Die Wüstungen um Atzenhausen

Für viele Atzenhäuser sind die untergegangenen Dörfer um Atzenhausen herum immer wieder ein Thema. Was genau hat es damit auf sich?

Es sind drei Wüstungen, direkt um Atzenhausen herum, bekannt:

a) Alperode. In der Nähe des Grillplatzes
b) Kohagen. An der Straße von Atzenhausen nach Barlissen. Linker Hand.
c) Plesse. Am Weg von der alten Atzenhäuser Schule in den Wald. Ca. 1 km in den Wald hinein.

Literatur und zit. nach: Kühlhorn, Erhard: Historisch-Landeskundliche Exkursionskarte von Niedersachsen. Blatt Göttingen. Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen. 2, Teil 3. Erläuterungsheft. Kommissionsverlag August Lax. Hildesheim. 1972

Vorbemerkung

Als Wüstungen bezeichnet man Dörfer mit ihrer Flur, die aus den verschiedensten Gründen von ihren Bewohnern aufgegeben worden sind. Dabei konnte der Wüstungsprozeß einmal nur die Siedlung selbst betreffen (totale Ortswüstung), während die Felder vom Nachbarort aus weiter bewirtschaftet wurden. Meistens erfaßte dieser Vorgang jedoch auch die Feldmark ganz oder zum Teil (totale bzw. partielle Flurwüstung), so daß also streng zwischen Orts und Flurwüstung zu unterscheiden ist. Außerdem waren manche Orte oder Fluren nur zeitweilig (temporär) wüst, und gelegentlich liegt auch eine teilweise (partielle) Ortswüstung vor, wenn eine Mühle oder ein Einzelhof die Wüstungsperiode überlebte. Viele verwaldete Fluren wurden seit dem 16. Jh. Wieder gerodet, ein Prozeß, der urkundlich oft nur schwer zu fassen ist, und besonders seit dem 18. Jh. schritt man zuweilen zur Neuanlage von Gütern, Vorwerken oder Forsthäusern. auf alten Dorfstellen, so daß sich beim Fehlen einer Überlieferung meist nicht sagen läßt, ob lediglich eine partielle oder eine totale Orts und (oder) Flurwüstung vorliegt. Der Wüstungsbegriff ist also recht vielschichtig, was zuweilen, besonders in der Heimatforschung, übersehen wird.

Die ersten urkundlich belegten Wüstungen erscheinen im Bearbeitungsgebiet zu Anfang des 14. Jhs., die letzten in der 2. Hälfte des 15. Jhs., wenn man von den wenigen Dörfern absieht, die um 1500 bis zu einigen Jahrzehnten temporär wüst gewesen sind, so daß die Wüstungsperiode etwa 150 Jahre umfaßt. Die Frage nach den Ursachen dieser auffallenden Erscheinung läßt sich nicht mit einem Satz beantworten.. Als man sich näher mit diesen Dingen zu befassen begann, wurde zunächst die Ermüdung des Bodens als auslösendes Moment angegeben, also Fehlkolonisation. Da die meisten Dörfer jedoch mehrere Jahrhunderte lang bestanden haben, ehe sie aufgelassen wurden, scheidet diese Möglichkeit weitgehend aus, denn offenbar war bei der Anlage dieser Siedlungen nicht vorauszusehen, daß die Böden auf die Dauer nicht für Ackerbau geeignet sein würden. Zudem haben viele Siedlungen die Wüstungsperiode überlebt, obgleich sie ebenfalls überwiegend nur geringwertiges Land besitzen. Der Faktor Bodengüte hat sicher gelegentlich als Ursache bei der Aufgabe von Dörfern mitgespielt ausschlaggebend dürfte er dagegen nur in den seltensten Fällen gewesen sein. Öfter ist jedoch das Gegenteil eingetreten, die Übersiedlung hochwertiger Böden. Die Kolonisten erwarteten hier hohe Erträge, die sie zunächst auch erzielten, bis schließlich die Tragfähigkeit des Ackerlandes durch das Anwachsen der Landbevölkerung überschritten und so das Verlassen von Siedlungen erzwungen wurde. Nebenbei sei bemerkt daß man die heutigen Bodenverhältnisse nicht ohne weiteres auch für das Mittelalter als gültig ansehen kann.

