Ausflug im Rahmen des Masterseminars „Werthers Weltliterarische Wirkung“ nach Wetzlar (13.04.2024)





Am Samstag, 13. April 2024 macht sich eine Delegation des Masterseminars „Werthers Weltliterarische Wirkung“ auf, um die Inspirationsstätte für das titelgebende Werk der Veranstaltung vom Wintersemester 2023/24 zu erkunden: Wetzlar und Umgebung.
Gleich zur Ankunft überzeugt das mitteldeutsche und -alterliche Städtchen die belesene Ausflugsgruppe mit seinem historischen Charme. Frohen Mutes entsteigen sie ihrer komfortablen Karosse, überqueren die sanft dahinfließende Lahn und erklimmen die Pflastergassen von Wetzlar. Durch jene war vor 250 Jahren einst Johann Wolfgang von Goethe gewandelt, in Gedanken vielleicht bereits die Grundsteine seines literarischen Zweitlingswerks „Die Leiden des jungen Werthers“ abschreitend. Schon damals reihte sich die Stadt in schmucken Fachwerkhäuserzügen rings um einen Hügel. Auf dessen Anhöhe thronen bis heute Bauten des damaligen Reichskammergerichts und der Domkirche. Unter der imposanten Kirchenfassade nimmt eine freundliche Stadtführerin die Ausflugsgruppe in Empfang.
Nach einem kurzen Überblick über das maßstabgetreue Bronzemodell Wetzlars setzt sich die Gruppe in Bewegung. Im Rosengärtchen an der Stadtmauer erweist sie dem symbolischen Grab Karl Wilhelm Jerusalems die Ehre. Die traurige Biografie jenes Mannes hatte Goethe zu seinem weltliterarischen Klassiker inspiriert – nebst eigenem jugendlichem Leiden – und den aufstrebenden Autor Spuren im Wetzlarer Stadtbild hinterlassen lassen. Eine erste solche Spur, der nach dem späteren Nationaldichter benannte Brunnen, hat sich leider im unerfindlichen Tun der Gegenwart verloren: Unbekannte haben den Gedenkstein am Goethebrunnen kürzlich entwendet, wie die Ausflugsgruppe am Ort des Verbrechens von der Stadtführerin erfährt. Begeisterte Werther-Erstleser waren nach 1774 in Scharen zum Brunnen gepilgert, um melancholisch an der Quelle des Schöpfers zu sitzen und ihrem fiktiven Idol einige Tränen nachzuweinen.
Als Nächstes geht es über die Lottestraße zum Lottehaus, dem elterlichen Anwesen von Charlotte Buff. Sie war die Wetzlarer Bürgerin, die Goethe während seines dortigen Aufenthalts den Kopf verdrehte und ihm fast den Kragen kostete. Danach folgt ein Abstecher zum Haus, wo der damals 25-Jährige in der Zeit gewohnt hatte. Die Führung endet im Jerusalemhaus. Ein hölzernes Treppenhaus führt ins zweite Stockwerk: das ehemalige Wohngemach des Karl Wilhelm Jerusalem. Seine Einrichtung ist dem 18. Jahrhundert und der Erzählung des Suizids Jerusalems nachempfunden. Auf dem antiken Sekretär liegt eine eingeglaste Pistole, mit der sich der Mann die Kugel gegeben haben soll. Benommen strauchelt die Gruppe von der schattenreichen Szenerie zurück auf die sonnigen Straßen Wetzlars und beschließt, zum Mittagessen einzukehren.
Mit vollem Magen begibt sich die Ausflugsgruppe anschließend nach Garbenheim, das im „Werther“ als Wahlheim bekannt gemacht wurde. Mitten im Dorfidyll sitzt auch schon erwartungsvoll sein in Bronze gegossener Fürsprecher. Die Gruppe verweilt einen Augenblick bei der etwas schief geratenen Goethe-Statue und sinniert über dessen Angesicht. Dann bringt sie ihre komfortable Karosse weiter nach Volpertshausen – nicht ohne einen kurzen Umweg übers Land – wo sich das ehemalige Jagdhaus befindet. Es ist beherbergt heute das Heimatmuseum Hüttenberg und hat vielmehr zu bieten als nur den legendären Ballsaal, Schauplatz des ersten Näherkommens von Werther und Lotte während einer Gewitternacht. Kundig führt der Museumsvorsteher durchs sorgfältig kuratierte Haus, vom Keller mit dem Handkäse-Trog bis zum Dachboden mit der Trachtenausstellung. Zum Abschluss präsentiert er stolz das eins-zu-eins nachgebaute Modell-Jagdhaus auf dem Vorplatz des Jagdhauses.
Schließlich entschwindet die Ausflugsgruppe zurück gen Göttingen – voller interessanter Eindrücke und zufrieden, aus dem „Werther“ nicht nur eine erlesene, sondern durch den ereignisreichen Tag auch eine erlebte Erfahrung gemacht zu haben.

Text: Salome Müller
Fotos: Salome Müller und Esther Rauhaus