Projektbeschreibung

Projekt Idee
In den kommenden Jahren werden die Auswirkungen des Klimawandels und der sich beschleunigenden demografischen Prozesse wie Alterung und Migration noch deutlicher spürbar werden und europäischen Gesellschaften, in Bezug auf ihre Altersstruktur, ethnische Zusammensetzung sowie soziale, kulturelle und politische Identitäten, beeinflussen. Das Projekt "Identitäten - Migration - Demokratie" (We-ID) ist speziell darauf ausgelegt, den Wandel individueller und kollektiver Identitäten, Zusammenhalt und Demokratie, inmitten der Migration, zu analysieren. Um europäische Demokratien vor potenziellen Bedrohungen durch politische Krisen und extremistische Anfeindungen zu schützen, ist es wichtig, zu untersuchen und zu verstehen, wie widerstandsfähige demokratische Gemeinschaften aktiv den Zusammenhalt und das Zugehörigkeitsgefühl fördern können.
Das Projekt verfolgt einen inter- und transdisziplinären Ansatz, an dem Forscher*innen aus den Bereichen Soziologie, Demografie, Psychologie, Geografie und Politikwissenschaft sowie eine Reihe von Praktiker*innen aus der Kommunalverwaltung und der Zivilgesellschaft beteiligt sind.
Die Forschungsfragen werden mit Hilfe eines Mixed-Methods-Ansatzes angegangen, wobei sowohl qualitative als auch quantitative Methoden zum Einsatz kommen. Das Projekt basiert auf europäischen und regionalen Datensätzen über Bevölkerungsentwicklungen, politische Prozesse, regionale Disparitäten und Identitäten und wird neue Fallstudien in ausgewählten Gemeinden der Partnerländer durchführen.
Auf der Grundlage dieser Daten wird ein Konzept für widerstandsfähige demokratische Gemeinschaften (ReDeCos) erstellt und eine Toolbox für bürgerschaftliche Kompetenzen entwickelt (CCT), mit der lokale Akteur*innen gestärkt werden sollen (We-SCOUTS). Eine wichtige Neuerung ist die Einrichtung eines Policy, Advocacy and Research Lab (We-PARL), das den Forschungsprozess unterstützen und die im Verlauf des Projekts erzielten Ergebnisse reflektieren soll. Das We-PARL wird sich aus Wissenschaftler*innen, politischen Entscheidungsträger*innen und zivilgesellschaftlichen Akteuren zusammensetzen. Eine doppelte Lern- und Feedbackschleife soll die Entwicklung gemeinsamer Lösungen ermöglichen. Für die Strukturierung des We-PARL ist eine Reihe von Aktivitäten geplant, darunter Diskussionen am runden Tisch (zu spezifischen Forschungsthemen der jeweiligen Arbeitsgruppen), Dialogforen (zur Schaffung von Querverbindungen zwischen den einzelnen Forschungsthemen) sowie schriftliche Veröffentlichungen wie Policy Briefs und Handlungsempfehlungen.
Spezifische Ziele
Das übergreifende Ziel dieses transdisziplinären Forschungsprojekts We-ID ist es, das Verständnis der langfristigen Triebkräfte und Muster von Identität, Zugehörigkeit und Zusammenhalt zu verbessern und herauszufinden, wie sie mit Resilienz und Demokratie zusammenhängen, wobei ein besonderes Augenmerk auf die Auswirkungen von Migration gelegt wird. Mit dem generierten Wissen soll ein Konzept resilienter demokratischer Gemeinschaften (ReDeCos) entwickelt und gleichzeitig lokale Akteur*innen (We-SCOUTS) mit Kompetenzen ausgestattet werden, um diese kohäsiven Gemeinschaften zu stabilisieren und aufzubauen.
Im Einzelnen verfolgt We-ID die folgenden Ziele:
Ziel 1. Überprüfung und Bewertung der relevanten konzeptionellen Fragen in Bezug auf Identitäten, Zugehörigkeit und Zusammenhalt sowie deren Beziehung zu Resilienz und Demokratie, mit besonderem Schwerpunkt auf Migration.
Ziel 2. Darstellung von Trends und Mustern in Bezug auf Identitäten, Zugehörigkeit und Zusammenhalt sowie deren Einflussfaktoren, einschließlich geografischer Unterschiede, Geschlecht, Alter und Bildung sowie Migrationsstatus und Beschäftigung.