Von großer Bedeutung war dagegen die spätmittelalterliche Agrarkrise, die besonders durch die Untersuchungen von W. Abel in das Blickfeld gerückt ist. Sie wurde in erster Linie durch häufig auftretende Seuchen ausgelöst, die die Bevölkerung weiter Landstriche erheblich dezimierten. Das traf vor allem für die dicht besiedelten Städte zu, wo sich die unzureichenden hygienischen Verhältnisse stärker als auf dem flachen Land auswirkten. Die Folge war ein sinkender Bedarf an Getreide und damit ein Absinken der Getreidepreise bis unter die Gestehungskosten, da sich das Angebot nicht im selben Maß verringerte. So kam es zu den verbreiteten Wüstungserscheinungen, die nicht nur durch die völlige Aufgabe ganzer Dörfer gekennzeichnet sind, denn auch in den übrigbleibenden Siedlungen lagen viele Höfe und ausgedehnte Ackerflächen wüst. In der Karte konnte also nur ein Teil dieses Entsiedlungsvorganges erfaßt werden, wenn auch der augenfälligste, weil dessen Ausmaß bei den überlebenden Dörfern nur durch detaillierte Einzeluntersuchungen zu klären ist, die bisher nicht vorliegen und auch wegen des fehlenden Quellenmaterials meist kaum möglich sind. Aus dem. Gesagten ergibt sich jedenfalls, daß unter der Agrarkrise vorwiegend Getreideanbaugebiete zu leiden hatten, zu denen das Bearbeitungsgebiet fast ausschließlich gehört, während Bereiche mit vorherrschender Viehzucht bedeutend weniger betroffen waren.

Die durch diese Verhältnisse ausgelöste Landflucht wurde noch durch die Privilegien gefördert, deren sich die Städte erfreuen durften. Wer als Zugewanderter ein Jahr in der Stadt gelebt hatte, ohne von seinem ehemaligen Grundherrn belangt worden zu sein, war frei. Zwar besaßen die Neubürger, meist als "Medewohner" oder "Pfahlbürger" bezeichnet, nicht alle Rechte der Vollbürger, erlangten jedoch wesentlich freiere Entfaltungsmöglichkeiten als die Landbevölkerung. Zudem lagen die Verdienste der städtischen Handwerker erheblich über den Einkünften der Bauern, besonders natürlich während einer Agrarkrise.

Eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Aufgabe von Siedlungen haben die ständigen Fehden während des 14. und 15. Jhs. gespielt, unter deren Auswirkungen in erster Linie die Landbevölkerung zu leiden hatte. Meist machte man sich nicht die Mühe, die festen Häuser des Gegners anzugreifen, was gewöhnlich mit hohen Verlusten unter der wehrhaften Mannschaft verbunden war, sondern zerstörte dessen Dörfer mit ihren Fluren und trieb das Vieh hinweg. Damit war dem Widersacher die wirtschaftliche Existenzgrundlage entzogen, und außerdem gab es reiche Beute. War nun ein Ort innerhalb eines kurzen Zeitraumes mehrfach niedergebrannt worden, so mußte bei seinen Bewohnern das Verlangen nach besseren Schutzmöglichkeiten entstehen. Als Abhilfe bot sich das Zusammensiedeln in benachbarten Dörfern an, weil man darin über eine größere Anzahl wehrfähiger Männer verfügte und sich auch wirtschaftlich eher in der Lage sah, die Siedlung durch Wälle, Gräben, Palisaden oder doch wenigstens durch einen Knick zu sichern. Solche Dorfbefestigungen sind im südlichen Niedersachsen öfter bezeugt. Gern wählten die Umsiedler günstiger gelegene Orte an wichtigen Straßen, die vielleicht auch einen Markt besaßen, weil hier zugleich bessere Absatzmöglichkeiten bestanden. Man bezeichnet diesen Vorgang als Ballung. Oft brachen die Bauern im alten Dorf ihre Häuser ab, da sie in vielen Gegenden zu ihrer beweglichen Habe gehörten, und errichteten sie wieder am neuen Wohnort. Das Land würde weiter bewirtschaftet, jedoch ergab es sich meist, daß die peripheren Gemarkungsteile im Laufe der Zeit nur noch extensiv als Grasland genutzt wurden, bis sie nach einiger Zeit schließlich verwaldeten. Auf diese Weise kam es dann zu einer totalen Orts, aber nur partiellen Flurwüstung. Begünstigt wurde der Zuzug in die Nachbardörfer durch die Tatsache, dass auch hier viele Höfe, und mehr oder weniger ausgedehnte Ländereien unbesetzt waren. Als weitere Ursache, ist das Wüstlegen ganzer Dörfer durch Klöster zu nennen. Hatte der Konvent in einem Ort durch Kauf und Schenkung Ländereien und Berechtigungen erworben, so versuchte er, möglichst sämtliche Güter nebst Zinsen und Zehnten an sich zu bringen. Dann legte man die Höfe, soweit sie nicht von ihren Besitzern bei ihrem Fortzug mitgenommen worden waren, nieder und richtete statt dessen einen, Klosterhof ein, von dem auch die Einkünfte aus dem umliegenden Streubesitz eingesammelt wurden. Daraus ergab sich eine wesentliche Vereinfachung der Verwaltung, denn jetzt brauchten die Abgaben nicht mehr von den einzelnen Bauern eingetrieben zu werden. Vor allem die Zisterzienser verwalteten ihren Besitz von solchen Klosterhöfen aus, Grangien genannt.

