quellen ins Zentrum, gehen dabei aber nicht – wie sonst üblich – von der Quelle aus, sondern wir stellen den Schüler an den Anfang unserer Überlegungen. Die Schüler:innen sollen Quellen mit in ihren Unterricht bringen, die für sie relevant sind und sie sollen sie für ihre Mitschüler:innen erschließen. Diese besondere Quellensammlung stellt das Material dar, mit dem wir im FoLL-Projekt und im Rahmen der Fortbildung arbeiten werden. Neben der gemeinsamen didaktischen Aufbereitung werden Sie zu diesem Material Forschungsfragen entwickeln, Sie werden die Daten auswerten, aufbereiten und veröffentlichen. Wir sind sehr gespannt auf Ihre Ideen und freuen uns über den Austausch. Für studentische Forschungsarbeiten bietet sich die Mitarbeit im Projekt ebenfalls an. Wir bieten Ihnen z.B. die Möglichkeit, Ihre Bachelor- oder Masterarbeit in derbring your own source Forschungsgruppe anzufertigen. Mögliche Forschungsarbeiten könnten sich folgenden Fragen widmen: Welche Quellen wählen die Schüler:innen als relevant aus (z.B. in Bezug auf historische Epochen, politische/historische Ereignisse, religiöse Texte)? Was ist in den Augen der Schüler:innen eine Quelle und wie wird das begründet? Welche Quellengattung (Bild/Text/Audio) wählen (DaZ-)Schüler:innen – aus welchen Gründen – vermehrt aus? Welche Aspekte sind für die Schüler:innen relevant, um eine Quelle zu erschließen; m.a.W.: Wie gestalten sie Scaffolding? Oder Sie fragen die beteiligten Lehrkräfte, welche Beobachtungen sie bezüglich dieser neuen Methode im Unterricht gemacht haben. Sie können z.B. untersuchen, ob es Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Bezug auf die verschiedenen Schulformen, Klassenstufen oder die verschiedenen Fächer gibt.[CL3] Bei Interesse vertiefen wir die Fragestellung gerne im Einzelnen mit Ihnen im persönlichen Gespräch.
Für Forschende
bring your own source ist ein Praxis- und Forschungsprojekt der Georg-August-Universität Göttingen. Es wird von der Zentralen Einrichtung für Wissenschaft und Lehrer:innenbildung gefördert und von der Didaktik der Geschichte, der Religionspädagogik und dem DaF/DaZ Arbeitsbereich verantwortet. Im Folgenden stellen wir Ihnen das Projekt in aller Kürze vor. Wir freuen uns, wenn wir damit Ihre Aufmerksamkeit erregen. Wenn Sie sich künftig forschend oder strukturell einbringen möchten, stehen wir Ihnen für Rückfragen gerne zu Verfügung.
Die Idee
Geschichte und Religion sind Unterrichtsfächer, die mit verschiedenen (historischen) Quellen arbeiten, um Schüler:innen so in die Wissenschaft der Fächer einzuführen. Dieser fachdidaktische Kern liegt auch dem Forschungsprojektbring your own source zugrunde. Dabei gehen wir allerdings nicht – wie sonst üblich – von der Quelle aus, sondern wir stellen die Schüler:innen an den Anfang unserer Überlegungen. Wir wollen wissen, welche Quellen sie interessieren. Und wir möchten erfahren, warum. Mit Blick auf die zunehmende sprachlich-kulturelle Heterogenität der Schulklassen adressieren wir mit diesem geisteswissenschaftlichen Ansatz auch Schüler:innen, die unterschiedliche sprachliche, kulturelle und religiöse Hintergründe haben. Sie bringen ihre Sprache in ihrer Quelle und ihr geschichtskulturelles Verständnis durch die Wahl ihrer Quelle in den Unterricht ein. Für die Schüler:innen mit Migrationshintergrund kann das Verständnis der Quellen auf zwei Ebenen betrachtet werden: Erstens benötigen diese Schüler:innen das notwendige Wissen und die kulturellen Kompetenzen, um die historischen und religiösen Hintergründe der (multimodalen) Quellen zu verstehen. Zweitens sind die sprachlichen Fähigkeiten entscheidend, um mit den mehrsprachigen Quellen umzugehen und ihre Kontexte richtig zu erfassen.