Ziel 3. Untersuchung, wie sich die sozialen Identitäten und die politische Partizipation von Einwandernden und ihren Nachkommen in den verschiedenen europäischen Ländern unterscheiden, welche Faktoren die Identität und Partizipation von Einwandernden beeinflussen, und welche Annahmen für die Zukunft getroffen werden können.
Ziel 4. Ausweitung der Ziele 2 und 3 durch eine regionale Pilotstudie in einer bulgarischen Grenzregion. Analyse der Auswirkungen der Migrationsströme sowohl auf die Migrantengemeinschaften selbst und ihre Identität als auch auf die Gemeinschaften, die einer neuen und massiven Einwanderung ausgesetzt sind.
Ziel 5. Entwicklung eines integrativen Konzepts für widerstandsfähige demokratische Gemeinschaften (ReDeCos) durch die Identifizierung (fünf Fallstudien) lokaler Faktoren, die die Zugehörigkeit behindern oder stärken.
Ziel 6. Zusätzliche Entwicklung einer Toolbox für bürgerschaftliche Kompetenzen (CCT) für lokale Akteure (We-SCOUTS), die damit die Fähigkeiten erlangen, lokale Gemeinschaften zu unterstützen, Konflikte und Kontroversen zu moderieren und Räume für Partizipation zu schaffen.
Ziel 7. Einrichtung der transdisziplinären Plattform We-PARL - Policy, Advocacy and Research Lab – einer transdisziplinären Plattform, die als Werkzeug alle im Projekt vorgesehenen thematischen Forschungsbereiche unterstützt.
Ziel 8. Verbreitung der Forschungsergebnisse We-ID, unter Zuhilfenahme der Erkenntnisse aus dem We-PARL, um sie einem breiteren Interessentenkreis zugänglich zu machen.
Das Projekt wird Faktoren auf nationaler und lokaler Ebene identifizieren, die die soziale und politische Teilhabe behindern, und gleichzeitig politische Empfehlungen entwickeln, wie Gleichstellung erreicht und die Diskriminierung gegen Frauen, LGBTIQ+ und ethnische Minderheiten gemindert werden kann.
Methodik / Konzeptioneller Rahmen
Im Mittelpunkt stehen die resilienten demokratischen Gemeinschaften (ReDeCos). Dabei kann es sich um nationale oder regionale Gemeinschaften handeln, oder auch eher lokale Gemeinschaften wie Arbeitsplätze, Vereine und Nachbarschaften., Diese setzen sich im Idealfall aktiv mit sozialen Herausforderungen auseinander, indem sie öffentlich aushandeln und Konflikte lösen, die sich gegen Diskriminierung, Marginalisierung und Ausgrenzung richten. Es handelt sich dabei um inklusive und integrative Soziale Orte, die (siehe Abbildung 1) durch Identität, Zusammenhalt und Zugehörigkeitsgefühl in den jeweiligen Gemeinschaften entstehen. Gleichzeitig werden ReDeCos von integrativen lokalen Gemeinschaften geschaffen, die kulturelle und soziale Identitäten respektieren und allen Bürger*innen die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen. Diese wechselseitigen Rückkopplungsschleifen können daher entweder einen positiven- oder negativen Kreislauf erzeugen. Ziel ist es, auf der Grundlage empirischer Ergebnisse und eines Stakeholder-Dialogs Bedingungen für den Erfolg von ReDeCos zu entwickeln.

Wir leben in einem Zeitalter der Polykrisen (Tooze 2022; Global Risk Report 2023), d.h. in einer Zeit multipler Krisen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie sich gegenseitig beeinflussen und verschärfen. Die EU, Nationalstaaten und die Bevölkerung werden auch in Zukunft Krisen, Schocks und unvorhersehbaren Veränderungen ausgesetzt sein (Aassve et al. 2020) und sie werden diese durchleben und bewältigen müssen. Einige dieser Veränderungen können plötzlich und unerwartet auftreten (z. B. eine Pandemie, Flüchtlingsströme, ein bewaffneter Konflikt, eine Wirtschaftskrise) - andere entwickeln sich schrittweise, haben aber dennoch enorme Auswirkungen (z. B. Klimawandel, demografischer Wandel, Digitalisierung). Die anhaltende Migration stellt eine besondere, aktuelle und zukünftige, Herausforderung für lokale Gemeinschaften, Nationen und die EU dar. Daher fokussiert das Projekt in der Auswertung der Forschungsergebnisse auf die Auswirkungen der Migration.