Während des letzten Abschnittes der Wüstungsperiode haben wahrscheinlich auch Klimaschwankungen in gewissern Maß die Aufgabe von Siedlungen bewirkt. Wenn man, was bisher nur vereinzelt geschehen ist, mittelalterliche und. frühneuzeitliche Urkunden und andere schriftliche Zeugnisse auf Angaben über Unwetter, Dürrezeiten, Überschwemmungen, Hungersnöte usw. durchmustert, so finden sich manche interessante Hinweise. Sehr wahrscheinlich gab es schon um 1330 eine Klimaverschlechterung, auf die eine längere Periode mit milden Wintern folgte. Im Zeitraum zwischen 1428/29 und 1459/60 herrschten dann 13 strenge Winter während des letztgenannten war sogar, die Ostsee von Schweden bis zu den baltischen. Ländern zugefroren. Dazu kamen Kälterückfälle im Frühjahr von acht Jahren dieses Zeitraumes, sechs sogenannte „Monsunsommer", die kühl und reich an Niederschlägen waren, aber auch ausgesprochen heiße Sommer, unter denen der von 1433 insofern aus dem Rahmen fiel, als er eine Monsumperiode aufwies, die zu Überschwemmungen führte (1). Gegenüber den günstigen Klimaverhältnissen des Früh und Hochmittelalters in Mitteleuropa wirkten sich diese Klimaverschlechterungen naturgemäß besonders nachhaltig aus, vor allem bei den im Bearbeitungsgebiet vielerorts vorhandenen toniglehmigen Böden. Die für die Zeit um 1330 anzunehmende Klimaverschlechterung fällt etwa mit dem Beginn der Hauptwüstungsperiode zusammen.

Mit diesen Klimaschwankungen gingen Änderungen des Grundwasserspiegels einher. Sank dieser unter den normalen Stand, so versiegten die Brunnen, und die Felder hatten unter Trockenheit zu leiden, wobei zusätzlich der Wölbackerbau in dieser Richtung wirkte. Beim Ansteigen des Grundwassers wurde dagegen das Pflugland zu naß, besonders bei toniglehmigen Böden. Schwankungen des Grundwasserstandes sind noch heute zu beobachten, denn viele Bäche, die während des Mittelalters eine ausreichende Wasserführung besaßen, wie ihre eingetieften Betten beweisen, sind heute ganz oder doch weitgehend versiegt und haben nur während der Schneeschmelze etwas Wasser.

