- Voraussetzungen inklusiven Unterrichts
Am Beispiel von handlungsorientiertem Literaturunterricht als inklusivem Unterricht kann hinterfragt werden, wie ein Gegenstand beschaffen sein sollte, um inklusiven Unterricht zu ermöglichen. Literatur wird aufgrund ihrer Offenheit häufig als geeigneter Lerngegenstand benannt. Dazu kommen jedoch auch Fragen der Bearbeitung, der Ziele und der Anpassung dieser Ziele für die einzelnen Schüler*innen, um (Literatur-)Unterricht inklusiv zu gestalten.
- Möglichkeit eines gemeinsamen Lernziels auf Basis unterschiedlicher Bearbeitung
Anhand der Frage, inwiefern es möglich ist, mittels unterschiedlicher literarischer Medien mit unterschiedlicher Sprachverwendung sprachliche Ästhetik zum gemeinsamen Lerngegenstand inklusiven Literaturunterrichts zu machen, kann diskutiert werden, inwiefern Schüler*innen über unterschiedliche Lernwege und Bearbeitungsmöglichkeiten gemeinsame Lernziele erreichen können bzw. welche gemeinsamen Lernziele dann sinnvoll erscheinen. So könnte ästhetisches Lernen nicht nur durch die Bearbeitung sprachlicher Mittel möglich sein, sondern auch durch den handlungsorientierten Umgang mit Literatur in Form von kleineren Inszenierungen sowie durch das eigene Verfassen von literarischen Texten, auch in Form von Hörtexten oder kurzen Filmen (vgl. Surkamp 2017; Delius/Surkamp 2017).
- Umgang mit disziplinären Normen im Unterricht wie dem Sprechen in der Zielsprache vor dem Hintergrund der Diversität der Schüler*innen
Der Umgang mit disziplinären Normen im Kontext von Inklusion und Diversität kann in Bezug auf Fremdsprachenunterricht z. B. dahingehend hinterfragt werden, inwiefern die Norm (weiterhin) gelten sollte, im Englischunterricht nur Englisch zu sprechen und nicht ins Deutsche (oder eine andere Sprache) zu wechseln bzw. wechseln zu dürfen. Ein möglicher inklusiver, diversitätssensibler Ansatz könnte sein, die Verwendung der deutschen (oder einer anderen) Sprache nicht kategorisch auszuschließen, sondern sie vielmehr als Scaffolding-Angebot, also als an die Lernenden angepasste und sukzessive abbaubare Hilfestellung, zu verstehen.
- Reflexion von Widersprüchen von Normen und Bedürfnissen sowie unterschiedlichen Bedürfnissen
Eine Frage betrifft die Reflexion der Studierenden bzgl. der Beachtung unterschiedlicher Bedürfnisse und Voraussetzungen von Schüler*innen sowie disziplinärer Normen. Inwiefern wird von Studierenden beobachtet, beschrieben bzw. reflektiert, dass inklusives und diversitätssensibles Unterrichten teilweise fachdidaktischen Normen entgegensteht bzw. es beim Beachten unterschiedlicher Bedürfnisse und Begabungen von Schüler*innen zu Kollisionen untereinander und mit normativen Vorstellungen von gutem Fremdsprachenunterricht kommen kann?
- Diversitätssensibles Unterrichten und kategorisierende Vorannahmen
Es stellt sich die Frage, inwiefern es möglich ist, gerade als Berufsanfänger*in bewusst Nicht-Kontrolle zuzulassen und damit ohne Vorannahmen, die zu sehr kategorisieren, und diversitätssensibel zu unterrichten. Wie sollte man im Studium damit umgehen, dass Unterrichtsbeobachtungen und daraus gezogene Rückschlüsse den Studierenden vor allem Sicherheit vermitteln, aber auch individuelle Lernwege von Schüler*innen verstellen können?
- Beachtung der Heterogenität der Studierenden im Studium
Als Einführung in das englischdidaktische Seminar und die Übung im Bachelor werden Studierende dazu eingeladen, ihre eigene Diversität z. B. in Hinblick auf ihre sprachlichen Kompetenzen, ihre individuellen Lernvoraussetzungen und auch in Bezug auf ihre Geschlechtervorstellungen zu reflektieren, um sich u. a. ihrer eigenen Diversität bewusst zu werden. Die individuelle Anpassung von Kompetenzzielen im Studium über den Anstoß einer Reflexion der eigenen Voraussetzungen hinaus stellt hingegen ein strukturelles Problem dar. Dabei stellt sich die grund-sätzliche Frage, inwiefern und in welchem Maße es sinnvoll und möglich ist, Lernziele, Lerngegenstände und Lernwege im Studium zu differenzieren.
- Verhältnis Theorie und Praxis
Auch in Bezug auf den Umgang mit Diversität und inklusivem Unterricht stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von theoretischer Vermittlung und Praxisbezug im Studium. So kann fachdidaktisches Wissen als theoretisches Fundament angesehen werden, Handlungsoptionen zu reflektieren und diversitätssensibel handeln zu können. In Bezug auf die Diversität der Studierenden kann man jedoch die Frage stellen, inwieweit alle Studierenden zu einer solchen Reflexion einer (fachdidaktischen) Theorie als Basis ihres unterrichtlichen Handelns in der Lage sind bzw. sein sollten. Daneben könnte sich eine gute Lehrkraft auch aufgrund ihres großen Fundus an Handlungsalternativen auszeichnen. Eine weitere Idee, eine Balance zwischen Theorie und Praxis herzustellen, könnte sein, in der Berufseinstiegsphase, aber auch an späteren Stellen in der Berufsbiographie immer wieder aus der Praxissicht heraus die Möglichkeit zu erhalten, sich theoriebasiert, d. h. wissenschaftsbasiert mit der Praxis z. B. in Bezug auf Inklusion auseinanderzusetzen.
Literatur
Surkamp, Carola (2017): „Inklusiver Fremdsprachenunterricht: Zum Potential von Literatur und handlungsorientierten Zugängen.“ In: Burwitz-Melzer, Eva et al. (Hrsg.). Inklusion, Diversität und das Lehren und Lernen fremder Sprachen. Arbeitspapiere der 37. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr, 315-326.
Delius, Katharina/Surkamp, Carola (2017): „Inklusion.“ In: Surkamp, Carola (Hrsg.). Metzler Lexikon Fremdsprachendidaktik: Ansätze – Methoden – Grundbegriffe. 2. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart/Weimar: Metzler, 139-140.
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