Diese Vielzahl gleichzeitiger Krisen stellt die Widerstandsfähigkeit demokratischer Gemeinschaften auf die Probe, kann aber durch Identität, Zugehörigkeitsgefühl und sozialen Zusammenhalt abgefedert werden. Auf der anderen Seite können widerstandsfähige lokale Gemeinschaften Krisen abmildern und durch Partizipation, Integration und Vertrauen, Identität und Zusammenhalt schaffen.
Strukturelle Parameter: Identitäten, Gefühle der Zugehörigkeit und des Zusammenhalts sowie das Zusammenleben in Gemeinschaften werden durch das (Mit-)Wirken struktureller Faktoren wie Kultur, Religion, Region, Wohlfahrtsstaat, Organisation der Demokratie und Geschlechterbeziehungen geprägt. Darüber hinaus beeinflussen sich Identitäten, Gefühle der Zugehörigkeit und des Zusammenhalts sowie das Zusammenleben in Gemeinschaften gegenseitig; es ist jedoch unklar, wie genau die einzelnen Komponenten zusammenwirken. Gruppen mit starken kulturellen Identitäten (z. B. Minderheiten) fühlen sich nicht zwangsläufig der Gesellschaft zugehörig; ein starker Zusammenhalt kann schnell zur Ausgrenzung führen. Mit anderen Worten: Es ist unklar, wie und in welche Richtung diese Parameter wirken.
Stakeholder-Intervention: Wie die konzeptionelle Abbildung zeigt, hängen die ReDeCos von strukturellen Parametern, Schocks und Krisen sowie von der Interaktion zwischen Identität, sozialem Zusammenhalt, Zugehörigkeitsgefühl und Gemeinschaften ab. Sie sind aber auch auf die Interventionen der Stakeholder angewiesen, einschließlich derjenigen von politischen Entscheidungsträger*innen. Politische Maßnahmen wirken sich zwangsläufig auf den (sozialen, politischen und wirtschaftlichen) Zusammenhalt, Gemeinschaften, Identitäten und Zugehörigkeit aus. Ein wichtiges Ziel von We-ID ist es, zu ermitteln, wie politische Maßnahmen diese Elemente beeinflussen.
Ein zentrales Anliegen ist es, durch fundierte wissenschaftliche Analysen und das Feedback aus dem Policy-Lab das Wechselspiel der vier Elemente: Gemeinschaft, Zugehörigkeitsgefühl, Identität und Zusammenhalt (oder deren Fehlen) zu erfassen.
Ergebnisse: Jede demokratie- und resilienzfördernde Politik muss sich an den angestrebten Zielen orientieren, beispielsweise Chancengleichheit und Zugang zum Arbeitsmarkt, soziale Absicherung und Inklusion, Gleichheit und Wohlbefinden – Ziele, die im Einklang mit dem Europäischen Sozialpakt (Europäische Kommission, 2017; EUR-Lex, 2012) stehen.
Interdisziplinarität
Die Erforschung der komplexen Zusammenhänge zwischen Identitäten, Zugehörigkeit, Zusammenhalt und resilienten Demokratien in postmigrantischen Gesellschaften erfordert eine solide Grundlage interdisziplinärer Forschung: Quantitative Methoden sind unerlässlich, um soziodemografische Merkmale bestimmter Gruppen zu identifizieren. Die Mechanismen der Identitätsbildung und weitere, in der Ausschreibung angesprochene, Herausforderungen erfordern jedoch auch qualitative Methoden, beispielsweise im Hinblick auf normative Konzepte, Realitäten, die durch unterschiedliche Identitätswahrnehmungen und deren Treiber geprägt sind, beispielsweise im öffentlichen Diskurs oder auf lokaler Ebene. Wir können auf der umfassenden interdisziplinären Erfahrung des We-ID-Konsortiums aufbauen, das Anthropolog*innen, Demograf*innen, Ökonom*innen, Geograph*innen, Historiker*innen, Jurist*innen, Linguist*innen und Kommunikationswissenschaftler*innen, Politikwissenschaftler*innen, Psycholog*innen und Soziolog*innen sowie Expert*innen für transdisziplinären Dialog umfasst. In den teilnehmenden Partnerländern werden nicht nur Fallstudien durchgeführt, sondern die daraus resultierenden Erkenntnisse werden den Teilnehmenden auch in einer Toolbox bürgerschaftlicher Kompetenzen (CCT) für We-SCOUTS zur Verfügung gestellt. Die CCT ist wiederum Teil der We-ID-Toolbox. Darüber hinaus fördert die transdisziplinäre Wissensproduktion mit Stakeholdern und die Einbindung von Politikexperten die qualitative Analyse und bereichert unsere Ergebnisse mit praktischen Erfahrungen von Akteur*innen.