Welche dieser Ursachen für das Wüstwerden eines Ortes mit seiner Gemarkung verantwortlich zu. machen ist, muß in jedem Einzelfall untersticht werden, denn in den Urkunden finden sich, wenn überhaupt einmal die Aufgabe einer Siedlung bezeugt ist, meist keine Hinweise darauf. Man darf sich übrigens das Wüstungsphänomen nicht als plötzlich eintretende Katastrophe vorstellen, denn es wurden zunächst nur einzelne Höfe aufgegeben, bis nach einiger Zeit die ersten Siedlungen gänzlich verlassen waren. Eine Ausnahme bildet lediglich die Zerstörung eines Dorfes während einer Fehde. So nahm der mittelalterliche Mensch diesen Vorgang bald als etwas beinahe Selbstverständliches hin, ohne davon besonders beeindruckt zu sein. Daraus erklärt sich auch, weshalb über den Zeitpunkt des Wüstwerdens ganzer Ortschaften so wenig Angaben in den Urkunden zu finden sind.

Von den Dorfstellen ist, sofern sie im heutigen Ackerland liegen, im allgemeinen nichts mehr zu sehen, abgesehen von einigen Wüstungen, deren Kirche als Ruine oder doch wenigstens als Schutthügel erhalten ist. Im Wald lassen sich dagegen manchmal Plätze beobachten, auf denen einst Häuser standen, sogenannte Hauspodeste, Verebnungen in schwach geneigtem Gelände. Die Lokalisation der in die Karte eingetragenen

Ortsstätten geschah, nachdem der Wüstungsbestand durch die Auswertung von Urkundenbüchern und der Sekundärliteratur einigermaßen vollständig ermittelt war, nach den in der Überlieferung enthaltenen Lageangaben, systematisch gesammelten Flurnamen. und schließlich durch die unerläßlichen Geländeuntersuchungen. Diese können nur bei abgeernteten Feldern im Herbst und nach der Schneeschmelze im Frühjahr vorgenommen werden, solange die Vegetation noch nicht flächendeckend ist. Es bleiben also jeweils nur wenige Wochen im Jahr, die oft noch von längeren Regenperioden unterbrochen werden. Deshalb mußte gelegentlich auf eine vielleicht erfolgversprechende Lokalisation verzichtet werden, wenn die Geländearbeit nicht ausfindig zu machen war. Bei dieser wurden die Felder nach Scherben und Hüttenlehm abgesucht. Dorfstellen unter Wald bieten größere Schwierigkeiten, weil man auf zum Teil zufällig vorhandene Aufschlüsse angewiesen ist (Bäche, Wegeböschungen, Fahrspuren, Wurzelballen umgestürzter Bäume), während im Grasland Maulwurfshaufen kontrolliert werden müssen.

Relikte der mittelalterlichen Fluren sind im Untersuchungsgebiet nur unter Wald zu erwarten, nahezu ungestört im Laubwald, Es finden sich in erster Linie Wölbäcker, außerdem Terrassenäcker, und vereinzelt dürfte es auch Flachäcker gegeben haben, die an Lesesteinhaufen und reihen zu erkennen sind; jedoch liegen darüber noch keine Untersuchungen vor. Das Alter dieser Flurrelikte läßt sich im allgemeinen nicht bestimmen. Als sicher kann gelten, daß Wölbäcker unter Laubwald weitgehend aus dem Mittelalter stammen, denn auf den verlassenen Fluren bildete sich ein sekundärer Laubwald, meist Buchenbestand, der durch die im 17. Jh. einsetzende und dann im 18. Jh. vielerorts energisch betriebene Forstwirtschaft erhalten blieb. Neurodungen auf bereits verwaldeten Wüstungsfluren wurden oft durch landesherrliche Erlasse verboten.

