Presseinformation: Planet in bewohnbarer Zone um nächstgelegenen Stern gefunden
Nr. 166/2016 - 24.08.2016
Forscherteam entdeckt Planeten mit erdähnlicher Masse um den Stern Proxima Centauri
(pug) Ein internationales Forscherteam mit Beteiligung der Universität Göttingen hat einen klaren Hinweis auf einen Planeten gefunden, der unseren nächsten Stern zur Erde, Proxima Centauri, umkreist. Dieser lang gesuchte Planet, genannt Proxima b, umkreist seinen kühlen roten Mutterstern alle elf Tage und besitzt eine Temperatur, die Wasser in flüssigem Zustand an der Oberfläche möglich erscheinen lässt. Dieser Gesteinsplanet besitzt etwas mehr Masse als unsere Erde und ist der uns am nächsten gelegene extrasolare Planet – vielleicht ist er sogar der nächste Ort außerhalb unseres Sonnensystems, an dem Leben existieren kann. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Nature erschienen.
Gerade einmal vier Lichtjahre von unserem Sonnensystem entfernt liegt der rote Zwergstern Proxima Centauri. Abgesehen von der Sonne ist er der nächste Stern zur Erde. Dieser kühle Stern am Südhimmel im Sternbild Centaurus ist zu schwach, um mit dem bloßen Auge erkennbar zu sein. In seiner Nähe befindet sich das viel hellere Sternenpaar Alpha Centauri AB. Während der ersten Jahreshälfte 2016 wurde Proxima Centauri im Rahmen der Pale Red Dot-Kampagne regelmäßig mit Teleskopen rund um den Globus beobachtet. Dabei suchten die Astronomen nach jenen kleinen Bewegungen des Sterns, die durch den gravitativen Einfluss eines ihn umkreisenden Planeten erzeugt würden. Aufgrund des großen öffentlichen Interesses berichteten die Forscher zwischen Januar und April 2016 regelmäßig im Internet über den Fortschritt der Beobachtungen. Dazu gab es eine Reihe an populärwissenschaftlichen Beiträgen von Spezialisten aus aller Welt.
„Die ersten Hinweise auf einen möglichen Planeten wurden bereits 2013 entdeckt, aber die Ergebnisse waren nicht überzeugend“, erklärt der Leiter der Studie, Dr. Guillem Anglada-Escudé von der Queen Mary-Universität London. „Seither haben wir mit Hilfe der Europäischen Südsternwarte ESO und anderen Partnern hart daran gearbeitet, weitere Beobachtungen durchführen zu können. Die Planung für das Pale Red Dot-Projekt dauerte etwa zwei Jahre.“
Die Wissenschaftler kombinierten die Daten des Projekts mit früheren Beobachtungen. Dabei fanden sie heraus, dass sich Proxima Centauri regelmäßig mit einer Geschwindigkeit von etwa fünf Kilometern pro Stunde – normaler Gehgeschwindigkeit – auf die Erde zu und wieder von ihr weg bewegt. Dieses regelmäßige Muster der wechselnden Radialgeschwindigkeiten wiederholt sich mit einer Periode von 11,2 Tagen. Eine sorgfältige Analyse der Dopplerverschiebung im Spektrum des Sternes weist auf die Anwesenheit eines Planeten mit einer Mindestmasse von 1,3 Erdmassen hin.
Proxima b umkreist seinen Stern viel näher als Merkur in unserem Sonnensystem die Sonne umkreist, aber der Stern ist deutlich schwächer als die Sonne. Aus diesem Grund liegt Proxima b innerhalb der bewohnbaren Zone seines Muttersterns und besitzt eine geschätzte Oberflächentemperatur, die die Anwesenheit von flüssigem Wasser erlaubt.
Trotz dieses „temperierten Orbits“ werden die Bedingungen an der Oberfläche von Proxima b stark von Ausbrüchen des Sterns im ultravioletten und Röntgenbereich beeinflusst, und zwar in viel stärkerem Ausmaß, als es die Erde von der Sonne erfährt. „Ob Proxima b eine Atmosphäre hat, wissen wir noch nicht“, sagt Prof. Dr. Ansgar Reiners vom Institut für Astrophysik der Universität Göttingen. „Dies wird in Zukunft Gegenstand intensiver Forschung sein. Die hochenergetische Strahlung hat sicherlich Auswirkungen auf die Bedingungen auf der Oberfläche von Proxima b. Trotzdem ist es nicht unmöglich, dass Proxima b über eine lebensfreundliche Atmosphäre verfügt.“
Die Entdeckung von Proxima b ist der Beginn von einer Reihe weiterer Beobachtungen mit aktuellen Instrumenten und mit der nächsten Generation von extrem großen Teleskopen wie des European Extremely Large Telescope (E-ELT). Proxima b wird in Zukunft eines der wichtigsten Ziele für die Suche nach Leben im Universum sein. Und mit dem Projekt StarShot gibt es bereits die Vision, das Alpha Centauri-System mit einen Raumfahrzeug von der Erde aus anzuvisieren.
Originalveröffentlichung: Guillem Anglada-Escudé et al. A terrestrial planet candidate in a temperate orbit around Proxima Centauri. Nature 2016.
Kontaktadressen:
Prof. Dr. Ansgar Reiners
Georg-August-Universität Göttingen – Institut für Astrophysik
Telefon (0551) 39-13825
E-Mail: ansgar.reiners@phys.uni-goettingen.de
Prof. Dr. Stefan Dreizler
Georg-August-Universität Göttingen – Institut für Astrophysik
Telefon (0551) 39-5041
E-Mail: dreizler@astro.physik.uni-goettingen.de
Dr. Mathias Zechmeister
Georg-August-Universität Göttingen – Institut für Astrophysik
Telefon (0551) 39-9988
E-Mail: zechmeister@astro.physik.uni-goettingen.de