Presseinformation: Großkatzen wechseln bei Wildtier-Mangel auf Nutztiere
Nr. 260/2015 - 03.11.2015
Göttinger Forscher untersuchen Beziehungen zwischen Nutztier-Rissen und wilder Beute
(pug) Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren sind eine Herausforderung für den Erhalt der Artenvielfalt und für den Lebensunterhalt ländlicher Dorfgemeinschaften. Großkatzen wie Löwen, Tiger oder Leoparden reißen oft Nutztiere. Oft kommt es dann zu ökonomischen Verlusten und zur Tötung dieser Katzen, obwohl sie gefährdet und offiziell geschützt sind. Zu wenig wilde Beute wird oft als wichtiger Grund für solche Konflikte genannt. Naturschutzbiologen der Universität Göttingen haben jetzt erstmals umfassend die Frage untersucht, bei welcher Beutetierdichte und welchem -gesamtgewicht Großkatzen auf Nutztiere wechseln. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Biological Conservation erschienen.
„Wir haben einen globalen Datensatz zu Mensch-Raubkatzen-Konflikten analysiert und kartiert und eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Raubkatzen-Rissen an Rindern gefunden, wenn das Gesamtgewicht wilder Beute einen Wert von etwa 812 Kilogramm pro Quadratkilometer unterschritt“, sagt der Leiter der Studie Dr. Igor Khorozyan vom Johann-Friedrich-Blumenbach Institut für Zoologie und Anthropologie. „Wenn wilde Beute noch stärker zurückgeht und 540 Kilogramm pro Quadratkilometer unterschreitet, beginnen Großkatzen damit, auch Schafe und Ziegen zu reißen. Uns verblüffte jedoch, dass diese Regel generalisierbar erscheint, das heißt, auf alle Großkatzen-Arten gleichermaßen zutrifft – ohne Bezug zu Körpergröße, Populationsdichte oder Größe von Schutzgebieten.“
Das von den Autoren entwickelte Modell erlaubt es, Konflikte anhand existierender Beutetier-Biomasse-Angaben vorherzusagen und zeigt, dass nur einige wenige gut geschützte Gebiete in Indien, dem Tiefland von Nepal und in Südafrika ausreichend wilde Beute besitzen, um Großkatzen von Rissen an Nutztieren weitgehend abzuhalten. Im Gegensatz zu anderen Studien, die vorschlagen, Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren zu lösen, indem Nutztierzahlen reduziert und eine vegetarische Ernährung propagiert werden, fanden die Göttinger Forscher keinen Zusammenhang zwischen Nutztierzahlen oder -gewicht und Konflikten mit Großkatzen. „Das ist so, weil Großkatzen Nutztiere dann reißen, wenn sie leicht zu erbeuten sind, zum Beispiel in dichter Vegetation oder während der Abwesenheit von Schäfern, aber nicht, wenn Nutztier-Herden größer sind“, sagt Privatdozent Dr. Matthias Waltert, Senior-Autor der Studie und Koordinator des Forscherteams.
Originalveröffentlichung: Igor Khorozyan et al. (2015) Big cats kill more livestock when wild prey reaches a minimum threshold. Biological Conservation 192: 268-275. Doi:10.1016/j.biocon.2015.09.031.
Kontaktadressen:
Igor Khorozyan, PhD und PD Dr. Matthias Waltert
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Biologie und Psychologie
Johann-Friedrich-Blumenbach-Institut für Zoologie und Anthropologie
Abteilung Naturschutzbiologie
Bürgerstraße 50, 37073 Göttingen
Telefon (0551) 39-5633 und -5638
E-Mail: igor.khorozyan@biologie.uni-goettingen.de und mwaltert@uni-goettingen.de
Internet: www.uni-goettingen.de/en/483588.html und www.uni-goettingen.de/de/pd-dr-matthias-waltert/117392.html