Daneben besaßen Eichenhaine eine besondere Bedeutung als Hudewälder, aber auch zur Gewinnung von Bauholz. Nadelwälder waren, wenn man vom Harz absieht, im Kartenbereich während des Mittelalters nur wenig vertreten erst in der Neuzeit wandte man sich verstärkt der Aufforstung mit Nadelbäumen zu. Daran erinnern in Landkarten aus dieser Zeit die gelegentlich zu findenden Angaben wie "Neue Tannenbesamung'" oder "Tannen Kamp". Wölbäcker unter Nadelwald brauchen daher nicht aus dem Mittelalter zu stammen, denn sie können auch auf neuzeitlichem Rodeland angelegt worden sein. Schon bald nach 1500 schritt man nämlich, oft allerdings nicht durch schriftliche Zeugnisse belegt, zu umfangreichen Neurodungen, teils auf den ehemaligen Gemarkungen der Wüstungen, teils aber auch im primären Wald, der die hochmittelalterliche Ausbauperiode überdauert hatte, und noch in dieser Zeit wurden oft Wölbäcker aufgepflügt. Weder die heutige Waldgrenze noch die des 18. Jhs. entspricht also überall der mittelalterlichen Verteilung von Wald und Feld. Als Merkmal für eine alte Grenze zwischen beiden Vegetationszonen gilt die sogenannte Waldrandstufe. Wurde stets an diese Trennungslinie herangepflügt so war auf dem Ackerland ständig Lockermaterial vorhanden, das durch flächenhafte Erosion hangabwärts transportiert wurde, während im Wald selbst keine flächenhafte Abtragung stattfand. So bildete sich im Laufe der Jahrhunderte eine Erdstufe aus, die nicht selten eine Höhe von 1 m aufweisen kann. Als Beispiel ist der Nordrand des Waldes auf dem Papenberg südostwärts von Sudheim (Bl. Moringen) zu nennen. Wölbäcker und auch Terrassenäcker unter Grünland sind gewöhnlich neuzeitlich. Das wird besonders augenfällig, wenn sich die Wölbäcker ungestört über mittelalterliche Dorfstellen hinweggziehen. Das beste Beispiel für diese Tatsache stellt der Wölbackerkomplex im Bereich der Wüstung Moseborn (B1.Duderstadt) dar. Hier wurde noch im 19. Jh. wegen des nassen Bodens Wölbackerfeldbau getrieben. Mit Sicherheit sind also aus dem Mittelalter stammende Wölbäcker nur im Laubwald zu finden

In diesem Zusammenhang ist noch auf zwei Kulturpflanzen hinzuweisen, die im Bearbeitungsgebiet eine gewisse Bedeutung besessen haben, inzwischen aber längst wieder aus dem Bild der Landschaft verschwunden sind (2.) Da ist einmal die Weinrebe zu nennen, deren Kultivierung in Südwestdeutschland von den Römern übernommen wurde. Ihre größte Ausbreitung fand sie während des Spätmittelalters bis etwa um 1500, auch im Gebiet um Göttingen, und gerade damals ging der Getreideanbau stark zurück. Für das südliche Niedersachsen existieren, wie schon angedeutet, keine Einzeluntersuchungen, jedoch liegt die Annahme nahe, daß gerade während der Wüstungsperiode, die ja zum Teil auf die Verringerung der Getreideanbaufläche wegen sinkender Nachfrage zurückzuführen ist, eine Ausweitung des Weinbauareals erfolgte. Während in günstigen Lagen noch im 16. Jh. neue Weinberge angelegt wurden, ist in den übrigen Gegenden eine starke Abnahme der Rebenkulturen zu verzeichnen, die auch das Bearbeitungsgebiet betroffen haben dürfte. Im 17./18. Jh. verschwand der Weinbau aus Norddeutschland ganz, nicht zuletzt auch deshalb, weil nun schon wesentlich höhere Ansprüche an die Qualität des Rebensaftes gestellt wurden.

Gar nicht selten findet sich in Südniedersachsen der Flurname „Weinberg“, der gemeinhin mit dem Anbau von Reben in Verbindung gebracht wird. In den meisten Fällen hat es sich jedoch um schlichte "Weideberge" gehandelt, und ebenso ist bei den gelegentlich anzutreffenden "Weingärten" jeweils nachzuprüfen, welche Funktion diese Feldlagen einst wirklich besaßen. Ein echter Weinberg muß zwei Voraussetzungen erfüllen. Einmal verlangt die Rebe Kalkuntergrund, und außerdem kommen nur Hänge mit ausgesprochener Süd- bis Westexposition in Frage. Sind diese beiden Grundbedingungen nicht gegeben, so ist kaum mit ehemaligem Weinbau zu rechnen.

