Presseinformation: Göttinger Soziologen: Beschäftigungsinitiative 5000 x 5000 ist erfolgreich
Nr. 227/2003 - 10.10.2003
SOFI zieht nach Auswahl und Qualifizierung von Arbeitslosen erste Zwischenbilanz
(pug) Als beispielhaften und nachahmenswerten Erfolg bewerten Wissenschaftler des Soziologischen Forschungsinstituts der Universität Göttingen (SOFI) in einer ersten Zwischenbilanz die Beschäftigungsinitiative 5000 x 5000 des Wolfsburger VW-Konzerns. In einer am heutigen Freitag veröffentlichten soziologischen Begleitstudie kommt das Wissenschaftlerteam unter der Leitung des Göttinger Soziologen Prof. Dr. Michael Schumann zu dem Schluss, dass das gesellschaftspolitisch wichtigste Ziel der Beschäftigungsinitiative, Arbeitslose und Langzeitarbeitslose in großer Zahl in Normal-Arbeitsverhältnisse zu integrieren, erreicht worden sei. Das Konzept 5000 x 5000 wurde maßgeblich von Dr. Peter Hartz, Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektor des Auto-Konzerns, sowie vom Gesamtbetriebsrat der Volkswagen AG entwickelt, um Arbeitslose für eine Tätigkeit in der Automobilherstellung zu qualifizieren und unter besonderen Entlohnungskonditionen in gesicherte Arbeitsverhältnisse des so genannten ersten Arbeitsmarktes zu integrieren.
Das Ergebnis der Göttinger Wissenschaftler bezieht sich auf die erste, jetzt abgeschlossene Untersuchungsphase, mit der sie das Auswahlverfahren und die Qualifizierung der neuen Belegschaft für ein Automobilwerk zur Produktion des VW-Touran seit September 2002 wissenschaftlich begleiten. Sie verfolgten den Weg von 3780 Bewerbern durch des mehrstufige Auswahlverfahren und die anschließenden, auf die speziellen betrieblichen Anforderungen zugeschnittene Qualifizierung. Mit 760 Arbeitern (so genannten Werkern) und 51 Betriebsingenieuren führten sie Interviews. Sie befragten sie nach ihrem beruflichen Hintergrund, den Gründen für die Bewerbung, ihren Erfahrungen bei der Rekrutierung und in der Ausbildungsphase sowie nach ihren Erwartungen an die zukünftige Tätigkeit. Außerdem wurden Expertengespräche mit den Beteiligten aus den Arbeitsämtern und Job-Centern sowie aus dem Konzern und dem Betriebsrat geführt. „Die nach wie vor hoch motivierte Mannschaft ebenso wie die Träger des Konzepts in Management und beim Betriebsrat begründen gute Chancen, das Projekt auf der Erfolgsspur zu halten und damit einen Beitrag zu leisten für eine Renaissance einer qualifikatorisch anspruchsvollen industriellen Produktionsarbeit am Standort Deutschland“, fassen die Soziologen ihre Ergebnisse zusammen.
Über das Internet hatten sich 43.000 Arbeitslose im Jahr 2001 bei VW beworben, aus denen nach einer ersten Prüfung am Computer 22.000 eine zweite Auswahlstufe erreichten. Den Weg in ein so genanntes Job Center schafften 12.500. Dort wurde in Tests, Gesprächen und Fertigkeitsprüfungen entschieden, wer in die Qualifizierungsphase einsteigen sollte. Dabei standen weniger formale Abschlüsse im Vordergrund, stattdessen orientierte man sich an einem Kompetenzprofil, das Kriterien wie Eigenverantwortung, Lernfähigkeit und Lernbereitschaft berücksichtigt. Die Göttinger Soziologen kamen in ihrer Auswertung der Daten zu dem Ergebnis, dass bei „Auto 5000“ eine Belegschaft an den Start gegangen ist, die „zwar einerseits aus der Arbeitslosigkeit und ohne spezifische Automobil-Erfahrungen rekrutiert wurde, andererseits aber über ein überdurchschnittliches Ausbildungsniveau und Kompetenzprofil verfügt.“ Das Projekt folge konsequent den ursprünglichen Hartz-Ideen einer Reform der Arbeitsverwaltung. Danach erstellen die Unternehmen Anforderungsprofile ihres Arbeitskräftebedarfs, das Arbeitsamt sucht auf dieser Basis geeignete Arbeitslose und unterstützt deren Höherqualifizierung.
Zum Thema Identifikation mit dem Arbeitgeber stellten die Soziologen fest, dass die 2920 neuen Mitarbeiter „hoch motiviert“ seien, dabei aber durchaus die an sie gestellten Anforderungen auch kritisch reflektierten. Dabei werde ein „modernes Arbeitnehmerbewusstsein” erkennbar: Die Belegschaft begreife die Bemühungen um eine verbesserte Wirtschaftlichkeit - das heißt Rationalisierung - als Aufgabe aller Akteure, also auch als eigene. Zur Zeit laufen jeden Tag 750 Wagen vom Band, eine Produktionszahl von 850 ist das Ziel, dass VW seinen neuen Mitarbeitern gesteckt hat. Angesichts der Arbeitsmarktmisere sei die gelungene Integration ein Erfolg, so Prof. Schumann, von dem typische Leih- und Zeitarbeiter nur träumen könnten. „Fast alle sind stolz darauf, bei der strengen Auswahl übrig geblieben zu sein und verstehen es als besondere Anerkennung, nun zur Mannschaft zu gehören.“
Kontaktadresse:
Prof. Dr. Michael Schumann
Soziologisches Forschungsinstitut
an der Georg-August-Universität Göttingen
Friedländer Weg 31, 37085 Göttingen
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Internet: www.sofi.uni-goettingen.de