Institutionelle Rahmung
Diese konzeptionellen Ansätze untersuchen wir in fachlicher und institutioneller Vernetzung. Aus den Fachdidaktiken der Georg-August-Universität Göttingen, die sich in der Zentralen Einrichtung für Wissenschaft und Lehrer:innenbildung verbinden, arbeiten wir institutionenübergreifend und (zunächst) niedersachsenweit mit Lehrkräften aller Schulformen zusammen. Die Niedersächsische Landesschulbehörde und die Bistümer[CL4] unterstützen die konzeptionellen Forschungen an den Schüler:innenquellen. Das Niedersächsische Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ) bindet die Projektmaßnahmen, die sich über alle Phasen der Lehrer:innenbildung erstrecken, strukturell in seine Fortbildungsangebote ein. Lehramtsstudierende verschiedener Hochschulen und verschiedener Lehrämter belegen fachdidaktische und forschungsorientierte Seminare zumbring your own source-Ansatz. Die Ergebnisse des Projekts werden digital über Universitätsbibliotheken und an außerschulischen Lernorten zugänglich gemacht. Eine passende Bühne für besondere Schüler:innenquellen bietet z.B. das Wissenschaftsmuseum „Forum Wissen“. Hier kann die Relevanz der Quellen und der Quellenarbeit für historisches und religionspädagogisches Arbeiten einer breiten Öffentlichkeit am exemplarischen Produkt veranschaulicht werden.
Die Ziele
- 1. Auf der Basis von Schüler:innenquellen wird (a) ein kommentiertes Quellenkompendium erstellt, das (b) durch die Impulse, die die Schüler:innen selbst zur Erschließung „ihrer Quelle“ geben, für unterrichtspraktische Zwecke aufbereitet wird. Beides wird in Form eines digitalen Archivs zugänglich gemacht.
- 2. Die Lehrkräfte, die an diesem Projekt mitwirken, begleiten die Entstehung des Quellenkompendiums fortlaufend. Als Produkt entsteht ein fach- und institutionenübergreifendes Fortbildungskonzept, das als Blaupause für künftige Fort- und Weiterbildungsangebote dienen kann. Lehramtsstudierende werden in diesen Prozess eingebunden.
- 3. Der Prozess der Durchführung und Entstehung dieser Produkte – digitales Quellenkompendium und didaktisch aufbereitetes Begleitmaterial sowie das Fortbildungskonzept – werden empirisch forschend (u.a. durch studentische Forschungsarbeiten) begleitet. Eine unterrichtspraktische Implikation des bring your own source- Projekts können wir diesen Studien aber schon vorwegnehmen: Mit BYOS übernimmt nicht ein:e Schüler:in die Sprache und Relevanzbeimessung aller anderen, sondern alle anderen lernen auch andere „historiographische Sprache(n)“ kennen. Statt auf Inklusion des Individuums zielt dieser Ansatz damit auf eine Inversion des Unterrichts.
Ansprechpartner'innen
Melanie Lukas
Fachreferent*in im Projektmanagement der ZEWIL, stellv. Gleichstellungsbeauftragte
Sprechzeiten: nach VereinbarungDr. Soheyla Pashang
Waldweg 26,
Raum 0.425 (Lageplan)
+49 (0)551 / 39-21447
spashan@gwdg.de
Dr. Corinna Link
Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte
Didaktik der Geschichte
Waldweg 26,
Raum 0.416 (Lageplan)
0551-39 21456
corinna.link1@uni-goettingen.de