MOVING THINGS: Ein Ausstellungsprojekt zu Flucht und Migration ethnografisch begleiten Lehrveranstaltung im Wintersemester 2021/2022
Die Musealisierung von Migration ist ein Thema, das sowohl durch aktuelle Ereignisse als auch durch kritische Migrationsstudien an Brisanz gewinnt. Das Selbstverständnis europäischer Länder als "Einwanderungsländer" verändert sich mitunter durchaus konfliktreich. Migrationsmuseen und Ausstellungsmacher*innen haben hier eine besondere gesellschaftliche Funktion und Verantwortung. Musealisierung heißt dabei nicht Distanzierung und Ästhetisierung, sondern auch, dass es unvermeidlich ist, Stellung zu beziehen in einer emotionalisierten öffentlichen Debatte. Hier ist in besonderer Weise ethnologische, sozial- und kulturanthropologische Kompetenz gefordert. Wie können Sozial- und Kulturanthropolog*innen ihr Wissen engagiert an eine nicht akademische Öffentlichkeit weitergeben? Wie gelingt es, über Ausstellungen ein anschauliches, engagiertes Verständnis für die komplexen Zusammenhänge – auch von humanitären Katastrophen zu vermitteln, Solidarität zu befördern und zu einem positiven sozialen Wandel beizutragen? Welche Möglichkeiten und Schwierigkeiten sind mit Ausstellungsformaten verbunden? Und sind Ausstellungen überhaupt ein angemessenes Format?
Diese Lehrveranstaltung bot eine Hinführung und Diskussionsplattform zu unterschiedlichen Positionen und Handlungsmöglichkeiten, aber auch zu Kontroversen einer politisch engagierten Ethnologie, wie sie unter Stichworten einer action anthropology oder public anthropology und postkolonialen und postmigrantischen Ansätzen verhandelt werden. Sie befasste sich dabei besonders mit Problemen und Herausforderungen des "Ausstellens von Migration". Es ging sowohl um grundlegende Fragen der Repräsentation, um Kollaborationsformen und um die Frage, wie man Dinge zum Sprechen bringt. Nicht zuletzt ging es um die Erkenntnis, dass die Schutzwürdigkeit von Leben und Menschenwürde untrennbar mit Dingen verbunden sind, ebenso wie Status- und Identitätszuweisungen, Verlusterfahrungen, persönliche Aspirationen, Emotionen und Erinnerungen. Der ethnologische Blick auf die Materialität von Flucht und Migration gewinnt wesentliche Erkenntnisse über die Dynamiken und Bedingungen von Migration. Insofern eignet sich dieses Themen- und Forschungsfeld in besonderer Weise, um über grundlegende Fragen einer public anthropology nachzudenken und Strategien zu erörtern, wie eine politisch engagierte Ethnologie ihr Wissen zum Wohle aller nutzbar machen kann.
Die Lehrveranstaltung war als forschendes Lehrprojekt mit dem Verbundforschungsprojekt "Zur Materialität von Flucht und Migration" verzahnt, das mit einer Sonderausstellung im Forum Wissen der Universität Göttingen mit dem Titel MOVING THINGS zu einem Abschluss gebracht wurde.
Lehrpersonen
- Prof. Dr. Andrea Lauser
- Friedemann Yi-Neumann, M. A.