Arbeitsplan und Ressourcen
Der Arbeitsplan trägt der Tatsache Rechnung, dass der Zusammenhang zwischen Identität, Migration und Demokratie ein wissenschaftlich komplexes und politisch hochrelevantes Thema ist, das derzeit in ganz Europa diskutiert wird. Aus diesem Grund arbeitet das Projekt mit einem transdisziplinären Ansatz, der wissenschaftliche Arbeit und Stakeholder-Dialog als zwei Seiten derselben Medaille betrachtet.

Im Arbeitsplan werden diese beiden Teilbereiche (Wissenschaft und Stakeholder-Dialog), von Anfang an, eng miteinander verknüpft:
Während ein Arbeitspaket die konzeptionelle Grundlage liefert, untersucht das nächste Trends und Muster in Bezug auf Identitäten, Zugehörigkeit und Zusammenhalt im Zusammenhang mit Resilienz und Demokratie. Ein Arbeitspaket konzentriert sich auf den Zusammenhang zwischen Identitäten und politischer Partizipation von Migrant*innen und ihren Nachkommen. Ein weiteres Arbeitspaket untersucht in einer Pilotstudie die Auswirkungen von Migration auf die Identitäten von Migrant*innen und Aufnahmegemeinschaften in einer bulgarischen Grenzregion, während ein anderes mit Inhaltsanalysen und fünf Fallstudien zur Entwicklung von ReDeCos in ausgewählten Partnerländern abschließt. Alle Arbeitspakete sind eng vernetzt und arbeiten gemeinsam zusammen.
Ein eigenes Arbeitspaket ist für die Entwicklung von We-PARL, mit einem engagierten Team erfahrener Wissenschafts- und Politikkommunikator*innen, vorgesehen. Die wissenschaftlichen Arbeitspakete werden zudem die Forschungsschwerpunkte der einzelnen Pakete sowie die Erfahrungen von Praktiker*innen eng miteinander verzahnen. Da es unser Hauptziel ist, die Zusammenhänge zwischen Identitätsbildung, demografischen Mustern, demokratischer Resilienz und Migration zu verstehen, sind die wissenschaftlichen Arbeitspakete thematisch eng miteinander verknüpft, und die Ergebnisse fließen ineinander. Die politischen Empfehlungen des Projekts fließen in die Arbeitspakete ein, sodass auf der Abschlusskonferenz und im We-ID Policy Handbook eine Reihe sorgfältig ausgearbeiteter Empfehlungen präsentiert werden können.
Die We-ID-Implementierungsstrategie kann dabei auf der umfassenden Erfahrung der Konsortialpartner in interdisziplinärer Forschung sowie im Stakeholder-Dialog und in der Verbreitung der Ergebnisse aufbauen. Alle Partner*innen tragen über ihre etablierten Netzwerke zum Projekt bei, sei es innerhalb der Forschungsgemeinschaft oder durch die Interaktion mit Stakeholdergruppen. Darüber hinaus wird der kontinuierliche Wissensaustausch mit Stakeholdergruppen während des gesamten Projektverlaufs sicherstellen, dass sich im Laufe des Projekts weitere Organisationen und Einzelpersonen aus Forschung, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft am We-ID-Rahmen beteiligen. So kann unser transdisziplinärer Arbeitsablauf vom ersten Tag an auf einer soliden Grundlage aufbauen und uns durch das gesamte Projekt begleiten.