Wichtiger als die Kultur der Weinrebe war der Anbau von, Hopfen, da Bier während des Mittelalters für die Masse der Bevölkerung das Hauptgetränk darstellte.

Auch in Niedersachsen muß der Hopfen eine große Bedeutung besessen haben Zeugnisse liegen allerdings erst aus jüngerer Zeit vor. Zu Ende des 13. Jhs. wird in Einbeck Land mit der Verpflichtung übergeben, jährlich auf einem Teil davon Hopfen anzupflanzen, und im 14. Jh. erläßt die Stadt Braunschweig ein Verbot, mehr als ein Drittel der Stadtflur mit dieser Frucht zu bestellen, Beide Nachrichten lassen auf eine starke Nachfrage schließen im zweiten Fall bestand offenbar die Gefahr, daß durch ein übergroßes Angebot die Hopfenpreise fallen könnten, und so erschien eine Begrenzung der Anbaufläche notwendig. Der Erlös aus dem Hopfenverkauf schwankte von Jahr zu Jahr außerordentlich. Seit dem 17. Jh. wurde der Hopfenanbau in Nord und Nordostdeutschland völlig aufgegeben, wahrscheinlich wie bei der Weinrebe wegen der geringen Qualität des Produktes.

Hopfen bevorzugt bachnahe Auen, und in solchen Lagen findet sich auch im Bearbeitungsgebiet gelegentlich der Flurname „Hopfenhof“. Da "Hof" hier gewöhnlich in der Bedeutung von "Garten" gebraucht wird, ergibt sich, daß Hopfen auch in Südniedersachsen wie im übrigen. Deutschland in Gärten und nicht auf Feldern angebaut wurde, also nur in Ortsnähe auf kleinen Arealen. Weiter folgt, daß mit "Hopfen" zusammengesetzte Flurnamen wenigstens aus der Zeit vor dem 17. Jh. stammen müssen, als dessen Anbau eingestellt wurde.

Eine Datierung des keramischen Materials wurde nicht vorgenommen, da hierfür noch keine ausreichenden Grundlagen bestehen. Bisher ist im Untersuchungsgebiet nur die Irdenware einer Wüstung Königshagen bei Barbis/Krs. Osterode genauer untersucht worden (3). Nach den bei einer einzelnen Dorfstelle gewonnenen Ergebnissen kann aber nicht die Keramik eines ausgedehnten Gebietes zeitlich eingeordnet werden. Auch aus einem anderen Grund ist Königshagen nicht repräsentativ, da es an der alten Grenze Sachsen/Thüringen lag, also schon deshalb mit Fremdeinflüssen zu rechnen ist, die auch sonst gegeben sind, da auf der, Stammesgrenze außerdem die "Hohe Straße" entlanglief, ein recht alter Verkehrsweg, der auf jeden Fall während des Mittelalters bestanden hat, und so wird manches fremde Tongeschirr in Königshagen geblieben und auch nachgeahmt worden sein, Schließlich ist die erarbeitete Chronologie nicht: frei von Unsicherheiten. Deshalb sehen wir uns noch immer nicht in der Lage, die auf alten Dorfstellen geborgene Irdenware zu datieren, zumal mit einer Typologie nicht viel anzufangen ist, da es sich bei diesen Oberflächenfunden nur um verstreute Scherben handelt, bei denen zwar Randprofile, Verzierungen und vereinzelt die Gestaltung des Bodens (Grapenfüße) herangezogen werden können, jedoch nicht die Form der Gefäße. Alle bisher in der Literatur mitgeteilten Datierungen von Wüstungskeramik sind also mit Vorbehalt zu betrachten.

Bei der Wahl des Hauptnamens für die Wüstungen traten gewisse Schwierigkeiten auf, weil bisher darüber keine einheitlichen, Grundsätze vorliegen. So wurde in Analogie zu den noch vorhandenen Orten auch bei den späteren Wüstungen möglichst eine Namensform aus der Zeit gewählt, als die Dörfer noch bestanden. Dabei handelt es sich gewöhnlich um Ortsnamen aus dem 14./15. Jh. Um eine gewisse Einheitlichkeit zu gewährleisten, sind auf Anraten von W. Kramer die Grundwörter husen, rode und hagen stets in dieser Form geschrieben, auch wenn sie gelegentlich einmal nicht so belegt sind, sondern als hosen, rodt usw. Auch sonst wurden die Namen etwas generalisiert, in dem zum Beispiel die beliebten Konsonantenverdoppelungen und das oft überflüssig erscheinende "h" (rohde, hagen) wegfielen. Nicht in allen Fällen sind Belege aus dem genannten Zeitabschnitt bekannt, so daß auf ältere oder jüngere Namensformen zurückzugreifen war. Befinden sich heute auf alten Dorfstellen. wieder Ansiedlungen gleichen Namens, so unterblieb eine zusätzliche Eintragung des Wüstungsnamens. Für fast alle aufgelassenen Orte finden sich einige originale Schreibweisen in den "Bemerkungen" des Wüstungsverzeichnisses.

Auf die Änderungen gegenüber dem Blatt Duderstadt wurde schon früher hingewiesen (4). Vorarbeiten standen nur in beschränktem Maß zur Verfügung, meist in Form von Wüstungslisten ohne präzise, auf Geländeuntersuchungen basierenden Lageangaben als Anhang zu Arbeiten landesgeschichtlichen Inhaltes. So mußte manche bisher als sicher lokalisiert geltende Wüstung in den zweiten Teil des Wüstungsverzeichnisses verwiesen werden,

Alperode
Neben der seit wenigstens 1312 bezeugten Namensform Alperode findet sich 1348 Erperod, 1488 Arperode. Das Dorf besaß eine Kirche oder Kapelle, 1785 Karteneintragung "Erperöder Kirche“, die aber urkundlich nicht belegt ist. Genaue Lage nicht restlos gesichert, da K. 200 m südlich des angegebenen Platzes im Feld trotz ungünstiger Untersuchungsbedingungen, fast flächendeckende Vegetation, rund 50 Scherben fand, am in der Karte angegebenen Platz 1 Scherbe und etwas Hüttenlehm.

Kohagen
(F.) 1306 Cohaghen, 1308, 1324 und 1329 ville Cohagen, 1426 Kuhagen, um 1470 und 1488 de Kohagen, 1489 an dem Kohagen. FIN "Kuhhagen" und "Am Kuhhagen".

Plesse
1294 indagines Plesserhage et Eilderode, 1326 in silva Dehberg et silva Plesse, 1355 dorp ... to der Plesse, 1356 Plesse, 1397/98 von der Plesse, Heutige FIN "Plesse und Nassekirchhof" sowie « Pöesse » nördlich und südlich Pkt» 380,4, ebenso dicht nordostwärts der Hohen Schleife. Es heißt, in der Mitte des "Nassen Kirchhofes“ befände sich ein Schutthaufen der ehemaligen Kirche, "welcher 42 Schritte in der Rundung hält.“ Entsprechende Belege fehlen jedoch bisher.

Anmerkungen:

1. Flohn – S.354 f.

2. Die folgende Darstellung stützt sich im wesentlichen auf B e r t s c h (S, 122 f. und 234 f.) sowie Abel: 1962 (S. 90, 117/118, 166 und 209) spezielle Untersuchungen liegen für den südniedersächsischen Raum bisher nicht vor.

3. Janssen, Walter: Zur Typologie und Chronologie mittelalterlicher Keramik aus Südniedersächsen. Neumünster 1966 (= Göttinger Schr. z. Vor und Frühgesch. Bd. 7). Ausgewertet wurde in erster Linie das Material Königshagens, außerdem in wesentlich geringerer Anzahl Ware von der Burg Hausfreden/Kr. Alfeld und der Wüstung Berigerode bei FredeIsloh/Kr. Northeim (Bl. Moringen).

4. Erl. Heft zum Blatt Osterode S. 33/34. 5 Fahlbusch 1960 S. 172.

Die Wüstungen um Atzenhausen

(Quelle: http://www.dr-ulonska.homepage.t-online.de)